Glina Rye 15 Jahre Portweinfass
Wieder eine höhere Altersstufe bei den Ryes von Glina
Mehr Rye aus Brandenburg
Die Brennerei Glina ist vor allem für ihre Single Malts und ihre Rye Whiskys bekannt. Während erstere mit Mehrfachreifungen in extravaganten Fässern und Fassstärken auffallen, sind die Ryes meist gradliniger und in Trinkstärke. Diesen Trend setzt auch die neueste Abfüllung fort, ein 15-jähriger Rye aus dem Portweinfass. Eine Besonderheit ist, dass Glina als Landwirtschaftsbetrieb wirklich jeden Produktionsschritt in der Hand hält, vom Aussähen des ihnen bestens vertrauten Champagnerroggens bis zum Leeren der Fässer. Dies sorgt natürlich für eine besondere Qualitätskontrolle von Anfang an.
Ein so alter Rye Whisky bezeugt zudem die frühe Festlegung bei Glina auf dieses seinerzeit in Deutschland kaum mehr als Randerscheinung wahrgenommene Getreide. Der Rye-Boom kam erst wesentlich später, sodass die Brandenburger hier eben keiner Mode folgen. Vielmehr ist es mutig, dem Roggen so früh zu vertrauen, dass ein Rye der Alterpräsident bei Glina wurde. Nun sind so alte Whiskys aus Deutschland inzwischen durchaus bei mehreren Destillen zu finden, allerdings sind das samt und sonders Single Malts.
Selbst jenseits des Atlantiks bei den Rye-Profis aus den USA reifen roggenbasierte Whiskys selten so lange. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Rye auch in jungen Jahren schon erstklassig schmecken kann und bei zunehmendem Alter der Holzeinfluss zu massiv wird. Denn das frische, ausgebrannte Eichenfass ist gesetzlich vorgeschrieben und dessen Einsatz hat Grenzen, die sich besonders in der längeren Reifung zeigen. In Deutschland gibt es derartige Gesetze nicht. Das ist die Chance deutscher Whiskymacher und Michael Schultz, Brennmeister bei Glina, hat diese Chance als erster ergriffen.
Alter Rye
Der klassische amerikanische Rye aus den jungfräulichen Fässern überholtzt ab einem gewissen Alter. Das hängt freilich vom Fass und den Lagerbedingungen ab, und so mancher alter US Rye ist ganz vorzüglich. Inzwischen gehen auch immer mehr Brenner den Weg, ihren Whiskey als „Rye finished in …“ anzubieten, um die restriktive amerikanische Legislatur zu bespielen und andere Fasstypen zu involvieren. Vollreifungen in diesen anderen Fasstypen allerdings, obzwar möglich, sind noch schwerer zu denominieren und entsprechend noch schwerer zu vermarkten.
Europa und Deutschland haben dieses Problem nicht. Und es hat sich längst herumgesprochen, wie hervorragend Roggendestillat mit Starkweinreifungen à la Port oder Sherry harmoniert: Würze und Kräuter mit süßen Früchten und schweren Noten. Das wurde jedoch zumeist bei jüngeren Whiskys probiert. Glina dürfte ein Pionier der Langzeitreifung sein.
Im klimatisierten Lagerhaus von Glina hatte das Portweinfass, das den Rye trug, den besten Platz. Stabile Temperaturen über Jahre hinweg sorgen für Konstanz. Tatsächlich braucht Whisky unter solchen Bedingungen länger zur Aufnahme der Fasseinflüsse, tut dies dann aber deutlich subtiler und filigraner. Es ist die alte Streitfrage, ob Whisky unter starken Temperaturschwankungen oder bei Temperaturstabilität gereift werden sollte, und wie lange. Glina kann beides. Michael und sein Team haben sich bei diesem Rye bewusst für die längere Lagerungsperiode entschieden. Hier erwartet uns also kein Hammer der Eindrücke. Dieser Whisky zielt auf Subtilität und Filigranität ab.
Mit 46,1% ABV abgefüllt liegt eine Trinkstärke vor. Vielleicht will Glina die Feinsinnigkeit des Ryes betonen, was übrigens eine in den USA anerkannte Vorgehensweise ist. Viele Größen der Branche argumentieren, dass der verdünnte Rye Whisky viel mehr Nuancen zeigen kann und sogar viel mehr Würze. Dass es den ohnehin hohen Preis drückt, versteht sich von selbst, doch dazu später mehr. Wichtiger ist nun das Kosten.
