Inchdairnie Ryelaw

Titelbild Ryelaw

… fought the law and the law won

Wieder Neues aus den Lowlands

Der Titel führt vielleicht ein wenig in die Irre, denn die Inchdairnie-Brennerei ist nicht ganz neu. Sie produziert seit 2015, allerdings ohne große Fanfaren und mehrheitlich für die schottischen Blends. Gelegen in Fife, wo 1495 das erste Mal gemälzter Whisky erwähnt wurde und wo inzwischen wieder fünf Distillerien operieren, gehört Inchdairnie zu den Pionieren der Lowland-Renaissance. Lange war es Auchentoshans Pflicht und Ehre, die Fackel des Lowland-Whisky hochzuhalten, nachdem keine andere Brennerei dort die Krisen des frühen 20. Jahrhunderts, mitsamt deutschen Luftangriffen, überlebt hatte.

Nun nehmen die Lowlands ihren angestammten Platz als traditionelle Whiskyregion Schottlands wieder ein und Inchdairnie steht in vorderster Reihe. Jedoch wird Tradition dort nicht allzu groß geschrieben, denn Innovation steht im Focus. Statt den üblichen Forsyth-Brennblasen kommen Lomond Hill Stills der italienischen Schmiede Frilli zum Einsatz, statt eines Walzenstuhs mahlt eine Schlagmühle das Getreide, statt eines Maischebottiches wird ein Meura-Maischefilter verwendet, die Fermentation erfolgt im Freien und, und, und… Technisch bewegt sich Inchdairnie also auf hohem Niveau. Bei so hohen Ansprüchen ist nicht verwunderlich, dass der erste Whisky aus dem Hause Inchdairnie seine Zeit brauchte. Ganze sieben Jahre wartete Managing Director Ian Palmer mit dem Ryelaw.

Eine unheimlich schöne Flasche

Single Grain wider Willen

Wo deutsche Brennereien allzu willentlich schottische Terminologie aufnehmen um ihren Roggen- oder Weizenwhisky zu beschreiben, sträubt sich Palmer mit aller Macht gegen den Unsinn, Rye Whisky als Single Grain bezeichnen zu müssen. Der Name Ryelaw ist kein Zufall. Ganz bewusst wird auf das Gesetz verwiesen, dass den Rye in diese Kategorie zwingt.

Der Whisky ist mit Single Grain in der Tat außerordentlich schlecht charakterisiert. Bei 53% gemälztem Roggen und 47% gemälzter Gerste liegt er im Geschmacksprofil irgendwo zwischen Rye und Single Malt und das mit voller Absicht. Das Mälzen des Roggens nimmt ihm viel von der Würze und Frische, daher – so Ian Palmer im Gespräch, das wir in Berlin führen konnten – sei es auch sinnvoll, einen substantiellen Anteil klassischen Single Malts beizufügen. Wenn der Roggen durch das Mälzen ohnehin auf dem Weg Richtung Single Malt ist, warum ihm nicht noch einen weiteren Stups in die Richtung geben?

Das Getreide stammt außerdem aus Fife, genauer gesagt von den Bauern Martin MacDonald und David Gill, was den lokalen Bezug und die Nachhaltig des Produktes stärkt. Beides hat sich Inchdairnie auf die Fahne geschrieben und es ist lobenswert, dass es nicht nur bei leeren Worten bleibt. Für uns ist zudem wichtig, dass das Grundprodukt von hoher Qualität ist. Guter Whisky beginnt mit gutem Getreide.

Gereift wurde der Ryelaw ganz gradlinig in ausgebrannten Fässern jungfräulicher Eiche aus dem Ozark-Plateau im Herzen der Vereingten Staaten. Dies dürfte dem 5 Jahre alten Whisky jede eventuell noch vorhandene Schärfe nehmen. Überhaupt, die Kombination der süßen Fasseinflüsse und des würzigen Roggens, abgemildert wie sie sein mag, bleibt eine altbewährte. Die Alkoholstärke liegt bei 46,3%.

