Whiskyherbst und Whiskyfest

Zwei Berliner Messen am 6. und 7. September 2019

Zwei Whiskymessen zur selben Zeit in derselben Stadt?

Die Mauer ist lang gefallen und doch ist Berlin geteilt – zumindest in der Welt des Whiskys: der Whiskyherbst in der Tempelhofer Mälzerei und das Whiskyfest an der Köpenicker Freiheit konkurrieren um das Berliner Publikum.

Über Jahre hinweg gab es nur den Whiskyherbst in Köpenick, doch die Veranstalter gingen getrennte Wege. Die einen nahmen den Namen Whiskyherbst mit nach Tempelhof, die anderen blieben unter neuem Namen in Köpenick. Alles weitere ist (leider) recht bekannt und soll hier nicht Thema sein.

Die Mälzerei in Tempelhof im Süden der Stadt bietet das größere Gelände, was bei den Besucherzahlen sicherlich von Vorteil ist. Die Freiheit 15 in Köpenick ist dagegen etwas gedrängter, bietet nach unserem persönlichen Eindruck jedoch das schönere Ambiente. Köpenick, gelegen im Südosten der Stadt, ist ohnehin der schönste der Berliner Bezirke und die Altstadt mitsamt Schloss und Schlosspark am Wasser laden auch jenseits des Whiskyfestes zum Spazieren ein.

Aussteller waren oft auch bei beiden Messen zugegen, sodass es am Ende letztlich eine reine Geschmacksfrage ist, wer welches Event bzw. welche Location bevorzugt. Und als Berliner brauche ich nicht noch eine Teilung: die beiden werden zusammen besprochen.

Deutscher Whisky

Teil 1: Glina

Glina war bei beiden Messen zugegen, sehr zu Karens und meiner Freude. Die Brennerei in Werder an der Havel ist unserer Ansicht nach nämlich die Topadresse in Sachen innovativen deutschen Whiskys – trotz einer deutschen Whiskylandschaft, die in den letzten Jahren massiv erstarkt ist und die wir hier im Folgenden gebührend vorstellen werden.

Glina. Immer einen Besuch wert.

Glina überzeugt neben dem lokalen Bezug – Getreide von den eigenen Feldern, Wasser aus der eigenen Quelle, usw. – durch ausgefallene Ideen. Die Smoked Edition haben wir schon hinreichend gewürdigt; neu für uns waren der im Sherryfass gereifte Rye und der 8-jährige Single Cask in Fassstärke. Letzterer mag etwas konventioneller sein, zeigt jedoch die Handwerkskunst der Brandenburger. Er ist unheimlich cremig und sogar Karen, die normalerweise leichten und lieblichen Whisky bevorzugt, war schnell überzeugt. Der Rye wiederum geht in die Richtung, die ich mir für deutschen Whisky wünsche und war wirklich eine neue Erfahrung, auch wenn mir das Sherryfass vielleicht einen Ticken zu auffällig war. Allerdings dürften Freunde der Sherryreifung hier ihre helle Freude haben.

Wir erkundigten uns bei Master Distiller Michael – der sich in einer wunderbar offenherzigen Art um uns und alle anderen Gäste am Stand kümmerte – auch nach zukünftigen Projekten. Ich kann nur sagen, dass die Zukunft rosig aussieht. Die Abfüllungen werden immer älter, die Bandbreite an Fassreifungen wächst. Besonders spannend fand ich die Kooperation mit einer Craftbrauerei … vielleicht wird mein Traum von einem Bierfass gereiften deutschen Rye Whiskey doch noch wahr. Auf jeden Fall werden wir die Brennerei im Auge behalten.

Teil 2: Slyrs

Auch Slyrs buchte doppelt und ich muss gestehen, dass ich noch nie einen Slyrs getrunken hatte. Freilich kannte ich die Brennerei, immerhin ein Platzhirsch in Whiskydeutschland. Zeit für einen Besuch!

Bei einem Tasting lernten wir die Range von Slyrs kennen. Die Abfüllungen sind meist recht gradlinig mit Bourbonfassreifungen und Nachreifungen in (Stark-)Wein oder Rumfässern und sie müssen sich vor den Schotten nicht verstecken. Gerade das Rumfinish hatte was. Karen und ich mögen süßliche Whiskies ohnehin, doch hier kam noch eine angenehme Würze hinzu. Mir hat der 51 allerdings bei weitem am besten geschmeckt, weil er mit seiner direkten Intensität und starken Süße die besten Qualitäten eines guten Bourbons mitnahm, dennoch aber komplexer wirkt. Vielleicht hat meine Präferenz auch ein wenig damit zu tun, dass es das Gesellenstück des Destillateurs Kilian war, der uns durch das Tasting führte und uns schon am Tag zuvor sehr sympathisch beriet…

Destillateur Kilian Jonscher beim Slyrs-Tasting, das wir wärmstens empfehlen!

