Yellowstone Family Recipe

Yellowstone Family Recipe vor dem Berliner Stadtschloss

Ein weiterer Spross der Böhm-Familie

Yellowstone und Stephen Beam

Es ist kaum möglich, die Bedeutung der Familie Böhm (Beam) für den amerikanischen Whiskey zu überschätzen. Nicht nur ist es der allseits bekannte Name, die weitreichende Familie bestimmte die Geschicke zahlreicher Brennereien. 2010 kam eine weitere hinzu, die Limestone Branch Distillery, gegründet von Stephen Beam. Er ist einerseits der Urenkel des Minor Case Beam, seinerseits Sohn des James Beam, Jakob Böhms Urenkel und Namensgeber des berühmten Jim Beam-Whiskeys; andererseits ist er auch Ururenkel des Joseph Dant, einer weiteren Größe des Bourbons aus dem 19. Jahrhundert.

Demnach steht Stephen Beam in der Tradition gleich zweier großer Whiskeyfamilien und auch der Name seines Bourbons, Yellowstone, weist eine illustre Geschichte auf. 1872 eröffnete der Nationalpark Yellowstone, der erste seiner Art. Die J.W. Dant Distillery feierte dies mit dem Yellowstone Whiskey, der sich zu einer der beliebtesten Marken entwickelte und bis in die 60er blieb. Die Besitzverhältnisse wechselten mehrfach im Laufe der Zeit, aber 2015 taten sich Luxco und die Limestone Distillery zusammen, um den Yellowstone Bourbon wiederzubeleben.

Sowohl die Brennerei als auch der aktuelle Yellowstone sind damit relativ jung, blicken zugleich jedoch auf eine beeindruckende Ahnenreihe zurück. Sie verdeutlichen die Kontinuitäten ebenso wie die Bruchlinien der komplexen Geschichte des amerikanischen Whiskeys. Tatsächlich nutzt Stephen Beam das alte Yellowstone-Rezept, also wohl das der Dant-Familie. Darüber hinaus verwendete er eine Hefe, die noch aus den Zeiten des Minor Case Beam stammte und mühsam rekonstruiert wurde.

Die geballte Prominenz von Beam, Dant und Yellowstone allein sorgte schon für Aufmerksamkeit, die durch den Erfolg der Netflix-Serie Yellowstone nur verstärkt wurde. Das ist insofern bemerkenswert, als dass in der Serie zwar offenbar recht großzügiges Product Placement stattfindet und dies Whiskey einschließt – scheinbar jedoch nicht den Yellowstone. Vermutlich reichte allein der Name. Wie dem auch sei, Stephen Beam bestätigte uns den positiven Effekt der Serie auf den Verkauf seines Whiskeys.

Yellowstone Family Recipe vor der St.-Hedwigs-Kathedrale
keine Standardflasche, sondern eigens für Yellowstone hergestellt

Familienerbe

Bei einem Bourbon ist das frische, ausgebrannte Eichenfass gesetzlich vorgeschrieben, ebenso ein Mindestanteil von 51% Mais als Primärgetreide, plus ein paar weitere Faktoren. Dies sorgt für eine gewisse geschmackliche Homogenität des Bourbons. Nur wenige Stellschrauben erlauben eine spürbare Binnendifferenzierung, von denen die Maischemischung fraglos die wirkmächtigste ist. Die sogenannte Mash Bill bestimmt durch das Mischungsverhältnis der Getreidesorten den Grundcharakter des Whiskys. Im Moment ist ein hoher Roggenanteil bei dem Sekundärgetreide en vogue. Da macht der Yellowstone Family Recipe allerdings nicht mit. Er besteht zu drei Vierteln aus Mais, 13% Roggen und 12% Gerstenmalz. Dies ist eine überaus traditionelle Verteilung und entspricht z.B. der Low-Rye Mash Bill Jim Beams. Weniger traditionell hingegen ist das Brennen auf Pot Stills.

Die Reifezeit von sechs Jahren verortet den Yellowstone im hochkarätigen Segment der Bourbons ein. Sie gilt vielen Kennern als ein Optimum, da sich der Fasseinfluss voll entfalten kann, ohne dass der Whisky überholzt. Diese Gefahr besteht ob der frischen Fässer gerne schon bei zehn Jahren. Die Fässer wurden auf Level 3 (35 Sekunden lang) ausgebrannt, eine Stufe unter dem berühmten Alligator-Char (55 Sekunden). Die Reifung erfolgt etwas langsamer in solchen Fässern und sie filtrieren auch weniger stark. Das erzeugt einen runderen Whisky, der dann eben mehr Zeit im Fass braucht.

