Pikesville Rye

Ein Flaggschiff-Produkt

Von Maryland nach Kentucky

Wie so mancher amerikanischer Whiskey trägt der Pikesville Rye einen illustren Namen: es war der letzte der Ryes aus Maryland. Der kleine Bundesstaat an Amerikas Ostküste, der auch durch deutsche Einwanderer maßgeblich geprägt wurde, war ein Zentrum für die Herstellung von Rye Whiskey. Allerdings ruinierte die Prohibition die Existenzgrundlage der meisten Brennereien und nur Pikesville überlebte, bis auch sie 1972 schließen mussten.

Die Namensrechte fielen dem Whiskey-Giganten Heaven Hill zu und im Jahre 2015 legte er den Pikesville Rye neu auf, diesmal gebrannt in Kentucky. Inwiefern er dem Maryland Style des Ryes treu bleibt, sei dahingestellt, zumal es keine historisch verallgemeinerbare Definition desselben gibt. Zufällig ist die Markeinführung eines Whiskeys mit diesem altehrwürdigen Namen aber keinesfalls. Denn in den letzten Jahren sind eine Reihe von neuen Brennereien in Maryland entstanden, die sich anschicken, die alte Tradition wiederzubeleben. Ein paar ihrer Produkte erreichen sogar uns auf der anderen Seite des Atlantiks, wie z.B. der Sagamore Rye.

Darüber hinaus war es angesichts des Rye-Booms höchste Zeit, dass Heaven Hill sein Roggenwhiskyportfolio erweitert. Neben schwer erhältlichen Parker’s Heritage-Sonderabfüllungen hatte bislang nur der Rittenhouse Rye die Flagge hochgehalten. Dieser hervorragende Whiskey besticht durch ein grandioses Preisleistungsverhältnis, liegt aber dennoch eher in der Mittelklasse verortet. Der Pikesville Rye soll nun die Rolle eines echten Premium Rye Whiskeys übernehmen.

Tradition und Moderne

Der große Bruder des Rittenhouse

Hartnäckig hält sich das Gerücht, der Pikesville Rye sei im Grunde ein älterer, stärker abgefüllter Rittenhouse. Die oft kolportierte Mash Bill jedenfalls ist für beide identisch: 51% Roggen, 37% Mais und 12% gemälzte Gerste. Das ist eine recht typische Mischung für einen Rye aus Kentucky, die alle eher am unteren Ende des Roggengehaltes operieren – und damit eben recht nah am Kentucky Straight Bourbon bleiben.

Dies macht es gerade Bourbon-Trinkern leicht, sich an den Rye heranzutasten. Höhere Roggenanteile wie früher in Pennsylvania oder heute in Europa üblich, weichen wohl zu sehr von den süßlichen Aromen gewohnten des Mais‘ ab. Zwar gibt es auch mutigere Kentucky Ryes, aber dass Heaven Hill erst einmal bei bewährten Rezepten bleibt, verwundert nicht.

Dasselbe gilt auch für die sonstigen Eckdaten. Die sechs Jahre Reife sind für einen US Whiskey beachtlich, die Alkoholstärke liegt mit 55% ABV nur etwas unter Barrel Strength. Das sind die erwartbaren Merkmale eines US-Premium-Whiskeys.

Nase

Sofort steigt schweres Karamell in die Nase, doch dessen Süße ist bemerkenswert eingehegt. Dafür sorgen ein deutliches Aroma von getoasteter Schwarzbrotkruste und frische Noten von Minze, dazu etwas Würze von Zimt und Nelke. Ein leichter, aber merklicher Anflug von Aceton lässt wenig Zweifel am hohen Maisgehalt aufkommen.

Geschmack

Auf der Zunge liegt erneut Karamell, das noch etwas süßer ist als es in der Nase war. Marzipan und Popcorn verstärken diesen Eindruck, zumal der Whiskey etwas an Frische verliert. Überhaupt wirkt er jetzt immer mehr wie ein Bourbon. Jedoch erinnern Zimt und Nelke weiterhin daran, dass es sich um einen Rye handelt. Kakaopulver rundet diesen Eindruck ab.

Abgang

Der Nachhall ist ewig lang und holzig, passt perfekt als Abschied für so einen Whiskey.

Ein perfekter Sommerwhiskey

Fazit: so geht Rye auch

Der Pikesville Rye begeistert seit seiner Einführung die amerikanische Whiskeywelt. Selbst Jim Murray war kurz davor, ihn zum besten Whisky des Jahres 2016 zu erklären, entschied sich dann aber – wer hätte es anders vermutet? – für den skandalträchtigeren Crown Royal Northern Harvest Rye.

Dass er jenseits des Atlantik so gut ankommt, wundert wenig. Ein Zyniker mag anmerken, dass der Pikesville Rye vielleicht am besten als ein extra-High Rye Bourbon zu verstehen ist. Das greift aber zu kurz. Die Roggen-DNA ist viel zu deutlich ausgeprägt, auch wenn hier ganz klar Konzessionen an Bourbon-Liebhaber gemacht wurden.

Uns stört das wenig. Auch diese Spielart des Rye hat seine Berechtigung und sie ist hier in Perfektion umgesetzt. Rein Qualitativ beweist der Pikesville Rye, dass den USA als Mutterland des Roggenwhiskeys eben doch noch die Krone gebührt.

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