Brennereien im Osteraufstand

Titelbild Osteraufstand

Der Osteraufstand 1916 und seine Folgen für den irischen Whiskey

Der Niedergang des irischen Whiskeys und der irische Unabhängigkeitskampf

Das Ende des 19. Jahrhunderts sah die Blüte des irischen Whiskeys. Insbesondere der aus Dublin genoss einen herausragenden Ruf. Die jüngste der sechs Dubliner Brennereien, die Phoenix Distillery, entstand 1879 und gehörte der schottischen Distillers‘ Company, die fest eine goldene Zukunft glaubte.

Dann kam der Pattison-Crash. Den Brüdern Robert und Walther Pattison gehörten zwei schottische und eine irische Whiskymarke, und sie zählten unter den bekanntesten wie erfolgreichsten Whisky-Baronen. Nur war dies alles Schall und Rauch. Gefälschte Bilanzen, Überbewertungen von Immobilien, Veruntreuung und andere Tricksereien flogen 1898 auf. Die Banken sahen von nun an genauer auf die Finanzen der Whiskyproduzenten und es sah nirgendwo gut aus. Mit den Pattisons war der erste Dominostein gefallen. Das Grundproblem lag im Produktionsüberschuss; es gab viel mehr Whisky als verkauft werden konnte. Die Tatsache, dass das Deutsche Reich den Blendern eine Art Grain Whisky spottbillig anbieten konnte, half ebenso wenig. Die Preise fielen ins Bodenlose. Das sah in Dublin nicht anders aus. Die Phoenix Distillery z.B. stieg auf die Produktion von Industriealkohol um.

Der Erste Weltkrieg brachte eine entscheidende Weichenstellung für die Geschichte des iro-schottischen Whiskys mit sich, da ab 1916 erstmalig eine Mindestreifedauer von drei Jahren vorgeschrieben wurde. Die Hintergründe dieser Entscheidung werden wir an anderer Stelle genauer erörtern, hier ist das Jahr 1916 aus einem anderen Grund relevant. Es markiert den Beginn irischen Unabhängigkeitskampfes im 20. Jahrhundert. Nach dem Osteraufstand 1916 kam der Unabhängigkeitskrieg 1919 bis 1921 und dann der Bürgerkrieg 1922 bis 1923. Sie zerrütteten die soziale, politische und wirtschaftliche Basis des irischen Whiskeys, läuteten seinen Untergang ein.

Die gehisste irische Flagge
Als der Osteraufstand begann, hissten die Rebellen die erste Fahne der Republik, NMI Collection

Obwohl der Osteraufstand keine drei Tage andauerte und weitestgehend auf Dublin beschränkt blieb, waren seine Folgen direkt spürbar. Denn viele Brennereien der Stadt wurden Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen den Rebellen und der Krone. Es stellt sich die Frage, ob und wie dies zum Niedergang der irischen Whiskeys beitrug. Dazu lohnt ein genauerer Blick auf die Brennereien, wie sie zwischen die Fronten gerieten und darunter litten.

Brennereien im Orts- und Häuserkampf

Am Mittag des 24. April 1916 nahmen irische Rebellen Schlüsselpositionen in Dublin ein und riefen die Republik aus. Der Osteraufstand nahm seinen Lauf. Die Irish Volunteers boten etwa tausend Mann in vier Bataillonen auf, dazu gut zweihundert Mann von der Irish Citizen Army. Sie alle waren nur notdürftig ausgerüstet, nicht zuletzt weil die Royal Navy eine deutsche Waffenlieferung zu ihrer Unterstützung abfing. Sie waren damit bereits der Stadtgarnison und -Polizei hoffnungslos unterlegen, auch ohne die zur Hilfe anrückenden Divisionen.

