Rossville Union Rye Barrel Proof 7 Jahre
Die Meister und der König des Roggens
Roggenwhisky aus Indiana. Eine verwickelte Geschichte
In der Welt des Rye Whiskeys gibt es kein Vorbeikommen an den Midwest Grain Products aus Lawrenceburg, Indiana. Unzählige Whiskeys stammen aus ihren gewaltigen Anlagen, meistens Rye und fast immer für Drittanbieter unter fremdem Namen (NDP: Non-Distillery Product). Seit ein paar Jahren jedoch drängen sie mit eigenen Marken auf den Markt und ihr Flaggschiff ist Rossville Union.
Der Name leitet sich von der historischen Ross & Squibb-Brennerei ab, die 1847 gegründet wurde. Tatsächlich operiert sie seitdem ohne Unterbrechung, ist aber nicht ganz identisch mit MGP. Die nämlich wurden im Zweiten Weltkrieg gegründet und entwickelten sich schnell zu dem Giganten, der sie heute sind. Ross & Squibb hingegen blieb eher klein, wechselte mehrfach den Eigentümer und wurde dabei auch umbenannt. 2011 dann kaufte MPG die Brennerei und restaurierte den alten Namen. Immerhin hatte sie sogar die Prohibition überlebt und ist eine der am längsten durchgängig produzierenden Destillen der Welt. Da gebührt Ross & Squibb schon die Ehre ihres historischen Namens.
MPGs Einkaufstour war nicht beendet, 2021 kam Luxco mit allen Marken dazu, 2023 Penelope Bourbon. Erklärtes Ziel ist eine „premiumization strategy and […] focus on growing high potential, high margin brands.”, so der Geschäftsführer David Colo. Im Rahmen dieser Strategie sind auch die High End-Produkte von Ross&Squibb zu sehen, darunter die fassstarken Abfüllungen von Rossville Union. Aufgrund der erheblichen Diffusion des Ross & Squibb-Namens in der MPG-Operation ist nicht sofort ersichtlich, inwieweit sie aus der historischen Brennerei oder dem Giganten stammen.
Letztlich ist dies ob der personellen Überlappung mit generationenübergreifender Erfahrung ohnehin zweitrangig. Der Titel „Masters of Rye“ ist wohl verdient. Schon der Vorgänger der hier zu besprechenden Abfüllung, noch ohne Altersangabe, war ganz exzellent. Nun ist der Nachfolger erschienen und er dürfte ein Anwärter auf die Krone des besten Rye Whiskeys sein.

Neues Design und höheres Alter
Auffällig ist das neue Design der Flasche und des Labels, sonst vieles gleich geblieben. Weiterhin ist der Whiskey eine Vermählung von mehreren Fässern, diesmal 82. Weiterhin wird auf Fassstärke gesetzt, diesmal 58,5% ABV. Und natürlich kommen frische, ausgebrannte Eichenfässer zum Einsatz; sie sind mit Level 4 ‚Alligator‘ für die Dauben und Level 2 für die Deckel recht stark ausgekohlt, filtern entsprechend gut.
Die Mash Bill ist ebenfalls identisch, bzw. die Mash Bills – es sind zwei: zum einen die für MGP typische mit 95% Roggen und 5% gemälzter Gerste, zum anderen eine mit 51% Roggen sowie 45% Mais und 4% Gerstenmalz. Letztere mag ein Erbe von Ross & Squibb sein, bringt mit dem relativ niedrigen Roggenanteil und viel Mais jedenfalls eine größere Süße.
Die größte Veränderung ist die klare Altersangabe mit sieben Jahren. Schon der Vorgänger war mit fünf- bis sechsjährigem Whiskey für einen Rye eben nicht jung, sondern eher wohlgereift. Roggenwhiskey entwickelt nämlich schon in jungen Jahren beachtliche Qualität, allzumal in ausgebrannten Fässern. Dass die neue Altersstufe so prominent angegeben ist, könnte ein Zeichen dafür sein, dass sie nun final ist.
Nase
Eine ganz vorzügliche Balance aus scharfer Würze, frischen Kräutern und schwerer Süße. Roter Pfeffer, Nelke, Zimt und Kurkuma treffen auf Eukalyptus, Minze und Melisse zum einen, und auf massives Karamell mit Schokosplittern zum anderen. Gerade das Karamell braucht etwas Zeit und Luft, entfaltet sich dann aber wirksam.
Geschmack
Die Würze gewinnt an Feuer und Kraft, ist bei all ihrer Intensität aber klar von alkoholischer Schärfe zu trennen, die überhaupt nicht auftritt. Vielmehr ist es Chili in verschiedenen Sorten, der nun besonders mit der Nelke und dem Kurkuma spielt. Allerdings braucht es deswegen einige Geduld, auch die süßlichen Qualitäten des Whiskeys zu entdecken. Karamell und Bitterschokolade sind deutlich, weniger der Hauch von Vanille. Nur wenige Spritzer Orange und Zitrone erinnern noch an die Frische in der Nase.
Abgang
erwartbar feurig, mit klar holzigen Noten.

Fazit: Ein Meisterwerk und Thronprätendent
Ein einfacher Whiskey ist es nicht, soll er sicher auch nicht sein. Dieser Rye ist eindeutig für Fans der Gattung erschaffen worden. Sein anspruchsvolles Geschmacksprofil verlangt unserer Sensorik einiges ab, insbesondere die Schärfe. Dafür belohnt der Rossville Union diese Leistung mit einer bemerkenswerten Harmonie, denn die Schärfe wird durch hinreichend mächtige Süße aufgefangen. Frische Elemente von Kräutern und Zitrusfrüchten ergänzen dies perfekt, wenn sie auch bisweilen klar die zweite Geige spielen.
Das erhöhte Alter verglichen mit dem Vorgänger äußert sich in der Art und Weise, wie sich die Süße stärker gegen die vom Destillat herrührende Würze und Frische durchsetzen kann. Dadurch erhält der Whiskey vor allem in der Nase eine spürbar bessere Balance. Freilich könnte das Holz auch die Würze unterstützt haben, die zwar weniger deutlich, aber eben doch zugenommen hat.
Da der Roggenwhiskey nach amerikanischer Spielart bereits Mitte-Ende des 19. Jahrhunderts voll entwickelt war (und damit u.a. früher als Scotch Single Malt), blicken wir auf die vielleicht älteste, konzeptionell unveränderte Whiskysorte. Dass dies von einer Brennerei mit historischer Tiefe und einer mit gewaltiger Produktionskapazität gelungen durchexerziert wird, überrascht nicht. Erfahrung und eine nahezu unerschöpfliche Fassauswahl sorgen für Qualität. 82 Fässer klingen viel, sind aber nur ein Tropfen in einem Ozean aus schätzungsweise 1,2 Millionen Fässern.
„Masters of Rye“? Ja, das sind sie. Und dieser Rossville Union beweist es. Genauso wie der fünf-jährige Rossville Union mit 50% ABV für Neugierige ohne Rye-Erfahrung die perfekte Hinführung ist, kann jede Rye-Reise in einem würdigen Höhepunkt kulminieren mit diesem siebenjährigen Schatz. Vermutlich haben die Meister des Roggens hier den König des Roggens geboren.
…jedenfalls fürs Erste.
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