Stafford Twin Wood
Der beliebteste Single Malt der 2000er
In jeder Sitcom zu Gast. Die Tradition des fiktiven Whiskys
Wer zwischen 2000 und 2020 eine amerikanische Serie sah, in der die Protagonisten einen schottischen Whisky trinken, hat wahrscheinlich schon den Stafford Twin Wood gesehen – bewusst oder unbewusst: King of Queens, How I Met Your Mother, Monk, Californication, Ray Donovan, Brooklyn Nine-Nine, Superstore und wahrscheinlich noch ein paar andere, die unter dem Radar geflogen sind.
Natürlich ist der Stafford eine reine Erfindung. Viele Serienmacher verzichteten lange auf die Zurschaustellung echter Whiskymarken, vermutlich nicht (nur) des Markenrechts wegen, sondern wohl (auch), weil sie sich diese hätten bezahlen lassen wollen. Eine rühmliche Ausnahme bildet Two and a Half Men. Charlie Harper trinkt ganz ungeniert exzellente Whiskys, die allerdings meist von der Kamera abgewandt sind.
Der Stafford Twin Wood steht damit in einer Reihe von fiktiven Whiskymarken, die in Serien auftauchen. Dazu gehören in jüngerer Zeit besonders der Glencallan und Balmore. Die Tradition solcher „Greek“-Produkte, wie sie im Fachjargon genannt werden, reicht weit zurück. Schon in den Tim und Struppi-Bänden der 60er Jahre musste der bislang verwendete Johnnie Walker weichen, vermutlich weil die Walkers einschritten. Seit 1966 trinkt Captain Haddock den Loch Lomond – seinerzeit noch eine fiktive Marke. Auch Star Trek kam bis zum Abrams-Reboot ohne reale Marken aus, allerdings sollte die Menschheit im 24. Jahrhundert ohnehin keinen Alkohol mehr zum Rausch benötigen.
Dass Produzenten immer wieder auf derartige Eigenkreationen wie den Stafford zurückgreifen, ist nicht selbstverständlich. Offenbar sind wir als Zuschauer durch die unablässige Werbung inzwischen derart auf die Erkennung von Marken trainiert, dass uns Produkte ohne klaren Markenbezug komisch vorkommen. Diese Erklärung von Michael Bertolina hat einiges für sich, ist in ihrer Tragweite allenfalls etwas unterschätzt.
Für seine narrative Funktion sollte es doch genügen, ein Glas Whisky auf dem Tisch stehen zu haben. Da erwartet niemand zwingend ein Label. Doch es gibt Ausnahmen: wenn etwa ein Charakter als besonders kultiviert bzw. wohlhabend portraitiert werden soll, muss gerade in einem amerikanischen Kontext ein Scotch Single Malt gewählt werden. Für hemmungsloses Gelage oder Trinken aus Frust darf dann schon mal ein Bourbon ran. Um dies dem Publikum zu vermitteln, braucht es im Regelfall entsprechende Requisiten, die dann ob unserer Sehgewohnheiten nicht einfach „Good Scotch“ oder „Drink until you Drop“ heißen dürfen.
Hier jedenfalls kommen Glencallan, Balmoor oder eben Stafford Twin Wood ins Spiel. Die Auftritte des letzteren soll nun im Mittelpunkt stehen, da es sich nicht nur um eine Wanderrequisite handelt, sondern für den Stafford gleich eine ganze Core Range erschaffen wurde.
The King of Queens. Der Weg von Johnnie zu Stafford
In der Serie King of Queens hat Whisky eher selten einen Auftritt. Nicht, dass nicht Unmengen von Alkohol konsumiert würden. Der Serienheld, Lieferfahrer Doug Heffernan, ist als typischer Blue Collar Worker charakterisiert, der nach liebsten Bier trinkt. Nur außerhalb seines Freundeskreises trifft er Genießer des Whiskys, die dann meist wesentlich besser bezahlte Jobs innehaben. Dies wirkt reichlich topisch.
Beinahe bodenständig ist da noch Dougs direkter Vorgesetzter, Supervisor Patrick O’Boyle. Der hat zwar immer wieder mit seinen Alkoholproblemen zu kämpfen, verschmäht jedoch nie eine Flasche Whisky. In der Folge Ungeliebte Verwandtschaft (2006) möchte er von Doug einen Johnnie Walker Black haben, damit er dessen Cousin Danny nicht einstellt. Die Flasche wird auch prompt geliefert und deutlich sichtbar gezeigt. Offenbar besteht in dieser frühen Zeit der Serie noch keine Hemmung, echte Marken zu zeigen.
