Prichard’s Rye

Tennessee Rye Whiskey

Benjamin Prichard’s. Ein Kuriosum

Wer an Tennessee Whiskey denkt, hat zuerst natürlich Jack Daniel’s im Kopf, vielleicht auch George Dickel. Für wahr, es gibt keine zwölf Brennereien in dem Bundesstaat, die Whiskey produzieren, und von denen erreicht uns in Deutschland kaum etwas. Selbst George Dickel wird immer rarer hierzulande. Jüngst hat sich Uncle Nearest angeschickt, einen Vertrieb in Europa zu errichten; wir werden dies verfolgen. Doch eigentlich ist die ‚dritte’ bekannte Marke Prichard’s. Sie ist schon sehr lange in Deutschland erhältlich, wenn auch unregelmäßig.

Dahinter steht Phil Prichard, der Ende der 90er mit dem Brennen von Whiskey auf Pot Stills begann. Interessant ist, dass dies im Lincoln County geschah, aber ohne den Lincoln County-Prozess der zusätzlichen Holzkohlefiltrierung. Dies war ein erheblicher Streitpunkt, als 2013 endlich eine gesetzliche Definition von Tennessee Whiskey geschaffen wurde. Denn Jack Daniel’s insistierte auf den Lincoln County-Prozess als zentrales Charakteristikum des Tennessee Whiskey. Extra für Prichard’s wurde eine Ausnahme in das Gesetz geschrieben auf Basis der Besitzstandwahrung.

Der englische, wesentlich schönere juristische Fachbegriff lautet Grandfather Clause. Phil Prichard nämlich argumentierte erfolgreich, dass sein „Großvater“ (eigentlich Urahn) Benjamin Prichard schon Anfang des 19. Jahrhunderts so gebrannt habe. Wer also immer noch glaubt, Geschichte sei nur etwas für die Schule, mag sich mit einem Glas Whiskey House Bill 1084 durchlesen. Der Whiskey dürfte hilfreich sein…

Inzwischen führt Prichard’s ein reichhaltiges Angebot an Whiskey und anderen Spirituosen. Der Tennessee Whiskey war übrigens mein erster der Gattung, der nicht von Jack Daniel’s kam, und er hat mich damals überzeugt. Zwar ist dieser in Deutschland kaum mehr auffindbar, aber Restbestände des Ryes haben noch ein paar Händler im Angebot. Und Rye ist bei DoktorWhisky.de immer willkommen.

Der Alte Fritz hätte Rye getrunken.

A true American Rye

…heißt es auf der Website, die sich mit Informationen zum Whiskey selbst allerdings zurückhält. Andernorts finden sich die wichtigen Angaben zu Reifung und Mash Bill. Zwischen drei und fünf Jahren gereift, dürfte er nicht mehr als Young Rye gelten, zumal kleine Fässer verwendet wurden. Nun ist fraglich, was bei den Amerikanern unter ‚klein‘ zu verstehen ist, trotzdem sollte der Whiskey ordentlichen Fasseinfluss mitgenommen haben.

Die Maische besteht zu 70% aus Roggen, 15% Mais und 15% Gerstenmalz. Das ist ein beachtlich hoher Rye-Anteil, ohne aber gleich in Richtung MGP und ihrer 95% Roggen zu gehen. Gerade die 15% Mais heben ihn von vielen amerikanischen (und allen europäischen) Craft Distilleries ab. Ich erhoffe mir davon etwas Süße. Tatsächlich begeistert mich bei US Rye das Zusammenspiel von würzigem Roggen und süßem Mais.

Der Alkoholgehalt mit 43% ABV ist eher schwach bemessen, gerade für amerikanischen Whiskey, dessen bessere Vertreter in der Regel am höheren ABV erkannt werden können. Andererseits sind fast alle Whiskeys von Prichard’s weniger stark abgefüllt; es könnte also ein Konzept dahinter stehen.

Nase

Nasse Holzspäne und frische Kräuter bestimmen den Ersteindruck, der jedoch schnell zugunsten von Zimt und Anis zurücktritt. Für etwas Süße sorgen Vanille und Honig, auch parfümierter Pfeifentabak.

Zwar sind typische Zeichen eines jungen Ryes, wie z.B. dominanter Eukalyptus, nicht vorhanden, dennoch wirken besonders die ersten Aromen recht jung.

Geschmack

Der Antritt auf der Zunge ist mild, ja beinahe wäre von einem dünnen Körper zu reden. Doch langsam füllt der Whiskey den Mundraum aus und es entfalten sich vielfältige Geschmäcker. Zunächst kommen Vanille und Banane, doch dann wieder scharfer Zimt und eine Reihe von Gewürzen. Abgerundet durch Zartbitterschokolade macht Prichard’s Rye auf der Zunge einen wesentlich reiferen Eindruck als in der Nase – und offen gesagt auch einfach einen wesentlich besseren.

Abgang

Leider verschwindet der Whiskey nahezu augenblicklich als wäre er nie im Mund gewesen. Nur ein bisschen Eiche bleibt. Positiv denkend spricht das für seine Süffigkeit, aber am Ende muss eben doch konstatiert werden, dass die 43% ABV einfach nicht genug sind.

Die Apokalypse kann kommen, Rye sei dank.

Fazit: wir sind verwöhnt

Prichard’s Rye ist ein grundsolider Whiskey, darüber hinaus aber wenig mehr als das erwähnte Kuriosum. Am meisten überzeugt er im Mund, denn dort präsentiert er sich rund und ausgewogen, balanciert Süße und Würze. Zusammen mit der ordentlichen, aber unspektakulären Nase und dem zu kurzen Nachklang ergibt sich das Bild eines Mittelklasse-Ryes. Nicht schlecht, für Rye-Fans den Versuch wert, aber auch keine große Empfehlung.

Die Konkurrenz ist letztlich zu stark, sowohl im Bereich der amerikanischen als auch der deutschen Ryes. Besonders den naheliegenden Vergleich mit Jack Daniel’s Rye verliert Prichard’s auf ganzer Linie. (Dieses Statement hätte ich für Prichard’s Tennessee Whiskey übrigens nicht gelten lassen). Dabei scheint mir die Mash Bill durchaus vielversprechend zu sein. Längere Lagerung in größeren Fässern und natürlich ein höherer Alkoholgehalt könnten diesen Rye sehr wohl zu einem Geheimtipp werden lassen.

Der Prichard’s zeigt vor allem, dass auch im Mutterland des Ryes nicht automatisch jeder Roggenwhiskey Spitzenklasse ist. Vielleicht sind wir auch einfach nur verwöhnt: wenn uns hauptsächlich die besseren Ryes aus den USA erreichen und unsere heimischen Ryes an die qualitativ immer näher herankommen, fallen durchschnittliche Whiskeys wie dieser hier auf, ohne dass sie schlecht wären.

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