Glina Rye 12 Jahre Beerenweinfass

Ein Anwärter auf die Krone des Roggenwhiskys?

Glina und der Rye

Die Rye Whiskys der Brennerei Glina von Michael Schultz gehören seit Jahren zu den konsistent besten des Landes. Ein zentraler Vorteil Glinas ist die Kontrolle über alle Produktionsschritte bei der Herstellung des Whiskys von der Saat des Roggensamens bis zur Abfüllung in die Flaschen. Glinas Wurzeln in der Landwirtschaft zahlen sich hier aus. Neben dem vertieften Verständnis der Rohstoffe kann Schultz zudem auf eine nunmehr jahrzehntelange Erfahrung im Whiskybrennen zurücksehen. Es ist kein Zufall, dass 12-jähriger Whisky bei ihm gleich mehrfach vertreten ist.

Der hier vorliegende Whisky ist eine Ergänzung der Rye-Linie, die mit dem 12-jährigen aus dem Portweinfass vielleicht den beeindruckendsten Rye Whisky Deutschlands aufbietet. Was die Roggenwhiskys im Vergleich zu ihren Single Malt-Brüdern derselben Brennerei auszeichnet, ist das Fassmanagement. Wo die Single Malts gerade in den höheren Preisregionen in zwei, ja drei verschiedenen Fässern gereift wurden, sind auch die Top-Ryes klassische Ein-Fass-Reifungen. Und wo die Single Malts gern in Fassstärke daherkommen, ist das im Fall des Ryes bislang den Sonderabfüllungen auf Messe vorbehalten. Der Rye ist eben doch noch zu sehr ein Nischenprodukt. Glücklicherweise hat Schultz besonders beim 8er aus dem Sherryfass und beim genannten 12er aus dem Portweinfass ein gutes Händchen bewiesen.

Vielleicht noch interessanter ist der Aspekt, dass die Ryes von Glina eine Subtilität und Balance aufweisen, die gerade die Triple Cask-Serie der Malts nicht haben. Die punkten mit Kraft und Intensität. Die Ryes beweisen Reife. Sie sind aber auch meist in eher konventionellen Fässern gereift: Port oder Sherry. Nun schlägt der Glina Rye extravagante Töne an.

Glina Rye Whisky vor dem Brandenburger Tor
Brandenburger vor dem Brandenburger Tor

Roggen, süßer Beerenwein und die magische Zwölf

Ein Beerenweinfass zu benutzen, gehört sicher zu den Eigenarten deutscher Brenner und ganz besonders Glina, die den Wein schließlich auch produzieren. Im Fall des Rye Whiskys könnte das eine glückliche Fügung sein. Roggendestillat zeichnet sich durch große Würze und frische Kräuter aus; Glinas schlägt dabei stark Richtung Kräuter aus. Dies mit dem Aroma süßer Beeren zu kombinieren, sollte vorzüglich funktionieren, wenn die Balance stimmt. Bei zwölf Jahren im Holz sind zudem sowohl die süßlichen Elemente von Vanellin als auch die bitteren der Tannine zu erwarten.

Zwölf Jahre gelten beim Single Malt als ein gerade reifes Alter, bei dem Fass und Destillat miteinander gut harmonieren. Trotz der Bewegung hin zu NAS bleibt ein 12-jähriger Whisky meist das Aushängeschild vieler schottischer Destillerien. In Deutschland wird das allein ob der Preisgestaltung auf absehbare Zeit nicht möglich sein, aber für Rye ist das eventuell gar nicht nötig.

Rye Whisky entwickelt schon in jungen Jahren ein erstaunlich komplexes Profil heraus und zu starke Fässer können schon früh das Destillat ertränken. So empfand ich Glinas 5-jährigen Rye aus dem Sherryfass als ausgewogener als den 8er. Natürlich spricht nichts gegen alte Ryes, wenn sich Eichenwürze und Roggenwürze treffen. 