Nase
Der Whisky braucht viel Zeit, um sich zu entwickeln. Dann begegnet einem eine dekonstruierte Traube-Nuss-Schokolade. Dazu kommen Eukalyptus und spritzige tropische Früchte wie Sternfrucht und Drachenfrucht. Nur ganz hintergründig erscheinen Tabak und Leder. Je länger er atmet, desto würziger wird der Whisky, vor allem Pfeffer ist spürbar, zudem intensivieren sich dunkle Schokolade und der Tabak.
Geschmack
Der Antritt ist sanft-würzig, cremig und schokoladig. Ein wunderbar rundes Mundgefühl stellt sich ein. Die tropischen Früchte sind noch präsent, wirken jetzt viel reifer und dunkler. Der Eindruck der Traube-Nuss-Schokolade bleibt, nur kommen ordentlich Chili, Nelke und Süßholz hinzu. Diese Würze verleiht dem Whisky eine zusätzliche Tiefendimension, charakterisiert ihn jedoch nicht wie das bei jüngeren Ryes der Fall ist.
Abgang
Der Nachhall ist sehr würzig-prickelnd und bleibt entsprechend lang. Daneben bringt der Nachhall aber auch leichte, etwas bittere Tannine. Sie passen gut zum würzigen Gesamteindruck, legen aber auch nah, dass der Whisky nicht mehr viel länger hätte liegen können.
Fazit: genialer Rye, doch die Zielgruppenfrage bleibt
Dies ist ein starker Whisky, der auf nahezu allen Ebenen überzeugt. Er ist vollmundig, komplex und extrem gut ausbalanciert. Er bietet neben schönem Fasseinfluss noch die Würze des Roggens, sodass ebenso eigenständiger wie handwerklich gut gemachter Whisky entstanden ist. Nachteilig ist allenfalls die lange Zeit, die er zum Atmen braucht. Dies eine Glina-Whiskys häufig zuteilwerdende Eigenschaft; sie ist hier vielleicht besonders ausgeprägt. Zu Anfang steigen nämlich Chinakohl und Gemüseeintopf in die Nase, die nicht so recht zum sonst so harmonischen Eindruck passen wollen. Nach etwa 30-40 Minuten aber hat sich dies komplett verflüchtigt und der Whisky ist … perfekt.
Diese Perfektion hat ihren Preis, wortwörtlich. Für knapp 150 Euro braucht es schon gestandene Fans von Glina oder von Rye Whisky. Wir sind bei DoktorWhisky.de beides, insofern begeistert uns das Produkt. Es stellt sich dennoch die Frage, wie viele andere diese Begeisterung teilen. Andererseits ist es gut und richtig, dass Glina ein Flaggschiff wie dieses anzubieten vermag. Es beweist die Handwerkskunst, Tradition und Einzigartigkeit der Brennerei, auch wenn nicht viele dies Flaggschiff je genießen werden.
Natürlich wird mit Rye Whisky, allzumal aus Deutschland, auf absehbare Zeit keine Massenkompatibilität erreicht werden können. Allerdings könnte Glina die Range erweitern und so mehr Fans gewinnen. Ein Whisky wie der 10er Rye aus dem Sherryfass ist zwar ein sehr guter Einstieg, der Sprung zum 12er oder 15er Rye ist dann aber preislich zu ambitioniert. Hier braucht es ein überbrückendes Element. Das könnte ein jüngerer Rye sein, etwa der herausragende 5er aus dem Sherryfass, diesmal endlich in Fassstärke. Rye darf jung und wild sein, dafür ist das Getreide wie geschaffen. Und Glina verfügt über ebendie Fässer, jene Wildheit zu kanalisieren. Preislich dann bei vielleicht 80 Euro eingetaktet, wäre das ein neuer Anlaufpunkt für anspruchsvollere Whiskyfans, die ohne Fassstärke nicht mehr auskommen oder sie endlich austesten wollen. Von denen gibt es einige.
Nun sind wir keine Unternehmensberater und verstehen wenig von den kaufmännischen Aspekten des Whiskywesens. Daher interessiert uns zuvorderst, wie der Whisky schmeckt. Und hier gibt sich Glina keine Blöße. Ihr neues Flaggschiff ist jeden Cent wert und beweist – als ob es eines Beweises bedürfte im Jahre 2024 – wieder einmal, wie sehr der Rye Whisky von Innovationen made in Germany profitiert. Deutschland ist Roggenland.
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