Nicht unerwähnt sollten die Liköre bleiben, die vor allem Karen begeisterten. Im Fall der Alpine Herbs kann ich das sogar nachvollziehen. Alles in allem verstehe ich nun, warum Slyrs Vorreiter für guten deutschen Whisky geworden ist und nach wie vor bei vielen Whiskyfreunden in hohen Ehren steht.

Teil 3: Stonewood

Stonewood war relativ neu für uns. Wir kannten eigentlich nur den Instagram-Account und das reicht natürlich nicht. Deswegen wurden flugs ein paar Gläschen genossen und hier liegt eindeutig Potential. Die Oberpfälzer nehmen ihre sowohl ihre Bierbrauerwurzeln als auch ihre Heimatverbundenheit sehr ernst – und das empfinden wir immer als Riesenplus, denn lokale Erzeugnisse sorgen nicht nur für Authentizität, sondern stehen auch für Qualität.

Und was könnte typischer sein, als bayerischer Whisky mit Weißbierhefe vergoren? Der Woaz schmeckte tatsächlich auch sehr interessant, wobei mein Favorit der Smokey Monk war: als Antwort auf den Bedarf nach rauchigem deutschen Whisky entstanden, nahmen sie keinen Torf, sondern gingen ihren eigenen Weg. Die Verwendung von Buchenrauchmalz erinnert freilich an das in Oberbayern beliebte Rauchbier und die resultierenden Aromen unterscheiden sich von getorftem Whisky.

Das finde ich besonders faszinierend, weil Glina mit der Smoked Edition ja ein ähnliches Ziel verfolgt. Die beiden unterscheiden sich geschmacklich, doch eint sie, dass sie innovative und vor allem heimatverbundene Lösungen suchen, um einen rauchigen Whisky zu kreieren. Um die Ecke denken hilft manchmal…

Unsere Neuentdeckung auf der Messe.

Die Flaschen sind noch als drei-jährig ausgeschrieben, liegen aber näher bei fünf Jahren Reifung, was man durchaus schmecken kann, und werden demnächst auch offiziell als fünf-jährig geführt. Die Qualität des Destillates ließ sich so oder so erkennen.

Stonewood ist ein weiteres Beispiel dafür, wie deutscher Whisky überzeugen kann, wenn er sich vom übermächtigen schottischen Vorbild löst und seine Eigenständigkeit behauptet. Ich denke, auch hier darf in Zukunft einiges erwartet werden.

Teil 4: Stork Club

Stork ist ein alter Bekannter und wer die Szene etwas verfolgt, dürfte an ihrem hervorragenden Rye Whiskey nicht vorbeigekommen sein. Da erschien es etwas befremdlich, dass sie genau diesen nicht dabei hatten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, den Single Malt kannten war schon und er interessiert uns nicht übermäßig.

Zum Glück gab es noch etwas besonderes: da stand ein Fass und nicht irgendeines. Es war ein ex-Laphroaig-Fass, in dem junger Rye Whiskey reifte. Ich probierte ein Glas. Die Kombination aus Rye und Islayrauch leuchtete mir ehrlich gesagt zunächst nicht ein, aber ich änderte meine Meinung schnell. Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, wie gut das zusammenpasst, eine neue Erfahrung jedoch ist es auf jeden Fall. Die Würze und Kraft des Destillates in Kombination mit dem süßlich-phenolischen Raucharoma, das v.a. im Abgang zum Vorschein kommt, habe ich so noch nicht erlebt.

Stork bestach dieses Jahr durch eine besonders ausgefallene Abfüllung.

Teil 5: Spirituosenschmiede und deutsche Vorurteile

Den 1848 Whisky der Spirituosenschmiede haben wir schon probiert und auch wenn sich seine Jugend nicht leugnen lässt, hat er doch einige Qualitäten, die für ihn sprechen. Dass der Destillateurmeister Gregor sein Handwerk versteht, kann niemand ernsthaft bezweifeln. Tatsächlich probierte ich den Bierbrand und der war sehr lecker.

Die Jungs von der Spirituosenschmiede können nicht nur Whisky.

