Tennessee Rye Whisky

Tennessee Rye Whisky

That Boutique-y Whisky Company

Atom Brands

That Boutique-y Whisky Company von Atom Brands gehört zu Inbev, die vielleicht besser für ihre Biermarken wie Becks bekannt sind. …und Corona. Das soll aber nicht stören, denn dieser unabhängige Abfüller verfügt über ein extrem breites Portfolio, das eine bemerkenswerte Aufgeschlossenheit bezeugt: neben den schottischen Standards finden sich Whiskys aus aller Welt, so auch dieser Rye Whisky aus Tennessee. Der ist Teil ihrer Rye Series, in der schon der 2-jährige Empire Rye oder der 3-jährige Stauning Rye erschienen sind.

Die Abfüllungen stechen allein wegen ihrer Labels im Stil von Graphic Novels  ins Auge, die popkulturelle Referenzen ebenso beinhalten wie Anspielungen auf Insiderwitze der Whiskyszene. Zudem kommen sie immer mit klaren Altersangaben, auch wenn dies manchmal – wie in diesem Fall – kaum nötig erscheint. Transparenz allerdings wird gerade von jenen Whiskyfans geschätzt, die gern unabhängige Abfüllungen kaufen.

Die Transparenz hat natürlich Grenzen. Gelegentlich möchten Brennereien nicht, dass ihr Name auf den Flaschen unabhängiger Abfüller steht, oder sie möchten einfach zu viel Geld dafür haben. Es ließe sich trefflich darüber streiten, wie sinnvoll das ist, zumal die Destille hinter dem vorliegenden Whisky ein offenes Geheimnis zu sein scheint.

Luxushotel und Luxuswhisky

Das offene Geheimnis und die bleibende Frage

That Boutique-y Whisky Company baut gern Hinweise auf die Herkunft der Abfüllung in die Gestaltung des Etiketts ein: sowohl der Wasserfall (Englisch: cascade) und der Sichelmond deuten klar auf die Cascade Hollow-Brennerei hin und ihren George Dickel Whisky, der lange mit ebenjenem Sichelmond und dem Slogan „Mellow as Moonshine“ beworben wurde. Die Schreibweise des Wortes Whisky ohne e gibt weitere Gewissheit, dass es George Dickel sein muss.

Tatsächlich stellt die nachdem gleichnamigen deutschen Emigranten benannte Brennerei ihren Whisky für unabhängige Abfüller zur Verfügung. So konnten wir vor ein paar Jahren den Trail of Tears von Best Drams verkosten.

George Dickel brennt seinen Rye Whisky aber nicht selbst. Das Destillat kommt von MPG, und das mit der dort typischen Maische von 95% Roggen und 5% gemälzter Gerste. George Dickel lässt es jedoch den Lincoln County-Prozess durchlaufen, also der zusätzlichen Filtrierung durch Holzkohle. Danach wird es für vermutlich vier bis fünf Jahre in stark ausgekohlten (Aligator Char) Fässern gereift und als Rye Whisky mit 45% ABV abgefüllt. Das entspricht den Eckdaten der vorliegenden Abfüllung.

Allein: das George Dickel-Produkt nennt sich gerade nicht Tennessee Rye Whisky, weil die Destillation nicht in Tennessee stattgefunden hat. Insofern ist interessant, dass die Boutique-y Whisky Company diese Herkunftsbezeichnung führt. Da wäre ein Blick in die Gesetzeslage hilfreich, aber das führte hier zu weit.

Geschmacklich bilden das Roggendestillat, die frischen Eichenfässer und die massive Filtrierung durch Holzkohle eine spannende Kombination. Der Roggen bringt Würze und Kräuter, die ausgebrannten Fässer viel Süße ab und die zusätzliche Filtrierung macht das Ganze samtweich. Ob dies zusammenpasst?

Da Eckdaten des Boutique-y Tennessee Rye Whisky und des George Dickel Rye praktisch identisch sind, stellt sich zudem die Frage nach den Unterschieden. …Es dürfte die Fassauswahl sein. Genau die ist, was unabhängige Abfüller in erster Linie interessant macht. Jedes Fass ist ein Unikat, so auch der darin gereifte Whisky. Daher kommt auch der Trend zu Single Barrels in den USA und – neuerdings – auch Single Casks in Schottland.

Nase

Vanille und Honig strömen in die Nase, dazu gekochte Banane. Begleitet wird diese Süße allerdings durch frische Piniennadeln und Minztee. Etwas Nelke und milde rosa Beeren rundet diese Eindrücke ab. Insgesamt ist die Nase sehr gut balanciert, kommt aber mit überraschender Kraft daher.

Geschmack

Im Mund gibt sich der Whisky zunächst wesentlich frischer und würziger. Nun kommen Pfeffer und Ingwer zum Zuge, Minze und Pinie werden stärker, ohne dass der Whisky allerdings an Balance verliert. Denn die Vanille weicht nicht, auch die Banane ist noch deutlich zu schmecken. Überhaupt bricht keiner der Geschmäcker aus, alles bleibt sanft balanciert. Diese reine Beschreibung liest sich wohl wilder als der Whisky auf der Zunge ist.

Abgang

Mittellang und würzig, wobei die Würze diesmal eher von der Eiche zu rühren zu scheint, zumal auch die Vanille noch präsent ist.

Fazit: Milde Balance zu einem fairen Preis

Dafür, dass dieser Whisky einen Roggenanteil von 95% in der Maische hat, ist er extrem mild. Die Würze, die so ein hoher Roggenanteil verspricht, ist vollständig vorhanden, aber eben in seiner Schärfe abgemildert. Auch die überbordende Süße mancher amerikanischer Whisk(e)ys ist ob der Maische gezügelt.

Der Boutique-y Tennessee Rye Whisky repräsentiert eine interessante Spielart des Rye Whiskys, setzt sie gekonnt um und passt daher gut in die Rye Series. Es wäre interessant zu erfahren, wie sich dieser Whisky bei höherem Alkoholgehalt entwickelt. 45% sind gerade genug, um die Aromen nach vorn zu schieben.

George Dickel ist in Deutschland leider nur zu überzogenen Preisen zu erhalten. Der Rye etwa kostet in den USA etwa $20 bis $25, hierzulande müssen eher 60€ her (wenn auch für den Liter) – so er denn überhaupt erhältlich ist. That Boutique-y Whisky Company schlägt mit 35€ zu Buche, bei einem halben Liter. Mit anderen Worten: für ein ausgesuchtes Fass zahlen wir in Deutschland marginal mehr. Und das ist ein guter Deal, zumal das schöne Etikett dem Auge mehr bietet als das biedere George Dickel-Hausdesign.

Da uns Whiskys aus Cascade Hollow immer seltener und zu immer höheren Preisen erreichen, sind unabhängige Abfüllungen wie die hier besprochene eine willkommene Alternative. Aber auch Fans des Rye Whiskys im Allgemeinen können angesichts des fairen Preises nicht viel falsch machen.

1 Comment

Leave a Comment