Freimeister Rye 094

Rüdiger Sasse beim Freimeisterkollektiv

Das Freimeisterkollektiv in Berlin und die Feinbrennerei Sasse

In der Welt der Spirituosen ist das Freimeisterkollektiv eine kleine Perle. Entstanden als Zusammenschluss vom Brennern und Gastronomen zur Herstellung hochwertiger Spirituosen, fungiert es als Dachmarke für ihren möglichst günstigen Vertrieb bei größtmöglicher Transparenz. Im Vordergrund stehen dabei die Destillateure, die auf den einheitlich schlicht gestalteten Etiketten abgebildet sind, zusammen mit eben allen relevanten Informationen zum Produkt. Dass Freimeister die ausgetretenen Pfade gerne verlässt, bezeugen die nunmehr drei Whiskeys in ihrem Angebot: zwei Ryes und ein Corn, letzterer mit einem Speckbirnefinish. Derartiges ist selten, sogar im innovationsfreudigen, doch Single Malt-lastigen Whisky-Deutschland.

Der erste Rye, der von Rüdiger Sasse, ist seit 2017 erhältlich. Die Münsterländische Feinbrennerei Sasse dürfte dem ein oder anderen Whiskyfan ein Begriff sein, obwohl Whisky eher selten im Programm steht. Denn nicht nur produziert Sasse den Lagerkorn, bei dem sich gut die Frage stellt, ob es sich hierbei um Whisky handelt oder nicht – der Cigar Special Lagerkorn gewann in London 2010 den Preis für den besten Whisky Kontinentaleuropas…  sondern Sasse stellt auch Whisky unabhängigen Abfüllern zur Verfügung. Der FMK Rye 094 wäre aus Sicht der Whiskyfans wohl am ehesten als solches Projekt zu sehen.

Goldener Rye in der Morgensonne

Straight Rye Whiskey

Die Kategorie des Straight Rye Whiskeys gibt es in Deutschland nicht und seine Verwendung haben wir schon beim Nine Springs Rye moniert. Allerdings bezieht sich Sasse ganz bewusst auf amerikanische Traditionen, insofern sei etwas Nachsicht geübt. Und wenigstens ist es kein Single Rye oder ähnlich pseudo-schottischer Nonsens. Völlig korrekt wird dagegen die Tatsache hervorgehoben, dass deutsche Auswanderer dem frühen amerikanischen Rye Whiskey ihren Stempel aufdrückten und an diese Geschichte möchte der 094er anknüpfen.

[Anbei: wir möchten über diesen Aspekt der amerikanischen Whiskeygeschichte auf jeden Fall noch berichten.]

Der Whiskey besteht ganz aus Roggen, wobei 75% ungemälzt sind und 25% Roggenröstmalz für die Verzuckerung sorgen. Dieser hohe Anteil gemälzten Roggens ist für amerikanischen Rye untypisch, die öfter mit einem Anteil von 5% operieren, gern auch mit Gerstenmalz. Für den Rohbrand kommt eine Destillationskolonne zum Einsatz, für den Feinbrand jedoch eine Kupferbrennblase. Und obwohl amerikanische Weißeichenfässer zur Lagerung verwendet wurden wie auch jenseits des Atlantiks, wurden diese getoasted, nicht aber ausgebrannt. Um genau zu sein, die Dauben wurden für 70 Minuten bei 200°C geröstet. Derartige Detailinformationen finden sich auf der Website des FMK in großer Zahl. Etwas weniger präzise ist die Angabe der Reifezeit, die zwischen drei und fünf Jahren liegt, also im Mittel für Rye.

Abgefüllt mit 48,2% ABV liegt hier ein recht eigenwilliger Rye vor, der sich aber nach Ausweis der Eckdaten nicht zu weit von den Vorbildern und Traditionen entfernt hat.

Nase

Der Whiskey muss atmen, da zunächst eine deutlich alkoholische Note über allem liegt, die sich bald verflüchtigt. Ein paar typische Rye-Noten wie Minzfrische und Nelkenwürze sind vorhanden, aber auch Pfenchel und Kaffeeröstaromen. Ein Vanillebett sorgt für Süße, eventuell eist dies der getoasteten Eiche geschuldet, die sich sonst zurückhält. Eine spritzige Fruchtigkeit von Zitrone rundet den Eindruck ab, der insgesamt recht leicht, für einen Rye ja beinahe floral erscheint. Leider kommt auch eine parfümierte, sonst schwer definierbare Fehlnote hinzu.

Geschmack

Während die Nase sich dezent gibt, dröhnt der 094er auf der Zunge. Mächtig und schwer wirkt seine Süße, wie eine Schokolade mit leicht höherem Kakaoanteil und buttrigen Nüssen. Ganz hervorragend dazu passt die punktuell verstärkte Würze von schwarzem Pfeffer, die komplementär anstatt wie bei anderen Ryes dominant erscheint. Seine frisch-spritzige Fruchtigkeit bewahrt sich der Whiskey, auch wenn sie etwas zurückgedrängt wird. Dennoch zeigen sich milde Zitrone und grüner Apfel, vielleicht ein paar Beeren.

Abgang

Es bleibt besonders die Würzigkeit und sie bleibt lange. Für einen Rye ist dies ein würdiger Abgang.

Diesmal in der Abendsonne

Fazit: starker Rye zum fairen Preis

Dies war nicht unser erster Tanz mit dem Rye 094. Tatsächlich war es vielleicht der erste Rye, der hier auf dieser Website erwähnt wurde und wir genossen ihn schon damals sehr. Und es ist auffällig, wie sehr sich unsere Notizen von damals mit denen heute decken. So ist die Nase nach wie vor der wohl schwächste Aspekt dieses Whiskeys, ganz sicher bereitet sie nicht darauf vor, was den Gaumen erwartet. Im Mundraum hingegen zeigt er sich von seiner besten Seite und sein Nachklang überzeugt gleichsam.

Lobenswert ist aber, dass sich das Fass zurücknimmt, ohne zu schwach zu wirken. Dadurch gewinnt der Roggen in seinen beiden Spielarten, gemälzt und ungemälzt, Raum zur Entfaltung. Dies erklärt womöglich die etwas frischeren, etwas fruchtigeren Eindrücke. Überhaupt weißt der Rye 094 eine erstaunliche Komplexität auf, ohne dass es eines Fassfinishes bedürft hätte. Allein dieser Umstand kann kaum genug betont werden.

Der Preis ist mit 25 bis 30 Euro für den halben Liter mehr als angemessen. Das Kollektiv spart alles Unnötige weg: Verpackung, aufwendige Labels und Flaschendesign. Eine simple Gradhalsflasche und eine minimalistische, doch informative Etikettierung haben aber auch was für sich. Inzwischen ist mit dem schon erwähnten Nine Springs Rye starke Konkurrenz im selben Preissegment erwachsen. Und das ist gut so. Dass es in Deutschland eine Reihe ausgezeichneter höherpreisiger Ryes gibt, ist nichts Neues. Dass das untere Preissegment ebenso immer besser aufgestellt erscheint, kann nur Anlass zur Freude sein.

Wir hoffen sehr, dass sich das Freimeisterkollektiv noch anderer kleinerer deutscher Brennereien und ihres Roggenwhiskys annimmt. Da gibt es sicher eine Menge zu entdecken.

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