Aber hauptsächlich kamen wir an den Stand, um Hallo zu sagen. Dabei konnten wir einem Gespräch beiwohnen, das leider recht typisch für Deutschland ist: deutscher Whisky könne ja nichts. Zugegeben, das Vorurteil ist leider nicht aus der Luft gegriffen. Nur lag dem Gespräch ein grundsätzliches Dünkel zugrunde, demnach ausschließlich schottischer Whisky etwas tauge. Um genau zu sein: Single Malt. Auch der exzellente, 45-Jahre-alte Invergordon sei ja ‚nur‘ ein Grain.

Das ist eine recht verbreitete Vorstellung, doch hier würde etwas mehr Offenheit gut tun, gerade weil man auf der Messe so viel probieren kann. Und sollte.

Teil 6: eine Momentaufnahme von 2019

Wenn die beiden Messen etwas gezeigt haben, dann ist es die momentane Stärke deutschen Whiskys. Qualitativ macht er sowieso seit Jahren Schritte nach vorn, doch inzwischen kommt auch richtige Experimentierfreude dazu.

Wenn sich dieser Trend fortsetzt und mehr deutsche Whiskybrenner sich vom schottischen Vorbild emanzipieren, sollte das Vorurteil gegenüber deutschem Whisky mittelfristig haltlos werden.

Messen wie der Whiskyherbst und das Whiskyfest sind perfekte Orte, um das breite Publikum zu überzeugen. Wir stellen den deutschen Whisky hier so sehr in den Vordergrund, weil wir glauben, dem Entstehen einer wunderbaren, den Schotten ebenbürtigen Whiskylandschaft beiwohnen zu können. … gut, eher hoffen wir es.

Amerikanischer Whiskey

Wo wir gerade bei Vorurteilen waren … Amerikanischer Whiskey wird von vielen hierzulande ebenfalls nicht hoch geschätzt, doch auch an dieser Front tut sich etwas. Tatsächlich war das einzige Bourbon-Tasting des Whiskyherbstes, Michters, bereits Wochen im Voraus ausgebucht.

Barrel Strength Rye Whiskey von Michters. Wenn ihre Tastings so sind, wie ihre Präsentation des Whiskeys am Stand, können wir es kaum erwarten, an einem teilzunehmen!

Über die Qualitäten von Michters muss eigentlich kaum noch etwas gesagt werden. Besonders spannend finde ich ihr Barrel Toasted Finish. Bei diesem wird der Whiskey noch einmal in thermisch behandelten, aber nicht ausgebrannten Fässern nachgereift. Das ist deswegen schön, weil einerseits der Grundcharakter des Bourbons erhalten bleibt, der bei Nachreifungen schnell übertüncht werden kann, andererseits weil trotzdem eine Menge neuer Aromen hinzukommen und dem Whiskey eine zusätzliche Tiefendimension verleihen. Doch auch der fassstarke Rye hinterließ einen guten Eindruck. Michters sind sicher nicht die Günstigen, aber hier ist ersichtlich, wofür man zahlt.

Bei Beam-Suntory konnte dann wieder ein Klassiker zum Zuge kommen, der Bookers. Dieser gehört seit Ewigkeiten zu meinen Lieblingen und ein erneuter Schluck zeigte mir, dass sich das nicht geändert hat.

Lecker Bourbon und Rye.

Bei Borco verkosteten wir einen Pikesville Rye, der es in sich hatte, allerdings war es noch interessanter, dort Thomas Domenig kennengelernt zu haben. (Danke an die Jungs und Mädels von Borco und Michters für die Vermittlung!) Er ist ein herausragender Kenner amerikanischen Whiskeys und hat vor kurzem ein Buch verfasst, das wohl die Bibel für Whiskey-Liebhaber werden dürfte: Bourbon. Ein Bekenntnis zum amerikanischen Whiskey. Im Selbstverlag erschienen, beeindruckt es nicht nur die vorzügliche Kenntnis des Autors, sondern auch durch seine schöne Illustration. Das Buch macht einiges her und dürfte seinen Preis mehr als wert sein. Steht auf meiner Wunschliste!

Thomas Domenig mit Bourbon-Buch.

Die Klassiker, Teil 1: Japan und Schottland

Auch wir gehen nicht auf eine Whiskymesse, ohne wenigstens gelegentlich mal bei den Etablierten vorbeizuschauen. Witzig war der Stand von JWhisky, der sich auf japanischen Whisky spezialisiert hat, nicht zuletzt auf Sammlereditionen. Die Optik der dort angebotenen Flaschen schwankt zwischen purem Kitsch und zeitloser Eleganz, der Whisky selbst steht in aller Regel aber über jedem Zweifel. Der Managing Director Jürgen nahm sich viel Zeit und führte uns mit großer Begeisterung durch unzählige seiner Schätze. Diese Art Engagement finden wir bei DoktorWhisky.de überaus angenehm.