Gleichsam sind die 50% ABV ein Qualitätsmerkmal. Bislang ist uns noch kein Bourbon mit dieser Alkoholstärke untergekommen, der schlecht gewesen wäre. In den USA gilt sie zudem als die Wassermarke für guten Whisky schlechthin, denn sie geht auf den Bottled-in-Bond Act von 1897 zurück. Dieses älteste qualitätssichernde Gesetz für fassgereiften Whisky legte 50% ABV und ein Mindestalter von vier Jahren fest – und das in einer Zeit, da in Schottland der Whisky nicht einmal Holzkontakt brauchte. Der einzige Grund, warum der Family Recipe nicht die Kennzeichnung Bottled-in-Bond trägt, ist die Mischung von Fässern aus unterschiedlichen Brennereisaisons. Dies wiederum trägt der hohen Nachfrage Rechnung, denn der Whisky ist überaus beliebt. Wir freuen uns umso mehr, ihn zu probieren.

Nase

Zu erst begegnet uns leichter, süßer Mais gefolgt von Karamell und Marzipan, die immer stärker werden. Dann kommen altes Leder und Schnupftabak, zuletzt noch Nelke, die für etwas Würze sorgt. Ein leicht nass-erdiger Unterton begleitet diese Eindrücke.

Geschmack

Zunächst fällt das schwere Karamell auf, das durch süße, reife rote Trauben und Aprikosenmarmelade komplementiert wird. Dazu gesellt sich ein interessantes, da unerwartetes Moment von Bergamotte, das jedoch einen wirksamen Kontrapunkt setzt. Trockene Nüsse und viel Tabak runden den Gesamteindruck ab. Allzu viel Würze kommt demnach nicht durch, aber ein paar solide Eichenaromen lassen sich nicht unterkriegen.

Abgang

Diesmal hallt die Eiche dominant nach, auch wenn die Würze zurückhaltend, ja raffiniert wirkt.

Yellowstone Family Recipe vor dem Berliner Stadtschloss
1872 zum ersten Mal abgefüllt, da war Wilhelm seit einem Jahr Kaiser

Fazit: alter und moderner Klassiker

Mit dem Yellowstone kehrt ein Klassiker zurück auf die große Bühne. Und die verdient er. Zwar kein Flaggschiff in Fassstärke und als Single Barrel abgefüllt, stellt der Family Recipe einen würdigen Vertreter der Reihe dar. Sein Geschmacksprofil ist weniger traditionell als es anhand der Eckdaten zu vermuten wäre. Es ist ein sehr ausgewogener Whisky, bei dem sich karamellige Süße und spritzige Fruchtsüße mit trockenen Aromen ergänzen, während ein Hauch Eichenwürze für zusätzliche Tiefe sorgt. Diese Ausgewogenheit und Vielschichtigkeit machen den modernen Bourbon aus.

Längst hat sich Bourbon von der brachialen Eindimensionalität verabschiedet, die ihm – ob zu Recht oder nicht sei dahingestellt – vor allem in Europa nachgesagt wurde. Es ist überaus erfreulich, dass der Yellowstone Family Recipe inzwischen regulär in Deutschland erhältlich ist, um diesem Vorurteil wirksam begegnen zu können.

Schmeckt der Whisky nun wie sein Gegenstück von 1872? Die Frage wird niemand abschließend beantworten können, doch historische Hefen und Familienrezept sprechen zumindest für das Bemühen, einen authentischen alten Bourbon zu rekreieren. Ironisch mutet dann an, dass er so modern wirkt. Vielleicht war der Bourbon aus dem 19. Jahrhundert einfach besser… wir wissen es nicht.

Mit Gewissheit können wir nur sagen, dass der Yellowstone Family Recipe schmeckt und mit einem soliden Preis-Leistungs-Verhältnis aufwartet. Daher kann für jeden Bourbon-Fan eine unumschränkte Empfehlung gegeben werden. Ebenso ist er hervorragend als Einstieg in die Welt des Bourbons geeignet für alle die, die ihre Erfahrungen bislang hauptsächlich mit Scotch gemacht haben.

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