Die Geschichte des Jim McEwan

Rezension

Rezension der Autobiographie

Die Autobiographie eines Whiskygiganten

Jim McEwan ist einer der ganz großen Namen in der Welt des Scotch Whisky: Bruichladdich, Port Charlotte, Octomore sind nur die weltbekannten Höhepunkte einer langen Karriere. Fünfzehn Jahre lang prägte er als Production Director und Master Blender von Bruichladdich die Geschichte dieser wieder auferstandenen Brennerei, bevor er 2015 in den Ruhestand trat. Manche schreiben ihm gar eine Renaissance des Islay Whiskys in den 2010ern zu, obwohl die drei südlichen Islay-Brennereien dies wohl anders sehen dürften.

Jim McEwan ist ein echter Ileach, geboren 1948 in Bowmore. Fast sein gesamtes Leben und Wirken galt der Insel Islay – ein schönes Beispiel für Regionalität selbst in einer gnadenlos globalisierten Welt. Sein Weg führte ihn bald als Küferlehrling zur Bowmore Distillery und damit begann seine Reise durch die Whiskywelt, ohne der Insel jemals den Rücken zuzukehren. Erst nach seinem Ruhestand siedelte Jim McEwan nach Glasgow über.

Und so ganz ruhig wollte er es dann doch nicht. Er gab Ardnahoe 2017 Starthilfe und zusammen mit Udo Sonntag vom Plassen Verlag verfasste er 2020 seine Lebensgeschichte. Der über 500 Seiten starke Band liegt nun vor. Und was für Band!

Natürlich gehört ein Dram zur Lektüre.

Ein Buch für Liebhaber

Schon die Optik beeindruckt. Großformatig, gut gebunden mit hoher Papier- und Abbildungsqualität gibt der Verlag sein Bestes für den Großmeister. Dass vereinzelte Stimmen in den sozialen Medien den Preis von 68,50€ monieren, zeichnet ein bedenkliches Bild von der schwindenden Rolle des Buchs in unserer Gesellschaft. Bücher sind ein Kulturgut. Daher gibt es auch die Buchpreisbindung und der von Plassen aufgerufene Preis ist für die gebotene Qualität nur fair, allzumal unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. (Ganz abgesehen davon: 68,5% ist die Alkoholstärke des Spirits bei Bruichladdich).

Was wir hier haben, ist ein Buch für Liebhaber. Es lädt zum genüsslichen Schmökern am Holztisch ein, das Glas Whisky direkt daneben.

Die Erzählung ist dabei weitgehend chronologisch strukturiert, reich bebildert und mit zahlreichen großgedruckten Zitaten aufgelockert. Ein ebenfalls großzügig dimensioniertes Schriftbild erlaubt die schnelle Lektüre, sodass die Seiten fliegen.

Die ein oder andere Flasche muss dran glauben…

Details: Anekdoten und Einsichten

Der Umfang der Biographie gründet sich zuvorderst auf der Detailverliebtheit und Erzählfreude Jim McEwans. Er würdigt, dankt und ehrt die Rolle jeder Person, die sein Leben in der Whiskywelt bereichert hat, angefangen schon bei der heute fast bescheiden anmutenden Lehre in der Küferei.

Spannend ist dies auch für Historiker wie mich, da sie Einblicke in eine andere Zeit werfen, sei es der 5 o’clock Zweifinger-Drink, also einem von Zeigefinger bis kleinem Finger gefüllten Glas Newmake auf Arbeit, sei es die Landung einer Hubschrauberstaffel japanischer Kaufleute im Hof.

Die unzähligen Anekdoten stören dabei weder den Erzählfluss noch meandert der Erzählstrang. Zudem erlaubt die chronologische Anordnung des Materials die klare Darstellung von Entscheidungsprozessen, die gerade die Whiskyfans mit Wissensdurst erfreut. Das Buch ist nämlich gleichermaßen Autobiographie wie Entstehungsgeschichte einiger der berühmtesten Islay-Whiskys überhaupt.

Bruichladdich steht für Innovation und hier wird deutlich, woher diese Innovation kam und wie sie mit Bravour in die Tat umgesetzt wurde.

Viele Informationen und Photos

Fazit: klare Zielgruppe, klare Empfehlung

Das Buch hat eine glasklare Zielgruppe, nämlich Whiskyfans, die mehr über eine der entscheidenden schöpferischen Persönlichkeiten der Branche und seinen Einfluss erfahren möchten. Jim McEwan erscheint aber auch viel nahbarer, als es das Wort „Legende“ auf dem Cover impliziert. Vielmehr entsteht das lebendige Bild eines Menschen, der vor allem durch Bodenständigkeit, Fleiß und Kreativität zu eben jener Legende für Whiskyfans wurde. Dem Genre geschuldet hat das ganze freilich manch panegyrischen Zug, nicht zuletzt in Vor- und Nachworten, doch wer wollte es Jim McEwan oder Udo Sonntag angesichts eines solchen Lebenswerkes verdenken?

Die Balance zwischen Informationsgehalt, Unterhaltungswert und Illustration sorgen für ein schnelles und leichtes Lesevergnügen, unterstützt durch das aufgelockerte Layout. Überhaupt sieht das Buch gut aus, sodass es auch den optisch gehobenen Ansprüchen gerecht wird, die seine Zielgruppe bisweilen hegt.

Am Ende bleibt also die klare Empfehlung für alle Whiskyfans, besonders jene mit einem Hang zu Islay. …oder Bibliophilie.

Achtung: das Buch wurde uns von Plassen freundlicherweise als Rezensionsexemplar zugesandt.

2 Comments

  • Olaf K. 2. April 2022 at 18:18 Reply

    Sorry, aber es ist keine Autobiographie. Es ist eine Biographie, denn der Auto ist nicht Jim McEwan, sondern Udo Sonntag 😉

    • Dr. Kai Grundmann 3. April 2022 at 22:17 Reply

      Sagen wir es so: der Verlag hat sich schon was dabei gedacht, Sonntag und McEwan als (co-)Autoren zu führen.

      Das Buch ist aus der Ich-Perspektive McEwans geschrieben und sehr persönlich. Natürlich hat Sonntag die Feder geführt.
      Die Bezeichnung als Autobiographie scheint mir dennoch angemessen, da es aus den Erinnerungen McEwans selbst schöpft. Sonntag hat ja nicht in Archiven geforscht, Quellenmaterial eingesehen oder Zeitzeugen befragt, sondern mit McEwan aus dessen Sicht sein Leben reflektiert.

      Ich gebe allerdings zu, dass der Terminus Autobiographie normalerweise die alleinige Autorenschaft McEwans impliziert.
      Da müsste man einen Germanisten fragen. Mache ich morgen. 🙂

      Gruß
      Kai

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