Willentlich im Schatten Schottlands.

Deutscher Whisky im Schatten der Schotten

Eine Streitschrift über den deutschen Whisky.

So viele Whiskybrenner, so viele Whiskyfans

Es gibt hunderte Brenner in Deutschland, die Whisky herstellen. Bekannt sind mindestens 250, Schätzungen gehen von doppelt so vielen aus. Marktanteil und Literausstoß deutschen Whiskys bleiben dennoch verschwindend gering. Die Gründe dafür werden immer wieder diskutiert, reichen von der leidigen Frage der Brennblasen über mangelnde Erfahrung bis hin zum Konservatismus deutscher Whisky-Freunde, die lieber die Schotten bevorzugen und dem deutschen Whisky misstrauen.

Hier soll nicht die ganze Diskussion aufgenommen werden, sondern nur letztgenannter Punkt. Tatsächlich scheinen viele Fans hierzulande den iro-schottischen Whisky zum Ideal erhoben zu haben, um anderen Whisky daran zu messen. Selbst dem mindestens ebenso traditionsreichen Whiskey aus den USA begegnet man oft mit einem gewissen Dünkel. (Horst Lünings überschwängliche Besprechung des Woodford Reserve hat vermutlich mehr als alles andere dazu beigetragen, diesem Dünkel entgegenzutreten.)

Im Grunde geht das Problem aber noch tiefer. Es ist die These dieser Streitschrift, dass nicht allein die Fans den iro-schottischen Whisky zum Maß aller Dinge erklärt haben. Vielmehr gilt das auch für die Hersteller von Whisky in Deutschland. Sie laden damit zu einem Vergleich ein, der nicht immer sinnvoll ist.

Im Folgenden sollen zunächst zwei Grundlinien dieses Prozesses näher beleuchtet werden: erstens die Namenskunde und damit einhergehende Probleme der Brand Identity, und zweitens der Einfluss des schottischen Vorbildes auf das Endprodukt. Dabei werden die Auswirkungen dieses Prozesses skizziert. Drittens sollen ein paar positive Entwicklungen und Alternativen hervorgehoben werden, an denen sich deutsche Whiskyhersteller bereits versuchen.

Wichtig: natürlich betrifft das Folgende nicht alle Whiskyhersteller dieses Landes, vielleicht nicht einmal die Mehrheit. Angesichts der Tatsache, dass ich viele gar nicht kenne, ist das sogar wahrscheinlich.

Glen What? Deutscher Whisky auf onomastischer Irrfahrt

Wer nach Japan blickt, findet dort Whisky mit den klingenden Namen Yamazaki, Nikka oder Kurayoshi.

Auf Taiwan begegnen uns Kavalan und Yushan.

In Indien, wo Englisch Amtssprache ist, wird ebenfalls nicht auf Sanskrit-Namen verzichtet, wie z.B. Amrut.

All diese Namensgebungen verraten etwas über die Herkunft und Tradition der Brenner und ihres Whiskys. Das ist auch marketingtechnisch gesehen ein schlauer Schachzug, da man nicht nur bei der einheimischen Bevölkerung punkten kann, sondern sich v.a. im internationalen Markt von den übermächtigen Schotten, Iren und Amerikanern absetzt.

Wer nach Deutschland aber blickt, glaubt, er sei in Schottland. Eine ganze Reihe von Whiskys trägt englische Namen, ja viele sind sogar in gälischer Sprache gehalten. Das Gälische ist eine inselkeltische Sprache. In Deutschland bzw. auf dem Gebiet Deutschlands gab es allenfalls eine Form des Kontinentalkeltischen, die sich aber lange vor der Erfindung des Whiskys überlebt haben dürfte. Auch englische Namen sind nur bedingt sinnvoll, wird diese Sprache doch im Regelfall als Zweit- oder Drittsprache erlernt und dürfte im In- wie Ausland eher selten mit deutschen Produkten assoziiert sein.

Mancher mag behaupten, solche Namen seien ein Zeichen von Internationalität und Offenheit. Vielleicht. Doch sie sind auch ein Zeichen fehlenden Mutes. Statt sich zu seiner regionalen Verbundenheit zu bekennen, reiht man sich lieber bei den Schotten ein. Zwischen Glen Mhor und Glen Keith z.B. fällt der deutsche – übrigens sehr respektable! – Glen Els kaum auf.

So beraubt sich der deutsche Whisky seiner eigenen Identität. Um es ganz offen zu sagen: Er wird sprachlich zu einer Kopie der Produkte beliebterer Whiskyregionen degradiert, bevor auch nur der erste Tropfen in das Glas gegangen ist.

