George Dickel Rye Whisky
Die Stile Indianas und Tennessees vereint?
Zwei Antipoden? MPG und George Dickel
Ganz offen, ja beinahe prominent steht auf dem Etikett der Flasche, dass dieser Whisky in Lawrenceburg, Indiana, produziert wurde. Er stammt also vom Roggengroßmeister MGP, wurde dann aber von George Dickel kühlgefiltert und in den eigenen Fässern sowie Lagerhäusern gereift. Hier kooperierten zwei unserer liebsten Brennereien, weswegen der Kauf fast schon Pflichtprogramm war. Doch passen diese Stile wirklich zusammen?
George Dickel ist bekannt für seinen extrem stark gefilterten und sehr weichen Whisky, dessen Süße ob des hohen Maisanteils heutzutage fast altmodisch daherkommt. Midwest Grain Products hingegen arbeiten seit 177 Jahren ununterbrochen mit Roggen, einem sehr würzigen und herben Getreide. In der amerikanischen Whiskywelt könnten diese beiden kaum weiter auseinanderliegen, lediglich die gemeinsame Reifung in frisch ausgebrannten Eichenfässern lässt sie als verwandt erkennnen.
Allerdings geht Dickel längst mit der Zeit. Rye Whisky ist in den letzten fünfzehn Jahren immer populärer geworden. Sogar in Deutschland blieb dies nicht unbemerkt und in den USA entstand ein regelrechter Boom Mitte der 2010er. Da wollte niemand außen vor bleiben, schon gar nicht Dickel. Da aber lange kein Roggen in ihrer Cascade Hollow Distillery gebrannt wurde, kam MPG zum Zuge. In den Zeiten des Booms belieferte MPG so ziemlich jede zweite Brennerei, die selbst (noch) keinen Rye herstellten. Die Mehrheit des sogenannten Craft Whiskys der 2010er war schlicht auf Masse produziert in Lawrenceburg. Zwar nicht mehr so inflationär wie damals, ist diese Praxis bis heute gängig. Und nahezu alle verstecken die Herkunft des Whiskys im Kleingedruckten. Nicht so George Dickel.
Es ist vermutlich nicht nur eine Frage der Transparenz, sondern auch eine Frage des Stolzes. In Cascade Hollow gilt die Hyperfiltration als Qualitäts- und Distinktionsmerkmal. Niemand schämt sich, Lawrenceburg zu nennen, weil das Destillat erst durch das Filtern und durch die Lagerung zu Whisky wird – zu einem George Dickel. Genau diese beiden Faktoren werden groß auf die Flasche geschrieben. Sie sind wichtig. Und dass das Destillat von den weltweit besten Roggenbrennern kommt, muss nicht versteckt werden.
Chill Filtered Rye
MPG liefert sein typisches Grundprodukt mit 95% Roggen und 5% gemälzter Gerste. Diese Maische ist bekannt für seine starke Würze und Kräuterigkeit, welche selbst die Holzkohleschicht der ausgebrannten Fässer nur wenig abmildert. Aber bei George Dickel kommt vor der Fassbefüllung ohnehin der Lincoln County-Prozess zur Anwendung. Dies ist eine zusätzliche Filtrierung durch Ahornholzkohle, die in Cascade Hollow allerdings etwas anders funktioniert als beim bekannteren Jack Daniel’s, zudem länger dauert und stärker filtert. Danach lagert der Whisky in Fässern mit Alligator Charred Dauben, deren maximal starke Kohleschicht dem Whisky während der Reifung noch seine Schärfe nimmt.
Exakt diese Prozedur durchlaufen auch alle anderen Whiskys bei George Dickel. Das Ziel ist ein möglichst weicher Whisky. Die Frage ist nur, wie sich das mit dem herb-würzigen Destillat verträgt. Mellow as Moonlight, das Motto von George Dickel, ist gerade nicht das Ziel eines Rye Whiskys. Die üblichen 95/5-Whiskys im Stile MGPs bieten eine gute Vergleichsgrundlage, da sie mit derselben Maische, oft ähnlichen Fässern, aber ohne zusätzliche Kühlfiltrierung aufwarten.
