Woodford Reserve

Ein Bourbon für Scotch-Fans?

Woodford Reserve und Kulturgeschichte. Der Anfang

Bevor sich alle gelangweilt abwenden: Kulturgeschichte fassen wir sehr weit. Da gehört auch Two and a Half Men zu, wo der Woodford Reserve eine besondere Rolle spielt. Diese Rolle hat uns auch dazu veranlasst, über diesen Whisky zu schreiben, gleichwohl es schon hunderte Rezensionen gibt. Viele unserer Leser dürften den Woodford Reserve ohnehin schon probiert haben, daher fokussieren wir uns in dieser Besprechung auf seine Bedeutung für die Wahrnehmung von Bourbon.

Bourbon galt fast ein halbes Jahrhundert als der zurückgebliebene Verwandte des weitaus kultivierteren Scotches, höchstens gut genug für Cocktails. Selbst in den USA fand sich in den besseren Hausbars selten ein Bourbon, sondern wesentlich prestigeträchtigerer Whisky von den britischen Inseln. Bis zum Jahr 1996.

1996 veröffentlichte Labrot&Graham einen Bourbon, der dem Scotch in jeder Hinsicht Konkurrenz machen sollte, v.a. bezüglich der Komplexität. Destilliert wenigstens z.T. auf Brennblasen, statt auf den hohen US-Destillationskolonnen, und versehen mit hervorragendem Fassmanagement, versprach der Woodford Reserve „eine neue Art premium Bourbon“ (a new breed of premium Bourbon). Das schlug sich dann auch sowohl im exklusiven Flaschendesign, als auch im für damalige Verhältnisse anspruchsvollen Preis nieder.

Horst Lüning und Charlie Harper. Die 2000er

Tatsächlich veränderte der Woodford Reserve die Wahrnehmung von Bourbon. Zwei schöne Beispiele dafür sind Charlie Harper in der Sitcom Two and a Half Men und Horst Lüning in seinen Whiskybesprechungen. Wer hätte gedacht, dass diese beiden einmal im selben Atemzug genannt werden?

Charlie Harper begann im Laufe der 6. Staffel von Two and a Half Men regelmäßig den Woodford Reserve zu trinken. Der Bourbon nahm damit die prestigeträchtige Stellung des hochwertigen, teuren Whiskys ein, den der Frauenheld in seiner Dekadenz genoss – eine Stellung, die zuvor ausschließlich dem Scotch Single Malt vorbehalten war, etwa dem Talisker 10 oder Glenlivet 12. Damit wurde ein Trend aufgenommen, gutem Bourbon eine ähnlich hohe Qualität wie Scotch einzuräumen, und zugleich verstärkte der häufige Konsum des Woodford Reserve in einer vielbeachteten Serie diesen Trend natürlich.

Auf der anderen Seite des Großen Teichs brach Horst Lüning eine Lanze für den Woodford Reserve auf seinem Kanal. Er tat damit wohl mehr für die Reputation des Bourbons hierzulande, als alle Influencer und Brand Ambassadors zusammen. Es war zwar nicht der erste Bourbon, der die Ehre hatte, von Horst Lüning besprochen zu werden, stand aber relativ am Anfang und wurde häufig geklickt. Die Verbindung vom beinahe hymnischen Lob auf dem meistgeschauten deutschen Whiskykanal und dem Alleinstellungsmerkmal der Pot Stills ließ selbst stärkste Vorurteile bröckeln. Plötzlich tranken gestandene Maltheads einen Bourbon. Seit dem bekam ich sehr häufig zu hören, dass Bourbon ja nichts tauge – außer der Woodford Reserve. In Deutschland erarbeitete er sich einen Sonderstatus, der sogar heute noch in den Reviews auf Whisky.de durchscheint.

Der Woodford Reserve heute

Die Konkurrenz im Bereich hochwertigen Bourbons ist seit den 90ern geradezu explodiert. Der Woodford Reserve steht heutzutage also nicht mehr allein da und wirkt weniger beeindruckend. Das ist vermutlich der Grund, warum Labrot&Graham die Range kontinuierlich ausbaut. Dennoch hat sich die Standardabfüllung (Distiller’s Select) seinen Platz in jeder guten Hausbar verdient.

In Deutschland ist der Genuss ein wenig getrübt, weil Brown-Forman lediglich eine verdünnte Variante anbietet, mit 43,2% statt der in den USA üblichen 45,2% ABV. Ich habe die beiden nebeneinander verkostet und der Unterschied ist deutlicher, als die 2% suggerieren. Vielleicht wurden andere Fässer für die europäischen Abfüllungen verwendet, jedenfalls sind sie geschmacklich leider unterlegen. Wir besprechen die hierzulande erhältliche Variante, zumal sie dessen ungeachtet eine lohnende Erfahrung ist.

Nase

Die Nase ist für einen Bourbon sehr dezent und erleichtert gerade den Scotch-Fans den Einstieg. Die Aromen selbst sind allerdings recht typisch für Bourbon, v.a. Karamell und Vanille. Dazu kommt gebackene Banane mit Honig. Darunter liegen allerdings dunkle Früchte, bemerkenswert ist v.a. die Pflaume. Einen weiteren Kontrapunkt setzen ledrige Aromen, zu denen sich etwas Tabak gesellt. Diese Nase lädt definitiv zum Trinken ein.

Geschmack

Im Mund ist der Woodford Reserve eher dezent. Wo andere Bourbons die Zunge fast überrollen, übt er schottische Zurückhaltung. Der Geschmack entspricht jedoch, wie in der Nase, den Erwartungen. Die Kombination von Karamell und Vanille dominiert den Mundraum, unterlegt von etwas Eichenwürze und Pfeffer. Mandel und Walnuss runden diese Eindrücke ab. Interessant sind die präsenten, aber hintergründigen Zitrusfruchtaromen, die für eine schöne Frische sorgen. Insgesamt ist besonders die Balance zu loben. Allenfalls ein wenig zu dünn wirkt der Woodford Reserve bisweilen.

Abgang

Der Abgang ist lang und erneut sehr gut balanciert; Süße und Würze halten sich die Waage, obwohl gegen Ende doch die Eiche durchschlägt.

Fazit. Ein Bourbon für Scotch-Fans?

Auch Ende 2019 noch macht der Woodford Reserve einen guten Eindruck. Er ist sicher nicht mehr der Game Changer, der er vor 20 Jahren war, aber sein Einfluss ist auch heute noch spürbar. Er hat großen Anteil daran, dass sich der Ruf des Bourbons signifikant gebessert hat. So spricht er auch Scotch-Fans an, besonders in Deutschland.

Woran liegt das? Natürlich ist Horst Lüning ein Faktor, aber auch das Geschmacksprofil trägt einiges dazu bei, dass der Woodford Reserve Scotch-Fans den Einstieg in die Welt des US Whiskeys ermöglicht. Seine vergleichsweise zurückhaltende Art und beachtliche Komplexität stellen tatsächlich eine Nähe zu schottischem Whisky her, geben allerdings ein zentrales Charakteristikum von vielen guten Bourbons auf: die überfallartige Intensität.

Positiv betrachtet ist der Woodford Reserve ein Brückenbauer und verbindet zwei Whiskykulturen. Dass er darüber hinaus in der Popkultur der letzten Jahre präsent war, verstärkt diese Rolle nur. Im Prinzip sollte jeder, der sich irgendwie für Whisky interessiert zumindest einmal den Woodford Reserve probieren.

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