German Rye Whisky Terminologie
Ein Plädoyer für die Abschaffung der Bezeichnungen Single Grain und Single Rye
Terminologische Irrfahrten
Roggenwhisky aus Deutschland ist eine vergleichsweise junge Erscheinung. Die meisten Brennereien nennen ihn ganz pragmatisch Rye Whisky: ebenso naheliegend wie sachlich korrekt, hebt dieser Terminus die Besonderheit des Whiskys hervor und lässt keinerlei Unklarheiten aufkommen. Damit sollte eigentlich alles gesagt sein.
Und doch finden sich in Deutschland immer wieder Beispiele von Roggenwhisky, der nicht so denominiert ist. Da lesen wir von Single Grain wie jüngst bei Danne‘s, von Single Rye wie bei Fading Hill; gelegentlich von Dingen wie Pure Rye bei Rittmeister.
Insbesondere die Bezeichnung als Single Grain, aber auch die als Single Rye muss aufhören:
- I. Sie ist unnötig.
- II. Sie ist irreführend.
- III. Sie ist degradierend.
Kurz, diese Bezeichnungen sind unsinnig, ja schädlich, und gehören abgeschafft.
ⅠUnnötig:
In Schottland muss Rye Whisky als Single Grain ausgewiesen werden. Es ist kein Single Malt, nicht aus gemälzter Gerste, muss also Single Grain heißen. So einfach ist das. Selbst der Arbikie Rye hat daher Single Grain auf dem Etikett zu stehen. Dass die Brennerei damit kaum glücklich sein dürfte, bezeugt der wesentlich größer gedruckte Schriftzug „Rye“.
In Deutschland hingegen gibt es keine derartigen Gesetze, keinen Zwang zur Bezeichnung als Single Grain oder Single Rye. Die geltende EU-Verordnung 2019/787, Anhang 1.2, gewährt den deutschen Brennern alle Freiheiten. Lediglich die Bezeichnung Single Malt darf nur dann verwendet werden, „wenn die Spirituose ausschließlich aus gemälzter Gerste in einer einzigen Brennerei destilliert wurde“. Hier, und nur hier, bindet das schottische Vorbild.
ⅡIrreführend:
Rye Whisky dann Single Grain zu nennen führt zwar auf ein schottisches Vorbild zurück – nur leider auf eines, das so gar nicht existiert. Rye Whisky ist in Schottland allenfalls eine Randerscheinung, eher ein Kuriosum. Der britische Gesetzgeber hatte keineswegs Rye vor Augen, als der Terminus Single Grain definiert wurde. Vielmehr geht es um Whisky aus Mais oder Weizen.
Diese Art Whisky findet nur selten den Weg zu einer eigenen Abfüllung und dient in erster Linie als Füllmaterial für Blend Whiskys, in denen Single Malts als primäre Geschmacksträger fungieren. Dass zu einem geringeren Renommeé des Single Grains geführt hat, ist bedauerlich. Mit den richtigen Fässern finden sich auch hier ganz vorzügliche Whiskys. Dennoch: die Erwartungshaltung an Single Grain ist durch dieses Stereotyp geprägt.
Geradezu absurd mutet die Beschreibung von Rye Whisky als Single Grain an, wenn wir die aromatischen Qualitäten von Mais und Weizen, also den typischen Grains, und die des Roggens miteinander vergleichen. Sie könnten verschiedener kaum sein. Wer die fruchtige, weiche Süße eines klassischen Single Grains bei einem Rye sucht, wird zwangsläufig enttäuscht.
Rye Whisky kann unter Single Grain subsumiert werden. Es führt aber in die Irre und wird vor allem dem Rye nicht ansatzweise gerecht.
ⅢDegradierend:
Obschon Single Grain nicht den besten Ruf genießt, liegt die eigentliche Degradierung auf einer anderen Bedeutungsebene. Sowohl Single Grain als auch Single Rye lehnen sich terminologisch an schottische Vorbilder an. …die es im Falle des Rye gar nicht gibt. Sich dem schottischen Diktat selbst dann zu ergeben, wenn gar keine Not dazu besteht, ist nichts weniger als eine Kapitulationserklärung des deutschen Whiskys.
Nicht einmal in einem Feld, das auf so einzigartige und kompetente Weise von deutschen Destillieren bespielt wird, wird der Ausbruch aus schottisch dominierten Denkmustern gewagt. Deutscher Rye Whisky hat als Unique Selling Point seine Experimentierfreude und die Tatsache, dass sogar die amerikanischen Großmeister des Ryes wenig Vergleichbares haben. Diese phantastische Entwicklung in Begriffe des Scotch Whisky pressen zu wollen, empfinde ich als Rye-Fan einfach als erniedrigend.