George Dickel selbst positioniert den Rye in seinem mittleren bis gehobenen Segment. Die 45% ABV sind für Abfüllungen über dem Einstiegslevel des No.8 mit 40% ABV. Der Rye ist diesem aber preislich näher. (…wobei dies in Deutschland angesichts der schlechten Importsituation so oder so nicht viel heißt.)
Nase
ein Kräutergarten im Frühling… Minze, Thymian, Dill umgeben von einem frisch-grasigem Duft, mit etwas Zitronensaft. Später kämpfen sich süßliche Aromen zur Nase durch, besonders Vanille und Haselnuss, die mit der Zeit aber prägnanter werden.
Sehr hintergründig lässt sich eine gewisse Würze ausmachen, die wegen ihrer Subtilität aber schwer definierbar ist.
Geschmack
der Antritt ist fürwahr ein George Dickel, dermaßen mild und sanft wie er ist. Neben den Kräutern treten die Gewürze nun jedoch stärker in den Vordergrund, gleichwohl für einen Rye noch relativ mild mit Nelke und Kardamom, vielleicht Zimt und Zucker. Gleichsam steigert sich die Süße zu Haselnusscreme und Vanillepudding mit Honig.
Abgang
zuletzt will sich der Roggen in voller Pracht zeigen und der Nachhall ist fast pfefferig, dabei überraschend lang.
Fazit: Zwiespalt
Der George Dickel Rye hat ein … interessantes Geschmacksprofil. Die anfänglich unterdrückte Würze des Roggens blitzt zwar mitunter auf, dient aber als Sekundant. Vorn stehen die Kräuter und sie dominieren besonders den Ersteindruck.
In einer Verkostungsreihe mit den anderen, sehr süßen George Dickel Whiskys verliert sich die Süße so sehr, dass dieser Ersteindruck fast einen Gin vermuten ließe. Dies spricht jedoch nicht gegen den Rye, sondern dafür, wie subjektiv und leicht manipulierbar unsere Geschmackswahrnehmung sein kann. Es ist allerdings recht deutlich, dass gerade der würzige Aspekt des Ryes durch George Dickel eingehegt wurde, gezähmt wurde. Zusammen mit dem für Rye ungewohnt mildem Mundgefühl, betont George Dickel die kräuterige Seite des Ryes mit großer Konsequenz. Ein naheliegender Vergleich wäre der Bulleit Rye, der fast identische Eckdaten aufweist, doch um einiges würziger und trockener ist. Genau darum wirken dessen ebenso vorhandene Kräuter weniger intensiv als beim Dickel.
Als Fan von George Dickel und als Fan von MGP müsste dieser Rye eigentlich ein Traum für mich sein. Und ein spannender Whisky ist es allemal. Doch am Ende glaube ich nicht, dass die Philosophien der beiden zusammenpassen. Vielleicht erleichtert Dickels Hyperfiltration den Einstieg in die Welt des Rye Whiskys, der ob seiner Grundeigenschaften nach wie vor polarisiert. Wer hingegen Rye schon mag, wird hier eher irritiert. Außerdem kann in Deutschland auch für Einsteiger keine Empfehlung ausgesprochen werden, da der Whisky dafür hierzulande einfach zu teuer ist.
Wenn es irgendwo aber noch einen zweiten Menschen auf der Welt gibt, der meine Leidenschaft für Rye und meine Liebe zu George Dickel teilt, sollte er wenigstens eine Flasche davon probieren.
[…] klassischen Whiskeyregionen Kentucky und Tennessee bis hin nach Texas: Elijah Craig, Ezra Brooks, George Dickel, Balcones und auch nicht amerikanische Rye Whiskeys wie der Crown Royal hatten entweder ganz grüne […]