Zuletzt sei noch die extrem schick designte Flasche erwähnt. Ein Relief an der Seite steht sinnbildlich für das verwendete Wasser, die Perforation am Flaschenhals symbolisiert den Maischefilter und der Korken ist in sehr schweres Metall eingebunden. Haptik und Optik allein sind dadurch bereits ein Fest.

Nase

Zunächst ist es überraschend fruchtige Süße, die in die Nase steigt. Die Süße geht dann in Vanille über, die dann wiederum würzig wird. Das Wechselspiel von Vanille und Würze bleibt bestehen, letztere äußert sich in Zimtrinde und Cayennepfeffer. Dazu kommt ein Aroma, das an Haferflocken mit Milch erinnert. Insgesamt ist der Whisky eher floral-leicht in der Nase; es ist kein amerikanischer Rye mit dröhendem Fass oder überbordender Würze.

Geschmack

Auch im Mund gibt sich der Ryelaw zurückhaltend. Er vermag die Zunge schnell zu belegen und die Haferflockenanalogie passt erneut: nur dass diesmal mehr Zucker im Spiel ist. Die Vanille bleibt, die durch Toffee ergänzt wird. Mit der Chili-Bitterschokolade lässt der Roggen aufhorchen, so ist es eine in die süßen Aromen eingebundene Schärfe, die daher auch Nicht-Rye-Fans (die soll es geben…) gefallen dürfte. Orangenrinde sorgt für etwas Frische.

Abgang

Nun hat die Stunde der Würze geschlagen: der Nachhall ist eines Ryes würdig und auch die Süße des Fasses harmoniert damit perfekt.

Muss sich vor US Rye nicht verstecken

Fazit: eine Frage der Perspektive

Der Ryelaw ist spannend. Und er dürfte kontrovers besprochen werden. Single Malt-Fans empfinden die Würze scheinbar als sehr deutlich, Rye-Fans hingegen erscheint sie zurückhaltend, besonders im Vergleich mit der Süße. Es fällt daher nicht leicht, den Ryelaw fair zu besprechen und sinnvoll zu empfehlen.

Vorweg: das für Single Malt-Verhältnisse junge Alter ist für Roggenwhisky eben nicht jung, sondern eher auf der Oberkante. Zusammen mit Virgin Oak haben wir einen wunderbar gereiften Whisky vor uns. Das bezeugt dann auch das erwachsene Geschmacksprofil. Nur muss dieses Profil eben gefallen. Im Spiel zwischen Würze und Süße hat der Ryelaw seinen Schwerpunkt eindeutig auf letzteres gelegt, ja beinahe wäre es ein Dessertwhisky geworden – wäre da nicht doch noch die Würze des Roggens, die sich trotz Mälzen und trotz 47% Gerste nicht ganz einhegen lässt. Und das ist gut so. Rye Whisky muss diese Erwartung bedienen und das tut der Ryelaw, wenn auch deutlich dezenter als es auf der anderen Seite des Atlantiks praktiziert wird.

Damit ist der Ryelaw eine Empfehlung für all jene Rye-Fans, die auf der Suche nach etwas Neuem sind. Er ist ein interessanter Ausdruck der stetig wachsenden Euro-Rye-Szene. Im Grunde wäre er auch Single Malt-Fans zu empfehlen, die ihren kleinen Zeh in die Welt des Ryes stippen wollen, da noch genug Gerstenmalzcharakter wohlige Heimatgefühle auslösen dürfte. Andererseits ist der Ryelaw damit eben nicht typisch und vielleicht nicht die beste Einführung in den Rye.

Als Erstlingswerk der Inchdairnie-Brennerei hat der Ryelaw einen schönen Eindruck hinterlassen, der vielleicht an der ein oder anderen Stelle etwas mutiger hätte ausfallen können, aber doch eine solide Basis bildet. Wir dürfen auf mehr gespannt sein.

[Achtung: die Flasche wurde uns zu Rezensionszwecken überlassen]

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