Jürgen von Japan Whisky und seine ausgefallene Flaschenkollektion. Man sah und staunte.

Ein persönliches Highlight für mich war die Entdeckung der Glenglassaugh-Brennerei. Ich wusste, dass sie im Portfolio von Brown-Forman steht, hatte sie jedoch nie probiert. Sie ist wohl weniger bekannt und wurde erst vor relativ kurzer Zeit neu eröffnet. Die Abfüllungen tragen demnach oft (noch) kein Alter, sind aber auf andere Weise gefällig: der Evolution z.B. kommt mit starken 50% ABV, gereift in First Fill Jack Daniel’s-Fässern. Die Intensität und Süße erinnern tatsächlich an die amerikanischen Geschwister … Da außerdem andere Qualitätsmerkmale vorhanden sind, d.h. der Verzicht auf Färbung und Kühlfiltrierung, verdient der Newcomer einige Aufmerksamkeit.

Die Range von Glenglassaugh.

Auch unabhängige Abfüller schottischen Whiskys waren zahlreich vertreten, darunter auch Jack Wieber’s Whisky World. Es ist immer ein Vergnügen, so viele tolle ungewöhnliche Abfüllungen zu probieren, v.a. wenn sie so liebenswert unprätentiös präsentiert werden.

JWWW. Entspannt wie immer.

Die Klassiker, Teil 2: Irland

Eine der letzten Stationen führte uns zu Thilo Fuchs, einem sympathischen Händler aus Delitzsch bei Leipzig. Eine wunderbare Auswahl irischen Whiskeys ließ uns nicht zögern, ihm einen Besuch abzustatten. Zum ersten Mal hatte ich dann J.J. Corry Whiskey im Glas und konnte mich auch an einem Kilbeggan Small Batch Rye erfreuen. Anders als der Name vielleicht suggeriert, ist es kein Rye Whiskey, sondern ein klassischer Blend, der einen höheren Anteil Roggen in der Maische hat (30%). Allerdings verleiht die Würze des Ryes dem Whiskey ein Geschmacksprofil, der für einen mild-runden Iren eher untypisch ist. Natürlich spielt Kilbeggan hier ein wenig mit dem lang andauernden Trend hin zum Rye, aber warum nicht?

Thilo, der Fuchs.

Thilo hat aber noch einiges anderes im Programm, nicht zuletzt Gin, der v.a. Karen interessierte. Der Besuch bei ihm lohnt sich eigentlich immer, allein schon wegen der herzlichen Art Thilos.

Ein langer Abschied und ein Rückblick

Wir haben in Köpenick auch Aaron von Drams United wiedergesehen und uns zum lustigen Ausklang in der Schlossplatzbrauerei verabredet. Vorher allerdings wollten wir uns noch bei Glina verabschieden, wo wieder beste Laune herrschte.

Glinas Master Distiller Michael (außen li.) mit Freunden.

Zwei Tage durchgehender Whiskygenuss hinterließen am Sonntag bei mir ihre Spuren und doch kam ich aus dem Lächeln kaum heraus. Karen und ich haben so viele interessante Leute kennengelernt, so viele nette Leute wiedergetroffen und einen solch reichhaltigen Erfahrungsschatz gewonnen, dass wir das nächste Jahr kaum erwarten können.

Rahmenprogramm und das Publikum lassen gleichermaßen wenig zu wünschen übrig; für gutes Essen ist gesorgt, Musik spielt, die Besucher sind fast immer extrem freundlich und gut gelaunt. Selbst bei unseren längeren Gesprächen mit den Ausstellern blieben die Menschen hinter uns in der Schlange verständnisvoll und verwiesen darauf, dass es bei Whisky um Genuss und Entschleunigung geht.

Da Berlin eh ein touristischer Hotspot ist, kann ich jedem Whiskyliebhaber nur empfehlen, sich 2020 zu einem langen Septemberwochenende in die Hauptstadt aufzumachen. Besucht beide Messen. Es lohnt sich.

1 Comment

  • Stonewood Whisky 3. Oktober 2019 at 17:26 Reply

    […] Abfüllung mit 43% ABV. Unser Sample ist jedoch näher an sieben Jahren Reifung, wie uns auf dem Köpenicker Whiskyfest erzählt wurde und die Umstellung auf eine offiziell 7-jährige Abfüllung erfolgt […]

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