Etwas später bekommen Doug und seine Frau Carrie ein neues Nachbarpärchen: sie eine Anwältin, er ein Börsenmakler, beide Harvard-Alumni. Wenig verwunderlich bringt er eine Flasche Scotch mit, als ihn Carrie einlädt. Diesmal wird weder gesagt, um welchen Whisky es sich handelt, noch wird die Flasche gut präsentiert. Da sie einen Korken hat und von einem offensichtlich wohlhabenden Paar als Gastgeschenk gewählt wurde, dürfte sie nicht ganz mies sein – trotz der Unsitte, Whisky aus Tumblern zu trinken und großzügig mit Eis zu verdünnen. Doug findet allerdings so oder so keinen Gefallen daran und schüttet ihn weg (Des einen Leid…, 2007).
Zwar kein Genussmittel für Doug, darf Whisky sehr wohl als Droge im allzu wörtlichen Sinne herhalten. Vertretungsweise übernimmt er den Job von Supervisor O’Boyle. Er versagt kläglich und bittet um Hilfe bei O’Boyle. Dessen Rat wird uns nach einem harten Schnitt plakativ gezeigt:
Hier ist er: der Stafford 12 Twin Wood. Wie Dougs Gesichtsausdruck verdeutlicht, dürfte er ihm nicht sonderlich schmecken. Der Stafford soll helfen, mit dem Stress klarzukommen.
Faszinierend sind zwei Aspekte. Zum einen haben sich die Macher der Serie Mühe gegeben und eine echte Flasche guten Scotch Single Malts verwendet. Hier sehen wir einen Glenlivet, vermutlich den 12er, in der damals üblichen Aufmachung. Die markante grüne Flasche mit ihrem Inlay erkennen Whiskyfans sofort; jedenfalls erkannten sie alle, als die Folge vor nunmehr 15 Jahren über unsere Mattscheiben flimmerte. Zum anderen haben O’Boyle und Doug den Sprung zu Single Malt geschafft. Das ist insofern nicht zu unterschätzen, als dass selbst ein vermeintlicher Standard wie der Glenlivet 12 in den USA recht teuer ist.
Dass die Wahl der Flasche keine zufällige gewesen sein kann, bezeugt das durchdachte Label. Zwölf Jahre waren damals eine typische Altersangabe für den All Day-Dram und der Balvenie Double Wood als Vorreiter der Finishes erfreute sich gerade in diesem Marktsegment großer Beliebtheit. Wer auch immer für den Stafford 12 Twin Wood verantwortlich war, verstand ihr/sein Handwerk. Doch dazu später mehr.
Die Verwandlung des Stafford
Vermutlich sind in keiner anderen Sitcom mehr fiktive Whiskymarken vor der Kamera gewesen als in How I Met Your Mother. Und wo Glen McKenna und Clyburn getrunken werden, darf der Stafford nicht fehlen. Die zwei Whiskygenießer Robin und Barney vertreten wieder einmal Stereotypen: Robin wird in ihrem Sozialverhalten oft als burschikos charakterisiert mitsamt Schlägereien und natürlich Whiskykonsum, wohingegen Barney den Whisky als gehobenes Rauschmittel in Abgrenzung zu den Biertrinkern bevorzugt. Aus dieser Warte wirkt die Verwandlung des Stafford geradezu konsequent.
Er wird zum Macallan.
In Die Stinson-Krise (2012) wurde das Stafford-Etikett über eine sofort als Macallan deutlich zu erkennende Flasche geklebt, im Übrigen auch um den oberen Flaschenhals. Sichtbar hingegen ist der dreieckige Aufkleber und auch der Flaschenhals verschwindet nicht komplett. Auch hier bestehen keinerlei Zuordnungsprobleme. Interessanterweise passen die beiden Designs durchaus zueinander.
Der Macallan ist ein 12-jähriger, soviel verrät das nicht überklebte Dreieck. Seine weiße Farbe und sein goldener Rand könnten auf den damals so gelabelten Sherry Wood hindeuten, aber die genaue Identifikation sei den Macallan-Sammlern überlassen. Viel wichtiger ist die Botschaft, hier einen extrem prestigeträchtigen Whisky nahezu unverhohlen in die Kamera zu zeigen. Ab einem gewissen Punkt wäre eher zu fragen, wozu diese Scharade überhaupt getrieben wird, wenn die echten Marken so schlecht versteckt sind.
Zudem scheint eine Vorlage für das Stafford-Etikett zu existieren, die durch die Sitcoms wandert, andernfalls lässt sich sein Auftritt mit unterschiedlichen Flaschen schwer erklären. Dieser Verdacht wird auch dadurch erhärtet, dass in der Serie Monk dasselbe Label auftaucht, jedoch wieder einmal eine andere Flasche ziert (Mr. Monk and The End Part 1, 2009).