Die Rebellen errichteten darum nur einen kleinen Defensivkordon entlang des Flusses Liffey und beabsichtigten, ihn an wenigen Gebäudekomplexen so lange wie möglich zu halten. Sie besetzten dabei vier Brennereien:

  • John Jameson, Bow Street – Nördlich des Liffay lag die John Jameson Distillery exakt einen Block zwischen dem Four Courts und den Royal Barracks. In dem Gerichtsgebäude Four Courts hatte Commandant Edward Daly mit dem 1. Bataillon seinen Gefechtsstand eingerichtet. In den Barracks wiederum lagen britische Truppen und von weiter Nordosten rückte ihre Verstärkungen ein. Daly verteidigte seinen Perimeter erbittert, erst das Eintreffen zweier Kompanien des South Staffordshire Regiments von Westen trieb die Rebellen zurück. Sie verschanzten sich wenigstens zeitweise die Brennerei, kämpften Haus um Haus. Bei ihrem Rückzug versuchten sie noch eine Brücke über die Bow Street zu sprengen.
  • Ringsend Distillery, Great Brunswick Street – Obwohl zuerst nicht direkt besetzt, hatte Commandant Éamon De Valera mit dem 3. Bataillon in der benachbarten Boland Bakery seine Stellung bezogen. Vor dem Osteraufstand hatte ein Teil der politischen Führung ernsthaft geglaubt, die kapitalistische britische Regierung werde ihr Eigentum nicht mit Artillerie zerstören wollen. Als das Kanonenboot Helga diese These mit seinen Geschützen praktisch widerlegte, ließ De Valera auf dem höchsten Punkt der Brennerei die Flagge der Republik hissen. Das Kanonenboot konzentrierte sein Feuer augenblicklich auf die Brennerei. Glücklicherweise war sie schon außer Betrieb und fast menschenleer.
Markierte Karte nach dem Osteraufstand aus dem Militärarchiv
Auszug aus einer nach dem Osteraufstand markierten Karte, zu sehen die Stellung des 3. Bataillons und die in der Brennerei gehisste Flagge; Irisches Militärarchiv (IE/MA/MPD/ad134248-BMH-Maps-003)
  • William Jameson, Marrowbone Lane – Im Südosten sollte Commandant Éamonn Ceannt mit dem 4. Bataillon die South Dublin Union absichern. Als einen festen Platz wählte er die Marrowbone Lane Distillery und schickte Captain Séamus Murphy mit einer Kompanie von 21 Mann dorthin. Die später verstärkte Stellung wehrte mehrere britische Versuche ab, die Rebellen an der Ostflanke zu umgehen. Erst einen Tag nach der allgemeinen Kapitulation der Rebellen und durch Ceannts persönliches Wirken vor Ort legten Murphy und seine Männer am 30. April die Waffen nieder und öffneten die Brennerei.
  • Roe’s Distillery, Thomas Street/Mount Brown – Ebenfalls durch das 4. Bataillon gesichert, rückte Captain Thomas McCarthy mit seiner Kompanie in die Brennereigebäude am Mount Brown ein. Ceannt beorderte ihn aber alsbald zur Marrowbone Lane Distillery. Roe überstand daher die Kämpfe weitgehend unbeschadet. Lediglich für den Montag sind Gewehr- und Maschinengewehrfeuer an der Rückseite der Brennerei überliefert, die vermutlich die Mauern nicht durchschlugen.

Da heutzutage kaum ein anderer Name so sehr für irischen Whiskey steht wie Jameson, ist es schon bitter, dass ausgerechnet bei den beiden Jameson-Brennereien die heftigsten Gefechte tobten. Die militärische Logik für die Besetzung der Brennereien ist in allen vier Fällen jedoch gleich. Es handelte sich um vergleichsweise stabile und hohe Gebäude, die bestens an die lokale Infrastruktur angebunden waren.

In allen vier Fällen nahmen die Rebellen Positionen an den höchsten Punkten ein, oft um den Feind aus der Überhöhung heraus mit präzisem Gewehrfeuer zu bekämpfen. Wir können uns dankbar schätzen, dass der Orts- und Häuserkampf noch in seinen Kinderschuhen stecke. Im Zweiten Weltkrieg wären diese Stellungen umgehend mit Artilleriebeschuss belegt worden. Davon hatten die Briten wegen des Weltkrieges zwar nicht viel in der Stadt, setzten die ihnen zur Verfügung stehenden Geschütze aber bald freigiebig ein. Zu Kämpfen innerhalb einer Brennerei ist es nur bei Jameson in der Bow Street gekommen.