Das ist schade, denn die Geschichte Deutschlands und seiner Regionen ist extrem vielfältig, bunt und inklusiv. Hier wird Potential verschenkt. Allein die Vielzahl an Dialekten bzw. historischen und Regional-Sprachen macht es eigentlich überflüssig, sich an das Gälische oder Englische zu hängen, wenn man denn einen exotischen Namen sucht: Althochdeutsch, verschiedene alemannische Dialekte oder sorbische Sprachen, um nur ein paar zu nennen. Statt Glen gäbe es dann etwa das altsächsische Dal …

Grundsätzlich schadet es auch nicht, sich daran zu erinnern, dass ‚Made in Germany‘ als Qualitätsmerkmal in aller Welt gilt. Und auch wenn es immer wieder überrascht: die deutsche Sprache kennt wunderschöne Wörter. Allein ein Blick in die Literatur der Romantik könnte so mancher Augen öffnen.

Am Rande: Das Landgericht Hamburg hat im Februar diesen Jahres festgestellt, dass der Namensteil Glen einen Verstoß gegen die EU-Verordnung zum Schutz geografischer Angaben bei der Spirituosenvermarktung darstelle. Also ein Grund mehr, mit solchen Namen zu brechen! …Brexit hin oder her.

„Ein gelungenes Beispiel für regionale Verankerung und ungewöhnliches Finishing: Getreide von den eigenen Feldern, dazu eine Nachreifung in Knupperkirschweinfässern. Und der Whisky trägt keinen pseudo-gälischen Namen, sondern einen, der die slawischen Ursprünge der Siedlung um die Brennerei hervorhebt“.

Das Diktat der Gerste. Deutscher Whisky und schottischer Geschmack

Single Malt wird aus gemälzter Gerste gewonnen. Die deutschen Whisky-Fans lieben Single Malt, also unterwerfen sich viele Brennereien dem Diktat der Gerste. Auch die weiteren Produktionsschritte sind oft dem Vorbild schottischer Meister nachempfunden.

Zum Glück herrscht wenigstens bei den Fässern größere Experimentierfreude, allerdings sind auch hier meist Kombinationen von recht klassischen Fassarten üblich (Sherry, Port-, Rot-, Weißwein, Bourbon, Virgin). Wer einen Hang zum Zynismus hat, mag anmerken, dass auch in Schottland seit einigen Jahren verstärkt mit neuen Reifungskombinationen experimentiert wird, etwa mit Starkbier-Fässern. So wirklich avantgardistisch wirkt der deutsche Whisky darum selten, v.a. verglichen mit Mackmyra (das ist im Übrigen auch ein schwedischen Name, kein pseudo-gälischer).

Das Endprodukt ist eines, das dem Schottischen recht nah ist bzw. sein soll. Das an sich ist nicht verwerflich, schmeckt japanischer Whisky dem schottischen doch oft zum Verwechseln ähnlich. Die Japaner haben den deutschen Brennern zwar einige Erfahrung voraus und es war ihre erklärte Mission, schottischen Whisky zu imitieren. Die Frage ist jedoch, ob das ein lohnendes Ziel ist. Die ersten hundert Jahre jedenfalls führte japanischer Whisky ein Schattendasein und ich hege ernste Zweifel daran, dass dies für die deutschen Whiskyhersteller irgendwie erstrebenswert ist.

Das sind alles Fragen, die unabhängig vom vielleicht größten Streitpunkt aufkommen. Dieser Streitpunkt betrifft das Preis-Leistungs-Verhältnis. Es macht wenig Sinn, diese Diskussion hier in toto wiederzugeben. Um meinen Standpunkt zu illustrieren, sei erneut auf Japan verwiesen: früher habe ich gerne japanischen Whisky gekauft. Der war hinreichend exotisch, wenn auch nur ob der Aufmachung, und schmeckte sehr gut, wenn auch sehr schottisch. Doch die Preise stiegen und erreichten spätestens 2015 absurde Höhen infolge von Murrays berühmtem Urteil über den Yamazaki Sherry Cask. Trotz leichter Entspannung kann ich mich nur noch sehr selten dazu durchringen, einen japanischen Whisky in Erwägung zu ziehen.

Natürlich ist das kein faires Argument. Lohnniveau und Produktionskosten sind nun einmal höher in Deutschland, der Markt ist kleiner. Doch Fragen des Geldes haben die lästige Angewohnheit, unfair zu sein. Da gibt es kein Entkommen.

Entweder deutscher Whisky wird seinem Preis gerecht und macht es besser als der schottische, oder er erfindet sich neu und macht es hinreichend anders.

Die Suche nach Alternativen

Es mag topisch anmuten, aber Deutschland gilt nicht zu Unrecht als das Land der Schwarzbrotesser und Biertrinker. Roggen und Bier – hier ließe sich leicht ein Bezug zum Whisky herstellen.