Etwas Skepsis rufen die 43% ABV hervor. Glinas kräftiger Grundgeschmack kommt auch mit niedrigen Alkoholstärken zur Geltung und es gibt den USA seit jeher das Argument, dass die Bandbreite der Roggenwürze erst bei vergleichsweise niedrigem ABV in Gänze zu erfassen ist. Doch gerade Glinas Single Malt-Flaggschiffe in Fassstärke sind deren Markenzeichen und der 12er Rye aus dem Port kam noch mit 46,1% …

Nase

wie bei Glina oft am Anfang noch etwas überfrachtet und mit leichtem Schwefelstich, das gibt sich aber mit ein paar Minuten Zeit zum Atmen. Was dann in die Nase steigt, ist schlicht zauberhaft. Himbeeren und Brombeeren in einem Bett dunkler Schokolade harmonieren mit Basilikum, Melisse und mildem Rucola. Dann schieben Zimtrinde und Kurkuma die erwartete, aber gezügelte Würze nach. Je länger er im Glas steht, desto mehr kommen süße Aromen hervor wie Toffee und Milchkaffee.

Geschmack

auf der Zunge gibt sich der Rye deutlicher zu erkennen, sogar leicht pfeffrig wird die Würze. Dennoch liegt der Whisky cremig und sanft im Mundraum, die Schokolade geht nun Richtung Nutella. Die Frische der Kräuter ist ebenfalls vorhanden, spielt aber die zweite Geige. Von den Beeren bleibt in erster Linie der säuerlich-spritzige Einschlag der Brombeere (bzw. vermutlich Johannisbeere, da diese bei Glina zu Wein verarbeitet wird). Das passt gut zum süß-würzigen Spiel des Roggens mit dem Holz.

Allerdings bedarf es großer Schlucke, um dies alles zu erfassen. Denn leider ist das Mundgefühl recht dünn und die Geschmäcker kommen subtil, aber nicht kraftvoll genug an den Gaumen.

Abgang

tatsächlich gestaltet sich der Abschied des Whiskys gehaltvoller als das Mundgefühl suggerierte. Würze vom Roggen und von der Eiche hallen schön und deutlich nach, sind aber schnell verschwunden.

Glina Rye Whisky an der Moltke-Brücke
Wieder ein toller Rye, auch wenn ein paar Prozente mehr nett gewesen wären…

Fazit: an der Schwelle der Brillanz

Abgesehen davon, dass der Whisky seine Zeit zum Atmen geradezu verlangt, bringt der Rye aus dem Beerenweinfass eine bestechend klare und ausgewogene Aromatik ins Glas. Das vom Rye bekannte Spiel mit Würze und Süße wird sinnvoll durch den fruchtigen Einfluss der Beeren ergänzt, wobei das Alter für eine spürbare Reife sorgt. Damit ist es einer der komplexeren Ryes und kann sich in dieser Hinsicht ohne weiteres mit gleichaltrigen Single Malts messen. Überhaupt punktet der Whisky mit Reife, Balance und Eigenständigkeit.

Die Zutaten eines brillanten Whiskys sind also vorhanden. Dass es sich um einen ausgezeichneten Whisky handelt ist klar. Und doch: ob der geringen Alkoholstärke fehlt bisweilen die Intensität, allen Aspekten den nötigen Nachdruck zu verleihen. Nun ist dies Jammern auf hohem Niveau, zumal die meisten Whiskyfans ohnehin seltener zur Fassstärke greifen als die Hardcore-Fans (die Fassstärke-Versauten). Es ist nur schade, weil sich der Whisky an der Schwelle befindet. Vielleicht hätten schon drei bis sieben mehr Prozent gereicht…

Trotz solcher Monita führt für Fans von Rye eigentlich kein Weg an ihm vorbei. Rund hundert Euro sind kein Schnäppchen, doch verglichen mit der (deutschen) Konkurrenz gut bepreist. Und fair. Auch Fans des deutschen Whiskys, die sich ein wenig abseits des Single Malts umsehen wollen, finden hier einen hervorragenden Einstiegspunkt. Es ist eben nicht der stürmische junge Rye, sondern einer reifer Vertreter seiner Art, der subtil mit seinen Eigenschaften zu spielen weiß.

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