Im Osteraufstand nicht besetzt und nicht umkämpft, sondern vermutlich nur durch Querschläger bei Gefechten mit dem 3. Bataillon beschädigt wurde die Powers Distillery in der John Lane.

Karte der Brennereien, die während des Osteraufstandes besetzt wurden.

Die Tage danach: Hinrichtungen und Versicherungen

Einer der Gründe, dass der Osteraufstand so rasch zusammenbrach, war der Mangel an Rückhalt in der Bevölkerung. Dieser Umstand minimierte allerdings auch die Verluste, knapp 500 Menschenleben. Der britische Militärgouverneur, General John Maxwell, begann direkt mit Inhaftierungen, Standgerichten und Exekutionen der Führer des Aufstandes. Éamonn Ceannt und Edward Daly etwa wurden Anfang Mai hingerichtet; De Valera entging diesem Schicksal nur knapp, nicht zuletzt dank seiner US-Staatsbürgerschaft. Die britischen Repressalien trugen erheblich dazu bei, die Sympathien der Iren für die Sache der Rebellen zu stärken.

Es ist eine der Merkwürdigkeiten dieses Ersten Weltkrieges, dass Vormoderne und Moderne so hart aufeinander stießen. In den Tagen, da irische Republikaner wegen Hochverrats an einem (deutschstämmigen) König erschossen wurden, arbeiteten die Versicherungen und Regionalverwaltung auf Hochtouren, die Schäden zu erfassen und Schadensersatzzahlungen auszulösen.

Zu diesem Zweck wurde im Juni das Property Losses (Ireland) Committee eingerichtet, kurz PLIC. Dessen umfangreiche Unterlagen geben genauen Aufschluss über die von den Brennereien gemeldeten Schäden. Die von John Jameson enthalten sogar Lagepläne und Skizzen. Auch wenn manche der handschriftlichen Notizen nicht ganz leicht lesbar sind, gewinnen wir dadurch einen Eindruck darüber, wie hart die Brennereien getroffen wurden und inwieweit sie dafür von der Regierung oder Versicherung kompensiert wurden. Im Abgleich mit den zahlreichen Augenzeugenberichten ergibt sich daraus ein detailliertes Gesamtbild.

Die Schäden I. Jameson, Bow Street

Die im Osteraufstand am schwersten beschädigte Brennerei lieferte auch den detailliertesten Bericht. Der gemeldete Sachschaden an den Gebäuden belief sich auf rund 415 Pfund (heute etwa 49.000 Pfund). Nahezu alle waren durch Gewehrschüsse, Sprengladungen oder improvisierte Durchbrüche in Mitleidenschaft gezogen worden.

Auszug aus dem Jameson-Vorgang, PLIC/1/1785
Auszug aus dem Jameson-Vorgang, PLIC/1/1785

In der Mälzerei waren Wände durchbrochen worden, die Türen aufgebrochen, die Fenster eingeschlagen, das Dach war durchlöchert, das Förderband und Behälter zerstört. Darüber hinaus wurde die Telefonanlage unbrauchbar gemacht. Ähnliche, wenn auch weniger schwere Schäden erlitten die anderen Gebäude. Und offenbar blieben die Brennblasen völlig intakt. Trotzdem vermerkte das PLIC, dass Jameson seine Ersatzforderung vermutlich sogar zu niedrig ansetzte.

Diesen, durch unmittelbare Kampfhandlungen verursachten Verlusten folgten solche durch Plünderungen. Wenig überraschend drangen die Dubliner in das Fasslager ein und brachen fünf Fässer auf, deren Inhalt sie stahlen. Sie zogen die fraglichen drei Hogsheads und zwei Quartercasks dabei so in Mitleidenschaft, dass sie nicht mehr zur Verwendung taugten. Jameson reklamierte die Fässer in einem gesonderten Antrag, da für sie bereits der Zoll bezahlt und die resultierende Summe mit 206 Pfund erheblich war.

