Hyke Tyson

82 Chapters to Newcastle

Einmaliger Whisky?

82 Chapters to Newcastle, beheimatet in Würzburg, will sich vom Mainstream der unabhängigen Abfüller absetzen und das nicht nur durch joviales Marketing. Ganze Fässer werden angekauft, in Deutschland an „besonderen“ Orten gelagert und erhalten ein weiteres Finish für ein Maximum an Komplexität und Intensität. Das an sich ist bereits überaus achtbar, doch sind die Orte wahrlich ausgefallen. So reifte ihr Gran Grubenhunt, ein Glen Moray, allen Ernstes in einem Bergwerk.

Zudem sind ihre Flaschen ausgestattet mit NFC-Technologie, um dem Käufer eine Baumspendeurkunde auszustellen. 82 Chapters nämlich spendet für jede verkaufte Flasche einen Baum. Diese Art ökologisches Bewusstsein ist lobenswert und findet hierzulande mit Sicherheit einigen Anklang.

Ohne Zweifel bietet 82 Chapters ein bis ins kleinste Detail durchdachtes Konzept, das von Leidenschaft und Liebe zum Whisky zeugt. Wir sind sehr dankbar dafür, dass sie uns ein Sample ihrer neuesten Kreation zur Verfügung gestellt haben, den Hyke Tyson. Der heißt so, weil er von seinen Machern gerne auf Whiskywanderungen ausgeschenkt wird. Die namentliche Annäherung an den bekannten Boxer allerdings ist ebenfalls recht passend, wie sich noch zeigen soll …

Von Rumfässern und Ratsherren

Der Hyke Tyson stammt von der Glencadam-Brennerei, reifte über sieben Jahre in Bourbonfässern und erhielt danach eine achtmonatige Nachreifung in Rumfässern. Das ist nicht mehr so außergewöhnlich, wie es noch vor ein paar Jahren gewesen wäre, und tatsächlich lässt sich sogar ein Trend hin zum Rum-Finish erkennen. Dennoch ist es noch vergleichsweise selten und immer wieder spannend.

Mir wurde einmal erzählt, dass Rumfässer recht lange brauchen, ehe ihre Wirkung auf den Whisky deutlich wird. Dann jedoch kommen sie umso deutlicher zum Vorschein. Nach meinem persönlichen Eindruck verstärken Rumfässer bestehende Aromen, die sich bereits in der Bourbonfassreifung ausgeprägt haben, v.a. die süßlichen. Manchmal allerdings verpufft der Effekt.

Um dem Hyke Tyson das gewisse Etwas zu geben, lag er im Gewölbekeller der Würzburger Residenz. Diese Gewölbe gehören seit 1981 zum Weltkulturerbe und werden gern zur Reifung von Rotwein in Barriques verwendet, nicht zuletzt weil es dort für Weißwein zu warm ist. Das allerdings kommt dem Whisky nur zugute, so auch die besonders trockene Luft. Ich bin sehr gespannt, welchen Einfluss diese Lagerung auf den Whisky hat.

Nase

Die Geschwindigkeit und Kraft, mit der die Nase von der Vanille und den Früchten getroffen wird, ist atemberaubend und erinnert tatsächlich an die besten Zeiten Mike Tysons. Allerdings steckt – wie beim Boxer auch – großes Geschick dahinter. Zunächst dominiert die Vanille, geht dann etwas in teigige Süße über, bevor die Früchte einsetzen. Da vor allem Apfel zur Geltung kommt, liegt die Assoziation zum Apple Crumble nah. Doch dann kommen tropische Früchte hinzu. Ein Tropical Fruit Crumble?

Im Hintergrund allerdings lauern weitere Aromen, wie frische Zitrusnoten und herbe Holzwürze, die einen wirksamen Kontrapunkt zu Süße setzen. Dies erhöht die Komplexität der Nase, macht sie interessanter, bedenkt man die große Intensität, mit der einen Vanille und Früchte treffen. Vielleicht ist die Nase sogar ein bisschen zu intensiv …

Geschmack

Der Antritt ist überraschend sanft, bedenkt man die starke Nase, ja fast zurückhaltend. Für das Geschmackserlebnis ist das jedoch nur förderlich, denn nun treten neben der nach wie vor präsenten Süße auch andere Eindrücke deutlicher zu Tage. Die Früchte werden etwas dunkler, reifer und ein Hauch Bitterschokolade gesellt sich zu ihnen. Nahtlos übernimmt dann die Würze, die sicher vom Holz herrührt, aber einiges zu bieten hat. Nelke, Rosmarin und ein Anflug von Anis dominieren gegen Ende den Mundraum.

Abgang

Dieselbe Würze erhält sich auch der Abgang, der nahezu unendlich lang scheint. Das ist sehr beeindruckend, zumal sich der Whisky ganz am Ende mit etwas Vanille verabschiedet und so an die Nase erinnert.

Fazit

Der Hyke Tyson ist ohne Frage eigenwillig, entwickelt sich aber mit bemerkenswerter Konsequenz. In der Nase noch das, was von einem Highlandwhisky mit Rumfinish zu erwarten ist, schlägt er auf der Zunge graduell und nachvollziehbar vom Süßen zum Würzigen um. Die Würze dominiert gegen Ende, doch verschwinden die anderen Aromen nicht, sondern sie harmonisieren gut mit der Würze. Der ewig lange Abgang fügt sich in dieses Bild eines komplexen, nicht immer leichten, sondern immer fordernden Whiskys ein.

Wer sich auf diese Erfahrung einlässt, etwas Zeit und Offenheit mitbringt, den belohnt diese Abfüllung auf ganzer Linie. Es bedarf angesichts dessen kaum noch der Erwähnung, dass der Whisky handwerklich nahezu perfekt ist, allenfalls ein My zu intensiv in der Nase.

Vielleicht ist der Whisky nichts für Neueinsteiger, die gerade anfangen, die Welt des Whiskys zu erkunden. Allen anderen jedoch sei er empfohlen.

Wir danken Hadrian von den 82 Chapters to Newcastle für die freundliche Zusendung eines Samples.

Kurzfassung

Scotch Single Malt Whisky, Highlands (Glencadam)

48%, 8 Jahre, ex-Bourbon (7 Jahre, 11 Monate), ex-Rum-Nachreifung (8 Monate)

Nase: intensiv, süß-fruchtig (Vanille, Teig, Apfel, tropische Früchte), leichte Zitrusfrische, leichte Holzwürze

Geschmack: sanfter Antritt, reifere Früchte, Bitterschokolade, dann stark würzig (Holz, Nelke, Rosmarin, Anis)

Abgang: extrem lang, sehr würzig, Vanille am Ende

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