Deutschland ist ja nicht das einzige Roggenwhiskyland. Im Mutterland des Rye, den USA, käme doch kein Brenner je auf die Idee seinen traditionsreichen und angesehenen Rye Whisky als Single Grain deklarieren zu wollen, oder sich irgendwie an den Schotten abzustützen mit dem Krückenbegriff Single Rye. Unsere heimischen Brennereien produzieren inzwischen Rye, der international ohne weiteres mit den ganz Großen konkurrieren kann. Wer sich aber terminologisch in sein schottisches Schneckenhaus zurückzieht, gibt diesen Anspruch von vornherein auf.
Die (unbefriedigenden) Argumente dafür
Es stellt sich also die Frage, welche Argumente für die Termini Single Grain und Single Rye sprechen. Tatsächlich machen sich nicht alle Brenner darüber Gedanken. Auf Nachfragen, warum diese Begrifflichkeiten gewählt wurden, kam gerne ein „es ist halt so“ zurück. Offenbar wirkt hier das schottische Vorbild im Unterbewusstsein, hat sich so tief eingefressen, dass es gar nicht mehr hinterfragt wird.
Aber auch substantiellere Antworten vermögen nicht zu befriedigen. Einmal hieß es, Single Rye sei eine präzise, international gebräuchliche Bezeichnung und habe darum Vorzug verdient. Nur ist sie nicht international gebräuchlich, da hunderte Rye Whiskys aus aller Welt, auf die gleiches zutrifft, eben kein „Single“ mit sich führen. Es mag präzise sein, doch diese Präzision ergibt sich nur im Kontext von Blended Whiskys, die es im Falle des deutschen Rye Whiskys einfach nicht gibt.
Ein weiteres Argument lautet, der Vergleich mit Schottland könne gar nicht angedacht sein, weil die Schotten keinen Rye herstellen. Weswegen dann aber schottische Begrifflichkeiten genutzt werden sollten, erschließt sich daraus nicht.
Zuletzt wird bisweilen angeführt, dass deutscher Whisky aus Gerstenmalz auch Single Malt heiße. Doch was genau ist das Argument? Dass hier schottische Terminologie allgemein akzeptiert zum Einsatz kommt? Dass in Anlehnung daran Single Rye eine logische Folge ist? Unbestritten bestimmt hier das Vorbild Schottland; diesmal trifft es sogar zu, dass es sich um die international gebräuchliche Bezeichnung handelt. Auch amerikanischer, indischer oder japanischer Gerstenmalzwhisky heißt Single Malt, sofern er aus einer einzelnen Brennerei stammt. EU-Verordnung 2019/787 reguliert diesen Sprachgebrauch für deutschen Whisky. Dies auf den Rye zu übertragen, ist aber weder gesetzlich reguliert, noch international gebräuchlich. Es irritiert und ist eine verpasste Chance.
Die verpasste Chance: eigene Terminologie, eigener Stil
Deutscher Roggenwhisky ist deswegen so faszinierend, weil er ohne großes Vorbild funktioniert. Wo es beim deutschen Single Malt immer noch gelegentlich als Kompliment verstanden wird, dass er wie Scotch schmecke – was für ein dummes Geschwätz! Wenn ich Scotch will, trinke ich Scotch [der Autor ganz unprofessionell/privat] – hat der Rye keine so unsäglichen Vergleiche zu erdulden. Er eifert nicht den nordamerikanischen Granden nach und hat seine eigene Identität in nur wenigen Jahren geschaffen.
Diese Identität kann und sollte sprachlich zum Ausdruck kommen. German Rye Whisky zeichnet sich durch seine Verwendung vorbelegter Fässer aus und erzielt damit phantasische Resultate. Dies trifft natürlich auch auf andere europäische Ryes zu, doch umso dringender wäre es, den deutschen Roggenwhisky jetzt zu definieren – im Sprachgebrauch wie im rechtlichen Sinne. Die schottischen Trümmerreste im Denken der heimischen Whiskybrenner jedenfalls müssen beseitigt werden, um den Weg freizumachen für German Rye.
[…] deutsche Brennereien allzu willentlich schottische Terminologie aufnehmen um ihren Roggen- oder Weizenwhisky zu beschreiben, sträubt sich […]
[…] Noch sind wir davon nämlich weit entfernt. Noch insistieren manche deutsche Brenner auf einer völlig unsinnigen, schottisch geprägten Definition des Ryes als Grain Whisky oder anderen irreführenden Sperenzien. Sie degradieren damit den deutschen Rye zu einer abwegigen Unterart des Grains, der ja eigentlich durch Mais charakterisiert ist. Diese schottische Denomination gehört abgeschafft. Sie ist ahistorisch, nutzlos und gefährlich. […]