Aber auch sonst nahmen die Dubliner, was sie kriegen konnten. Mehrere Stapel Papier, jeweils fünf Messer, Gabeln und Löffel, zwei Regenmäntel, ein Fahrrad, eine Kutschdecke usw. Bestimmt hat sich Andrew Jameson darüber geärgert, dass außerdem seine private Sammlung kubanischer Zigarren geraubt wurde – 500 an der Zahl, im Wert von 20 Pfund. Ein erstaunlicher Zufall ist, dass ebenfalls 500 Flaschenetiketten verschwanden. Diese hatten handfesten Wert, denn mit ihnen ließ sich der Jameson Whiskey bestens fälschen.

Private Verlustmeldung Andrew Jameson's, PLIC/1/3525
Private Verlustmeldung Andrew Jameson’s, PLIC/1/3525

Trotz substantieller Schäden deckte die Versicherung Royal Insurance Company Limited einiges ab, das PLIC übernahm den Rest, inklusive der Zigarren. Mit Ausnahme des Förderbandes in der Mälzerei fielen keine für die Produktion kritischen Teile aus und Jameson verlor nur fünf Fässer. Obzwar ein harter Schlag, zumal die Versicherung für 1917 neu verhandelt und sicher nicht günstiger wurde, konnte Jameson den Osteraufstand überstehen.

Die Schäden II. Marrowbone Lane

Ein weiterer fester Punkt der Rebellen war die Marrowbone Lane Distillery, die aber nur von außen beschossen wurde. Die meisten der von den Eigentümern Dublin Distillers gemeldeten Schäden bezogen sich indes hauptsächlich auf die Besetzung durch Captain Murphy und seine Soldaten. Sie machten etwas mehr als 145 Pfund geltend, was heute knapp 15.000 Pfund entspräche.

Die Verlustmeldungen decken sich weitgehend mit dem Hergang der Ereignisse. Zum einen gingen vor allem Messgeräte kaputt: zwei Saccharometer, drei Hydrometer, acht Thermometer verschiedener Art, eine Uhr und Instrumente an den Maschinen. Derart empfindliche Gerätschaften konnten unter Bedingungen einer Besetzung, Befestigung und Belagerung der Gebäude allein durch Unachtsamkeit Schaden nehmen. Zum anderen litt besonders das Mobiliar und hier verhält es sich etwas anders. Vermutlich nutzten die Rebellen die Stühle und Tische, um sich besser zu verschanzen, Eingänge zu verbarrikadieren oder ähnliches. Hier liegt eindeutig mutwilliger Schaden vor, gleichwohl er sich aus militärischer Notwendigkeit heraus erklären lässt.

Captain Cornelius Colbert verstärkte mit seinen Männern Captain Murphy, von dem leider kein Photo erhalten ist, Irisches Militärarchiv

Außerdem wurden viele wertvolle Mahagonimöbel, aber auch andere Dinge, gestohlen bzw. mitgenommen. Dies können nicht die Rebellen gewesen sein. Die Brennerei war zum Zeitpunkt der Kapitulation unter Belagerung, die Garnison ergab sich und marschierte allen Berichten übereinstimmend geschlossen in Gefangenschaft. Über Gefangene mit Mahagonitischen im Gepäck liest man indes nichts. Überhaupt scheint scheinen sich die Rebellen sogar bemüht zu haben, Plünderungen zu vermeiden. So berichtet Thomas Doyle, einer von Murphys Männern:

Es gab sehr wenig Essen hier und mitunter waren sie [die Unteroffiziere] damit beschäftigt, die Soldaten davon abzuhalten, das geröstete Malz zu essen, das vorrätig war.

aus McGarry: Rebels, 258f., übers. KG

Ohnehin dürften die Plünderer eher in der Zivilbevölkerung zu suchen sein. Durch den weitgehenden Rückzug der Polizei von den Straßen und der Konzentration auf die Rebellen brach die öffentliche Ordnung in weiten Teilen Dublins zusammen. Plünderungen folgten. Auch um die Marrowbone Lane Distillery hatte sich eine Menschenmenge versammelt, die nach dem Abzug der Rebellen und der Briten eine leere Brennerei vor sich sah. Es ist zwar nicht nachweisbar, aber auch Dublin Distillers gingen davon aus, dass Zivilisten Dinge wie Lederwaren, Tischdecken oder Etuis an sich nahmen. Ganz sicher war es nicht die Besatzung, die 50 Säcke Schrot gestohlen hatte.

