Schottischer Single Malt Whisky

Eine Entdeckungsreise mit Bob Minnekeer

Reisen und Whisky

An Büchern zu Whisky mangelt es nicht. Überblicksdarstellungen und Biographien dominieren das Feld, zumeist mit schwer schottischem Fokus. Nun wäre es verfehlt, den vorliegenden Band allzu schnell in eine Schublade zu stecken. Der Autor Bob Minnekeer widmet sich zwar exklusiv dem Scotch Single Malt Whisky und stellt die 18 berühmtesten Brennereien vor, doch bedient er sich dabei eines schönen erzählerischen Mittels: das Buch ist als Reisebericht konzipiert und – so viel vorweg – kann gerade dann überzeugen, wenn es diesen Aspekt in den Mittelpunkt rückt.

Bob Minnekeer ist seit Jahrzehnten in der Gastronomie tätig, hat über 2500 Tastings veranstaltet und Schottland 120 Male bereist. Sein Verständnis der Materie steht außer Frage; spannend ist vielmehr die Frage der Anordnung des Materials. Und nach einer Einleitung über die Grundstoffe, Herstellung und Verkostung von Whisky nimmt Minnekeer den Leser auf seine Reise mit. Die Reiseroute führt vom Südosten nach Norden und dann an der Westküste wieder nach Süden, wobei Islay den Endpunkt der Reise markiert.

In Zeiten der Reisesehnsucht entwickelt diese Idee besonderen Charme. Schottland ob seiner Brennereien zu besuchen, hat lange Tradition und mancher Reiseveranstalter hat sich gar darauf spezialisiert. Es ist eben etwas ganz besonderes, vor Ort die prägende Landschaft, das launische Wetter und das Naturell der Schotten auf sich wirken zu lassen – Single Malt als Lebensgefühl. Genau das will uns Minnekeer vermitteln, verlegt von Koehler Books.

Natürlich gehört ein Dram zur Lektüre.

Die Reise und der Photograph

Neben seinen Worten muss sich der Autor dabei auf ein anderes Medium verlassen, um uns dieses Lebensgefühl nahezubringen: Photos. Andrew Verschetze und seine Photographie begleiten den Leser. Es war die richtige Entscheidung, den Band großzügig zu bebildern und auf höchste Qualität zu achten. Nur so lässt sich Minnekeers anspruchsvolles Ziel überhaupt umsetzen.

Dabei wechseln sich die Impressionen ab. Von grandiosen Landschaftsbildern bis zu detailverliebten Aufnahmen scheinbar unbedeutender Gegenstände, vom Getreidekorn bis zum Endprodukt des flüssigen Goldes wird alles geboten. Schön ist, dass die Menschen hinter dem Whisky nie vergessen werden. Unzählige Portraits und Schnappschüsse zeigen, wem wir unsere Lieblingsspirituose zu verdanken haben.

Bei dieser Leistung muss der Text natürlich mithalten. Und tatsächlich: es ist ein atmosphärisch dichter Reisebericht. Selbst ohne die starken Bilder bekäme der Leser eine treffende Vorstellung der Szenerie und getroffenen Persönlichkeiten:

„Bei klarem Wetter bietet die Brücke über Moray Firth großartige Aussicht. Ein paar Meilen weiter bringt uns eine Brücke über Cromarty Firth. Der natürliche Tiefseehafen ist bestens geeignet als Ankerplatz für Ölplattformen. […] Die Dalmore Brennerei liegt am Ufer des Firth und es ist schon ein bisschen merkwürdig, wenn man im Laden oder Tasting Room aufschaut und Ölplattformen sieht, zumal sich die anderen Brennereien weit weg von großen Industrieanlagen inmitten schottischer Natur angesiedelt haben.“

(S.147)

Flott geschrieben werden wichtige Informationen auf den Punkt genau vermittelt. Auch die Bildunterschriften lohnt es zu lesen, da sie den Fließtext supplementieren. Freischwebende Infokästen bieten eine weitere, sinnvolle Ergänzung.

Die ein oder andere Flasche muss dran glauben…

Ein paar persönliche Anmerkungen

Ein solches Buch regt die Gedanken des Lesers an und mir erging es nicht anders. Ein erster Gedanke betrifft die 18 ausgewählten Brennereien. Sie sind freilich die Klassiker und so richtet sich das Buch vermutlich an jene Leser, die dort noch nicht zu Besuch waren. Doch zur Auffrischung alter Erinnerungen laden die vielen Bilder gleichermaßen ein. Es ist trotzdem etwas schade, dass die Auswahl bisweilen nicht etwas gewagter ausfällt. Es gibt eine Handvoll weniger bekannter und oft unterschätzter Brennereien in bester Lage. Der Autor war auf den Orkneys und berichtet über Highland Park, gibt jedoch die Chance aus der Hand, Scapa zu besuchen. Nicht nur, dass Scapa direkt um die Ecke liegt und hervorragende Abfüllungen produziert, die Brennerei überblickt den Scapa Flow – den letzten Ruheort der kaiserlichen Hochseeflotte. Vielleicht weniger bekannt als die Harry Potter-Filme, auf die gern verwiesen wird, sicher aber nicht weniger wichtig. Natürlich ist die Frage der Auswahl immer schwierig, da jeder seine persönlichen Präferenzen hat. Verlag und Autor setzen hier mit den Klassikern auf immer konsensfähige Brennereien.

Das 2019 erschiene Buch ist an mancher Stelle zudem durch die rasanten Entwicklungen in Schottland überholt worden. Talisker etwa ist nicht mehr die einzige Brennerei auf Skye und Virgin Oak ist inzwischen fast zum erwartbaren Standard avanciert. Das soll dem Autor nicht zur Last gelegt werden, im Gegenteil. Dass sich in wenigen Jahren so viel verändert, ist ein gutes Zeichen und spricht für die Lebendigkeit der schottischen Whiskyszene.

Historische Ausführungen kommen nur am Rande vor und das ist gut so. Bei der Darstellung der Geschichte des Whiskys verrennen sich allzu viele Autoren in die alten Erzählungen, die keiner historisch-kritischen Überprüfung standhalten. Ich bin froh, dass uns diesmal die Räuberpistolen über iro-schottische Mönche und arabische Kaufleute im Frühmittelalter erspart bleiben.

Auch die ein oder andere Zeichnung findet sich

Fazit: macht Lust auf Mehr. Mehr Whisky, mehr Reisen

Das Buch hat einen klaren Fokus auf klassischen Scotch Single Malt Whisky. Wer das Umfeld seiner Lieblingsbrennereien kennenlernen, eine Reise planen oder einfach in Erinnerungen schwelgen möchte, ist hier genau richtig.

Die gute Balance aus informativem Text und eindrucksvollen Bildern macht die Entdeckungsreise, die das Lesen sein soll, in der Tat zu einem genüsslichen Erlebnis. Nach dem Lesen dann wünscht man sich nach Schottland zurück und gießt sich voller Nostalgie einen Dram ein.

Das Buch wurde uns von Koehler freundlicherweise als Rezensionsexemplar zugesandt. Vielen Dank dafür.

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