Slyrs Rye

Der erste Roggenwhisky von Slyrs

Eine Premiere: Rye vom Schliersee

Slyrs ist ohne Zweifel einer der Eckpfeiler des deutschen Whiskys. Dass der Gründungsmythos um fünf angeblich iro-schottische Mönche, die den Schliersee gälisch Slyrs nannten, keiner historisch-kritischen Prüfung standhält, haben wir an anderer Stelle bereits besprochen. Inzwischen ist Slyrs als Marke ohnehin so etabliert, dass der Mythos Teil der verifizierbaren Geschichte der Brennerei ist.

Die Bayern sind bislang durch ein beachtliches Portfolio an Single Malts aufgefallen, das für nahezu jeden Fall etwas bereithält. Neben den typischen Finishes in verschiedenen Starkweinfässern etwa gibt es den kräftigen 51, der unser Favorit ist, oder die jährlich wechselnden Sonderabfüllungen zum Oktoberfest und die ebenfalls jährlich aktualisierte Mountain Edition. Und auch ein Whisky mit der magischen Altersangabe 12 fehlt nicht.

Wenn nun dieses Urgestein des deutschen Single Malts sich für Rye entscheidet, bezeugt dies erneut die wachsende Beliebtheit dieses Getreides. Noch scheint Slyrs eher den kleinen Zeh in die weite See des Ryes stippen zu wollen, denn ihr Erstling wirkt noch sehr vorsichtig – aber durchdacht.

Goldener Rye in der Abendsonne

Klassischer Ansatz?

Die Maische besteht in der Mehrheit aus Roggen, der nicht gemälzt wurde, hinzu kommen Weizen und Gerstenmalz. Letztere ist für die enzymatische Aufspaltung der Stärke vor dem Fermentationsprozess erforderlich und durchaus üblich bei Ryes aus ungemälztem Roggen. MGP hat mit der Mash Bill von 95% Roggen plus 5% Gerstenmalz einen Gutteil der amerikanischen NDP Ryes (Non Distillery Product) versorgt, wie z.B. den Bulleit Rye.

Ob der Hinzugabe des Weizens jedoch bin ich skeptisch. Der weich-fruchtige Charakter des Weizens steht in vieler Hinsicht der Roggenwürze diametral entgegen und die mir bekannten Whiskys, die diese Kombination versucht haben, waren wenig überzeugend. Die hatten allerdings auch einen (vermutlich) wesentlich höheren Anteil an Weizen, während er hier nur eine Ergänzung sein sollte. Außerdem soll der gewählte bayerische Roggen ein besonders süßes Malz erzeugen, was gut passen könnte.

Gereift wurde der Rye für drei Jahre in Fässern aus stark ausgebrannter amerikanischer Eiche; Slyrs geht hier also ganz bewährte Wege nach dem Vorbild der USA. Neben der hohen subtraktiven Wirkung der Holzkohleschicht bei der Reifung, die den Whisky weich und rund macht, gibt das Fass eine Menge Süße ab. Dies harmoniert erfahrungsgemäß hervorragend mit Rye.

Die Alkoholstärke beträgt 41% ABV, ist also relativ zurückhaltend.

Nase

Obwohl die Fruchtigkeit für einen Rye überraschend und damit als erstes auffällig ist, begrüßt doch das typische US-Rye Aroma von Karamell und pfefferiger Würze die Nase. Die besagten Fürchte sind besonders reifer Apfel und Pfirsich; sie erscheinen sehr süß. Gegen Ende kommt wieder etwas Eichenwürze.

Geschmack

Die Fruchtigkeit ist auf der Zunge zwar noch vorhanden, allerdings übernimmt die Würze hier sehr deutlich die Führung. Pfeffer, Koriander und vor allem Anis geben dem Whisky eine interessante Wendung, die dann zu einer deutlichen Lakritznote und einem Hauch Kräuter führt. Eine gute Prise Zimt und Zucker, plus Karamell vom Fass runden diese Eindrücke gekonnt ab. Tatsächlich ist die Süße präsenter als erwartet.

Nur ist das Mundgefühl etwas wässerig und es braucht schon große Schlucke, um die Zunge zu belegen. Überhaupt sind die Geschmäcker recht subtil.

Abgang

Hier liegt vielleicht der größte Kritikpunkt, weil der Whisky nicht genug Kraft hat, um bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Es ist vor allem eine Erinnerung an Anis, die zurückbleibt.

Umgeben von Denkmälern

Fazit: ein guter Start, aber…

Ein solches „Aber“ verheißt selten Gutes. An dieser Stelle ist es vor allem eine Differenzierung und zwar eine, die es dringend braucht. Die Rezensionen für diesen Whisky schwanken zwischen überschwänglich und vernichtend. Wir bei DoktorWhisky.de haben aber keine Zeit für schlechten Whisky, schon deswegen folgt kein Verriss.

Tatsächlich hat der Slyrs Rye einige bemerkenswerte Qualitäten. Er bringt eine distinkte Würze, vereint diese gekonnt mit der altbewährten Süße der amerikanischen Eiche mit Alligator Char und etwas Fruchtsüße. Zusammen mit der Absenz von allzu auffälligen Kräuternoten entsteht ein spannendes Geschmacksprofil. Und hier kommt das „Aber“. Die 41% ABV reichen kaum aus, dieser Aromatik die nötige Durchschlagskraft zu verleihen. Zudem bin ich mir nicht ganz sicher, ob die Fruchtsüße wirklich passt, das wiederum jedoch ist reine Geschmackssache.   

Ich hatte den Whisky schon 2021 probieren können und war wenig begeistert. Zu schwach, zu süß, zu wenig Würze lautete mein Ersteindruck. Erst auf Insistieren von Kilian Jonscher (Brenner bei Slyrs) habe ich ihn erneut gekostet. Mein Zweiteindruck war besser und da Kilian eine sympathische Art an sich hat, habe ich doch noch einen Slyrs Rye gekauft.

Dessen gründliche Rezension enthüllt das Potential, das in diesem Whisky liegt. Vermutlich braucht es nur mehr Prozente, damit wir qualitativ nach vorn springen. Und wer weiß, was etwas gewagtere Fässer oder eine leicht andere Maische bewirken. Kilian deutete schon an, dass sich an der Front 2023 was tun könnte. Wir sind gespannt!

Für Rye-Fans lohnt sich jetzt schon ein probieren, da hier eine klare Akzentverschiebung gegenüber dem Geschmacksprofil der meisten anderen deutschen Ryes versucht und gut umgesetzt wurde. Eine unumschränkte Empfehlung kann es aber nicht geben. Und warum auch? Die Kunst der Differenzierung ist ebenso wichtig wie die Kunst des Destillierens. Das „Aber“ ist daher nötig wie nützlich.

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