Britische Requirierungen

Das Thema Getreide bedürfte überhaupt der gesonderten Untersuchung. Britische Soldaten hatten an mehreren Bahnhöfen, v.a. aber Kingsbridge, insgesamt 190 Säcke für die Marrowbone Lane Distillery bestimmtes Getreide requiriert. Die Dublin Distillers versuchten zu eruieren, was mit dem Getreide geschah und ob sie den Geldwert ersetzt bekämen. Tatsächlich waren 10 Säcke getrocknetes Brauereigetreide für die Stallbettung von Kavalleriepferden herangezogen worden. 80 Säcke Hafer wurden für den Bau von Barrikaden genutzt und es ist möglich, dass zumindest ein Teil der weiteren 80 Säcke Hafer Pferdefutter wurde.

Der lange Briefwechsel zwischen Eigentümer, Zivilbehörden und Militärverwaltung endete damit, dass für Barrikaden genutzten Säcke noch vorhanden sein müssten und wieder abgebaut werden sollten. Allerdings hatte starker Regen viel Getreide verdorben, außerdem einige Säcke schlicht gerissen und kaputt. Offenbar blieben 25 unbeschadet. Finanziell kompensiert wurde aber lediglich der Verlust von 20 Säcken anderen Getreides. Im Übrigen ist dieser Briefwechsel ein schöner Beleg dafür, dass auch 1916 noch viel Hafer in irischen Brennereien genutzt wurde.

Antwortschreiben der britischen Militärverwaltung zum Verbleib des Getreides, PLIC/1/1360
Paläographie am Limit: Antwortschreiben der britischen Militärverwaltung zum Verbleib des Getreides, PLIC/1/1360

Die Marrowbone Lane Distillery war nicht als einzige von diesen Requirierungen betroffen. Die Phoenix Distillery der Distillers Company verlor sogar noch erheblich mehr Getreide, geldwert knapp 260 Pfund. Dies ist eine enorme Summe, die sich aber nicht aus dem Getreide selbst errechnet. Vielmehr bezieht es sich auf den Wert, den die betroffenen 140 Fässer Gerste gehabt hätten, wären sie gemälzt worden. Sie warteten nämlich in der Mälzerei John Plunkett & Co auf ihre Verarbeitung. Diese konnten die Arbeiter wegen der Besetzung durch britische Truppen nicht mälzen und das Getreide verfiel.  

An dieser Stelle bräuchte es einen Versicherungskaufmann oder Juristen, jedenfalls keinen Historiker. Das PLIC lehnte den Schadenersatz ab, da die Gerste nicht direkt beschädigt wurde und auch sonst kein Versicherungsfall vorliege. Auch weitere Anfragen blieben ergebnislos. Die Argumentation der Distillers Company, der Verlust durch den Osteraufstand verursacht und damit Gegenstand von Reparationen, überzeugte offenbar nicht.

Die Dundalk Distillery, ebenfalls zur Distillers Company gehörig, verlor derweil 17 Körbe Hefe im Wert von knapp 22 Pfund, weil die Militärverwaltung die Wagenladung am Bahnhof Amiens Street aufhielt. Wie zu erwarten lehnte sie jede Verantwortung ab und verwies auf zivile Stellen. Eine Einigung scheint nicht erzielt worden zu sein, könnte sich jedoch nach der Auflösung des PLIC noch anderweitig ergeben haben. Das PLIC nämlich verwies gegen Ende seiner Laufzeit August 1916 auf die regulären Stellen.