Und steigendes Alter
Es hat schon etwas Ironisches, dass ausgerechnet in einer Zeit, da NAS-Whiskys immer häufiger wurden, der Stafford immer älter wurde. In der Superstore-Folge Frohe Weihnacht Allerseits! von 2017 wird uns ein 21-jähriger Stafford gezeigt, dessen Etikett stilistisch dem 12er direkt folgt. Verwendet wird der Whisky allerdings ausschließlich zum Wirkungstrinken. Die halbe Flasche landet im Punsch. Was genau die Macher der Serie dazu bewog, einen augenscheinlich wertvollen Single Malt derart zu missbrauchen, vermag ich nicht zu sagen.
Etwas geschmackvoller ist dann der Auftritt des wohl ältesten Stafford. Ganze 30 Jahre lag der Stafford im Holz und noch immer ist es ein in zwei Fässern gereifter Scotch, der in Brooklyn Nine-Nine zu sehen ist. Relativ klassisch wird er als höherwertiges Genussmittel verwendet, wenngleich nach wie vor dem Primärziel der Berauschung.
Anders als der 21-jähirge jedoch wurde hier ein ganz anderes Label verwendet. Zunächst läge die Vermutung nahe, dass die Folge (Die 6-Drinks-Amy) etwas jünger sei und die alte Vorlage verloren war oder einfach nicht mehr verwendet wurde. Doch sie datiert von 2015, ist demnach älter. Vermutlich ist der 30-jährige Stafford ein Beleg dafür, dass die Marke ein Eigenleben entwickelt hat. Vielleicht hatten aber die Entwickler von Brooklyn Nine-Nine als erste den Mut, das altbackene Design hinter sich zu lassen und endlich ins 21. Jahrhundert zu überführen.
Ein stimmiger Whisky mit soliden Eckdaten
Trotz eines frischen Etiketts scheinen die Tage des Stafford gezählt zu sein. Seit mehr als fünf Jahren wurde er nicht mehr in Serien oder Filmen erspäht. Das dürfte aber eher Zufall sein denn Zeichen eines Trends weg von fiktiven Marken. Die begegnen uns nämlich nach wie vor.
Insofern wäre das Ende des Stafford tragisch, denn er ist einer der am glaubwürdigsten dargestellten Scotch Single Malts in Hollywood. Seine nicht minder fiktiven Geschwister sind mitunter dermaßen albern präsentiert, dass Whiskyfans nur auf Satire hoffen können. Der 50-jährige Glencallan etwa ist ein Single Barrel, obwohl Scotch diesen amerikanisch geprägten Begriff vermeidet, und er kommt mit einem blechernen Schraubverschluss. Guten Scotch mit Schraubverschluss zu präsentieren, ist leider eine weit verbreitete Praxis und trifft auf unzählige andere Marken zu.
Der Stafford 12 wiederum hat fast immer einen Korken. Sogar bei Monk, wo er einmal ohne diesen zu sahen war, tauchte er an anderer Stelle mit einem Korken auf. Auch die Eckdaten stimmen. Gereift wurde er in „Traditional Whisky Oak“, vermutlich Bourbon, und „Original Sherry Oak“. Zwar ist die Terminologie damit alles andere als sauber, aber es ist tatsächlich eine mehr als typische Reifung. Dazu passt dann der Alkoholgehalt von 43% ABV.
Dass es sich eindeutig um eine Balvenie-Anleihe handelt, verraten die Details des Etiketts. Zwischen den Namen Stafford und Twin Wood ist eine kleine, verschnörkelte Kursivschrift gesetzt, direkt darunter die Herkunftsbezeichnung Scotland in Druckbuchstaben mit leichten Serifen. Über dem Stafford-Namen ist ebenfalls klein und verschnörkelt „distilled“ geschrieben. Darüber sitzt in einem Bogen der Schriftzug Single Malt. Wer auf diese Details achtet, kann darin nur das Vorbild Balvenie sehen.
Solche Liebe zum Detail sollte Lob und Anerkennung finden, besonders in einer Zeit, da Content für Streamingdienste wie am Fließband produziert wird. Die Qualität der Requisiten leidet darunter ohne jeden Zweifel. Im Gegensatz dazu scheint der Stafford 12 fast aus der Zeit gefallen zu sein, ein Relikt vergangener Tage, da sogar für kaum eine Sekunde andauernde Frames in seichten Sitcoms elaborierte Requisiten erdacht wurden.
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