Eine Maische auf Roggenbasis liegt nah. Der würzige Grundcharakter erinnert tatsächlich an das hierzulande beliebte Schwarzbrot. Solcher Whisky dominierte lange den US-Markt und das nicht zufällig. Deutsche Einwanderer hatten nämlich großen Anteil am Aufbau der amerikanischen Whisky-Industrie; man denke nur an den berühmsten Sohn der Böhm-Familie, Jim Beam. Roggenwhisky erlebt in den USA seit Jahren schon eine Renaissance, die auch in Deutschland nicht unbemerkt blieb. Im Gegensatz zu den USA aber haben deutsche Whiskybrenner das Glück, in der Fassauswahl für die Reifung wesentlich freier agieren zu können. Hier wären einige spannende Kombinationen denkbar. Rye Whiskey gibt es inzwischen in Deutschland und die machen was her, bspw. Stork und Freimeister Rye. Stork gewann unlängst sogar den World Whisky Award als bester Rye und es gibt immer mehr deutschen Rye Whiskey.

Und wenn etwas als deutsches Nationalgetränk gelten kann, dann Bier. Eine Reifung von Whisky in Bierfässern liegt nun wirklich nah, zumal es einige Vorbilder in aller Welt dafür gibt. Sicherlich ist ein Problem, dass Bier in Deutschland kaum noch in Fässern gereift wird. Dennoch müssten Kooperationen möglich sein, zumal insbesondere Craftbrauereien immer größeres Interesse an Whiskyfässern zur Nachreifung entwickeln. Tatsächlich scheint sich in der Richtung etwas zu tun, so hieß zumindest auf dem Craft Spirits Festival in Berlin. Da lohnt sich das Warten.

Zum Schluss

Grundsätzlich würde ich mir etwas mehr Mut zur Eigenständigkeit wünschen. Der Unique Selling Point deutschen Whiskys sollte sich nicht auf die Geographie beschränken.

Das ist freilich nur meine persönliche, aus der Außenperspektive gewonnene und vermutlich unfaire Einschätzung. Ich werde die Entwicklung des deutschen Whiskys auch weiterhin mit Spannung verfolgen und immer wieder einen heimischen Dram im Glas haben.

tl/dr

Ich will einen deutschen Rye Whiskey mit Bierfassreifung, der keinen gälischen oder englischen Namen trägt.

8 Comments

  • Whiskyherbst und Whiskyfest 17. September 2019 at 10:27 Reply

    […] Besonders spannend fand ich die Kooperation mit einer Craftbrauerei … vielleicht wird mein Traum von einem Bierfass gereiften deutschen Rye Whiskey doch noch wahr. Auf jeden Fall werden wir die […]

  • Schlitzer Woody 17. August 2020 at 21:17 Reply

    […] Regionalbezug ein großes Problem der deutschen Whiskylandschaft ist, haben wir bereits an anderer Stelle ausführlich thematisiert. Viellicht eindrücklicher sind aber Jason Stovers Schwierigkeiten, […]

  • Grumsiner Mammoth 27. September 2020 at 1:38 Reply

    […] ein Stück gelebter Regionalgeschichte sind und das schätzen wir sehr. Weniger schätzen wir den unnötig englischen Namen Mammoth – gerade dann, wenn man sich zur Region bekennen […]

  • Deutsche Brennereien und Social Media 29. Dezember 2020 at 13:31 Reply

    […] fand die ungewöhnliche und schottisch angelehnte Denomination jedenfalls unnötig. Auf diesen Hinweis reagierte Eifelwhisky direkt konfrontativ, indirekt unterstellte man mir erneut […]

  • Nine Springs Rye Whiskey 8. Januar 2021 at 17:58 Reply

    […] ich deutsche Whiskyhersteller dafür kritisiere, dass sie sich unnötig an schottische Nomenklatur klammern, muss ich der Fairness halber dieselbe Kritik auch bei […]

  • Whisky Inside 26. August 2021 at 23:27 Reply

    […] und durch authentische[n] Namen“ für deutschen Whisky sehen zu wollen. (Wenigstens ist es kein Pseudo-Gälisch…). Und ob der Lübbehusen die „Charakteristika der Region“ im Norden Niedersachsens […]

  • Unser Jahr des deutschen Rye Whiskys 28. Dezember 2021 at 16:28 Reply

    […] und wächst. Das Resultat sind spannende und qualitativ hochwertige Single Malts. Doch aus dem Schatten Schottlands treten sie nur allzu langsam; zu sehr dominiert dieses Mutterland des Whiskys die Gedanken der […]

  • Deutscher Whisky vor dem Reichsgericht - DoktorWhisky.de 26. März 2023 at 13:36 Reply

    […] die Vermarktung mit schottischen Motiven und Bilder, englischen bzw. gälischen Namen – eine Unsitte, die bis heute nicht ausgestorben ist, aber eben in eine andere Zeit gehört. Tatsächlich war […]

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