Kein Todesstoß, aber ein Nackenschlag

Der Osteraufstand und seine langfristigen Folgen für die irische Whiskeyindustrie sind schwer abzuschätzen. Einerseits waren die unmittelbaren finanziellen Verluste zwar erheblich, aber mehrheitlich durch Versicherungen und PLIC gedeckt. Auch mit dem Produktionsausfall, den die Reparaturen nötig machten, erreichte der Schaden keinen existenzbedrohlichen Umfang. Außerdem sind die Brennereien außerhalb Dublins nicht betroffen gewesen. An den wenigen Orten, in denen auf dem Land gekämpft wurde, befanden sich keine aktiven Brennereien mehr.

Bild aus dem Osteraufstand
Britische Soldaten nutzen Fässer als Deckung, darunter befanden sich auch Whiskyfässer (vermutlich leere oder anderweitig gefüllte…), Hulton Archive

Andererseits stellt der Aufstand trotzdem einen Rückschlag dar, der sich in eine Kette von Krisen und Rückschlägen einreiht. Noch vom Pattinson-Crash erschüttert, brachte der Erste Weltkrieg die nächste Krise mit Rationalisierungen von Getreide und Brennstoffen, steigender Alkoholsteuer und erheblich erschwertem Export, von dem gerade der irische Whiskey lebte. Der langwierige Unabhängigkeitskampf, die britischen Strafzölle auf irische Waren und die verfehlte Wirtschaftspolitik der Regierung De Valera führten in den Untergang. Hinzu kam, dass die Schotten den aufstrebenden Markt der Weimarer Republik und Kontinentaleuropas erkannten und bedienten, bevor irische Brennereien überhaupt die Chance dazu hatten, und schon den Boden für Exporte in die USA bereiteten, noch während die Prohibition dies verbot. In dieser katastrophalen Reihung mutet der Osteraufstand beinahe marginal an. Nur: was unter anderen Umständen leicht verschmerzbar gewesen wäre, hat in diesem Kontext schwerwiegendere Bedeutung.

Bislang sind John und William Jameson‘s die einzigen Whiskybrennereien, in denen es zu einem modernen infanteristischen Gefecht Haus zu Haus kam. Das ist tragisch genug. Glück im Unglück war aber, dass Irland einen Nebenkriegsschauplatz darstellte. Die Rebellen waren schlecht ausgerüstet, die Krone konnte kaum schwere Waffen entbehren. Die Schrecken, die der erste moderne Krieg an der Westfront schon 1916 entfaltete, blieben Dublin und den Brennereien zum größten Teil erspart. Statt Granaten, Flammenwerfern, Infanterie- und Artilleriegeschützen oder den ersten Panzern blieb es vorwiegend bei Karabinern, Bajonetten und Lanzen. Wie schon oft in unseren Artikeln zu Krieg und Whisky festgestellt… es hätte schlimmer kommen können.

Letztlich überlebte der irische Whiskey das 20. Jahrhundert und sah im 21. sogar eine Renaissance. Zwar steht die nächste Krise vor der Tür, doch ist Irland diesmal besser vorbereitet und wenn die Geschichte eines zeigt, dann das der irische Whiskey selbst in der dunkelsten Stunde noch die Strahlkraft für einen Wiederaufbau hat.

Ausgewählte Literatur:

  • Crowley, John / Ó’Drisceoil, Donal / Murphy, Mike (Hgg.): Atlas of the Irish Revolution, Cork 2017.
  • Doerries, Reinhard: Hopeless Mission. Sir Roger Casement in Imperial Germany, in: Journal of Intelligence History 6 (2006), 25-29.
  • Grayson, Richard: Dublin’s Great Wars. The First World War, the Easter Rising and the Irish Revolution, Cambridge 2018.
  • McGarry, Fearghal (Hg.): Rebels. Voices from the Easter Rising, Dublin 2011.
  • Ruán O’Donnell / Mícheál Ó hAodha (Hgg.): Voices from the Easter Rising, Newbridge 2016.
  • Townshend, Charles: Easter 1916. The Irish Rebellion, London 2005.

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