Ruotkers 100% Corn

Zwölfjähriger Corn aus dem Sherryfass

David, Rüdiger und der Whiskey

Nahe der malerischen Riegersburg in der Steiermark brennt David Gölles seit 2016 Whiskey. Wie schon die Schreibweise mit dem „e“ verrät, ist Schottland nicht das alleinige Vorbild. Das macht auch Sinn, denn in der Region wird typischerweise weniger Gerste, sondern besonders Mais angebaut. Allerdings gibt es gegenüber keinem Getreide Berührungsängste, im Gegenteil findet sich eine so breite Nutzung, wie sie früher für Irland kennzeichnend war – vielleicht ein weiteres Argument für das „e“.

Jedenfalls ist der Whisky nach einem Rüdiger benannt, dessen Burg im 12. Jahrhundert Erwähnung fand und sich zur Riegersburg entwickelte. Die Quellenlage ist durch eine Reihe undatierter und teils schlicht gefälschter Urkunden weniger eindeutig, als es die oft bemühte Jahreszahl 1138 suggeriert. Tatsächlich aber ist zwischen 1120 und 1140 viermal ein Rüdiger in der Region bezeugt und die Riegersburg dürfte bereits zu Zeiten des Markgrafen Leopold († 1128) bekannt gewesen sein. Als Ortsname war Riegersburg spätestens 1170 in Gebrauch.

Auf jeden Fall stand diese Burg lange bevor die Destillation von Trinkalkohol gelang und Mais konnte Rüdiger überhaupt noch nicht kennen. Trotzdem eignet er sich als Namenspatron, zeigt er doch lokale Verbundenheit und historisches Bewusstsein. Wenn er der Burg und dem Ort seinen Namen bis heute gibt, taugt er auch für den Whisky von dort. Die mittelalterliche Wiedergabe seines Namens als Routker sorgt für den letzten Schliff und ein Hauch Exotik.

Routker’s ist uns schon bekannt, denn sie haben einen ganz vorzüglichen Roggenwhisky in ihrem Programm. Nun also probieren wir einen Whisky, der sich geschmacklich ganz anders entfalten sollte, den 100% Corn.

Ruotkers 100% Corn Whiskey vor dem Berliner Dom
Mit dem gelben Label folgt D/G dem amerikanischen Standard für die Kennzeichnung von Maiswhisky.

Mais und Sherry

Die berühmteste Mais-Whiskysorte ist fraglos der Bourbon. Dessen Maische besteht mehrheitlich aus Mais und wird in der Regel durch anderes Getreide ergänzt. Bourbons, die ganz auf Mais setzen, sind selten. Das liegt daran, dass das Geschmacksprofil dann als zu eindimensional wahrgenommen wird – ein nachvollziehbarer Gedankengang angesichts der gesetzlichen Beschränkung auf unbelegte, ausgekohlte Eichenfässer. Die Mash Bill mit ihrem Getreidemix ist eine der primären Stellschrauben für die aromatische Entwicklung des Bourbons.

In Österreich sieht das anders aus. Ohne derart restriktive Vorschriften kann David Gölles auf Fasstypen zurückgreifen, die in den USA allenfalls als Finish zum Einsatz kommen. Hier hat er sich für ein Oloroso Sherryfass entschieden. Im Grunde vereint dies süß und süß. Der hohe Zuckeranteil im Mais sorgt bereits für viel Vanille und Karamell. Beim Bourbon werden sie durch die Interaktion mit der frischen Eiche noch verstärkt. Der Einfluss des Oloroso äußert sich in schwerer Fruchtsüße, Öligkeit und nussigen Aromen. Bei zwölf Jahren Reifezeit ist außerdem zu erwarten, dass Eichenwürze und vielleicht sogar ein paar Tannine hinzukommen.

Der mit 40,1% sehr niedrige Alkoholgehalt irritiert etwas, scheint aber Philosophie zu sein. Die meisten der 100%-Serie von Gölles sind eher schwach abgefüllt; der Rye als Ausnahme. Am Ende entscheidet so oder so der Geschmack.

Nase

Die ersten Eindrücke sind wie erwartet, nämlich massives, buttriges Popcorn und dazu milchige Nussschokolade. Ebenfalls deutlich hervor tritt angebrannter Teig, fast wie bei einem angekohlten Blech Kekse. Tief darunter liegen erstaunlich frische rote Früchte, so Apfel, Johannesbeere und Himbeere.

Geschmack

Im Mund gibt sich der Ruotkers ganz ähnlich, wenn auch weniger süß. Die Nuss wirkt stärker und fetter, die Schokolade etwas weniger milchig und die Kekse sind vollends verkohlt. Die Früchte wiederum sind reifer geworden, süßer, liegen dennoch nach wie vor im Hintergrund. Zuletzt prickelt ein zarter Anflug von Nelke auf der Zunge.

Abgang

Der Whisky hallt recht lange nach, vor allem die würzige Eiche bleibt.

Ruotkers 100% Corn Whiskey auf der Museumsinsel
Eine lohnende Erfahrung.

Fazit: Unerwartet

Die klassischen Corn Whiskys und viele Corn-heavy Bourbons gelten als leicht, beinahe floral. Bei nur 40,1% ABV stand dies auch für den Ruotkers zu vermuten, dem ist aber nicht so. Er ist nicht wässrig, kann den Mundraum füllen, wozu die cremige Textur beiträgt, und trägt schwere Aromen mit sich. Trotzdem hätten ihm mehr Prozente gut gestanden, um dem gelungenen Geschmack mehr Durchschlagskraft zu verleihen. In Fassstärke wäre dies ein unheimlich intensiver Whisky geworden. …vielleicht zu intensiv für manche, weswegen darauf verzichtet wurde.

Allein, ein Whisky wie der Ruotkers kann nur auf eine relativ kleine Gruppe von Enthusiasten ausgerichtet sein. Corn Whisky aus Österreich ist die Nische der Nische der Nische. Wir schätzen uns darum umso glücklicher, dass es solche Whiskys gibt, die Geschmäcker weitab des Mainstreams bedienen.

Sogar Fans von maislastigen Whiskys dürfte der Ruotkers überraschen. Mit zurückhaltender Süße vereint er altbekannte Elemente, wie die Nussigkeit vom Oloroso und das Popcorn vom Mais, mit unerwarteten Elementen, vor allem dem Kohlerauch. Ein Maiswhisky, der zwölf Jahre im Sherryfass lag, sollte schließlich mit Neuem und Überraschungen aufwarten. Immerhin sind diese Eckdaten nicht nur ungewöhnlich, sondern vermutlich einzigartig. Und das spiegelt sich im Geschmack auf jeden Fall wieder. Experimentierfreudige Whiskyfans sollten dem Ruotkers 100% Corn darum probieren.

Einen zweiten dieser Art wird es so schnell wohl nicht geben.

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