Nordhäuser Rye Whisky No.1
10-jähriger Rye Whisky aus Nordhausen
Ein Whisky mit langer Tradition
Seit dem ausgehenden Mittelalter wird im thüringischen Nordhausen der Roggen zu Spirituosen destilliert. Die Freie Reichsstadt erhob 1507 eine Branntweinsteuer und bereits vorher musste das Brennen so praktiziert worden sein, dass es wirtschaftlich relevant war.
Dieses Roggendestillat war vermutlich nicht systematisch fassgelagert, sondern allenfalls zu Transportzwecken. Damit unterscheidet es sich im Übrigen nicht vom Gerstenmalzdestillat, das etwa zur selben Zeit in Schottland erstmals erwähnt wird. Die Fassreifung von Whisky zum Zwecke der Geschmacksverbesserung etablierte sich erst im 19. Jahrhundert. Insofern besteht zwischen dem Nordhäuser und dem Whisky historisch eine größere Nähe als landläufig vermutet wird.
Es gibt aber noch eine weitere, bis heute wirkmächtige Verbindung: es waren Auswanderer aus dem Heiligen Römischen Reich, die in der Neuen Welt den modernen Rye Whisky begründeten. Die Oberholtzers (Overholt), Böhms (Beam) oder Bombergers knüpften dabei an die heimatliche Tradition des Roggenbrennens an, als sie Rye Whisky herstellten. Er erwuchs damit aus demselben fruchtbaren Boden wie auch Nordhäuser Korn.
Dass die Traditionsbrennerei Nordhausen bzw. ihr Vorläufer dann vor Untergang der DDR tatsächlich Whisky produzierte, ist dagegen eher als Fußnote einzustufen. Schon bedeutender ist, dass Nordhausen seit geraumer Zeit Destillat an deutsche Whiskybrennereien liefert. Dies jedoch ist aus nachvollziehbaren Gründen weniger bekannt.
Nordhäuser Whisky hat also eine veritable Traditionslinie und es ist schön, dass diese wieder aufgenommen wurde.
Nordhäuser Luxus, Nordhäuser Not. Die Eckdaten
Die Traditionsbrennerei kann sich einen Luxus leisten, von dem andere deutsche Brennereien träumen. Das Unternehmen ist groß und stabil genug, den Whisky zehn Jahre reifen lassen zu können. Es bestand keine Dringlichkeit, einen jüngeren Whisky früher auf den Markt zu bringen. Dabei kann Rye schon in jüngeren Jahren überzeugen und allzu lange Reifungen erdrücken das selbst das kräftige Roggendestillat. Mit zehn Jahren findet Nordhäuser hier einerseits eine gute Balance, setzt andererseits aber ein Ausrufezeichen.
Die Fässer sind aus deutscher Eiche ohne Vorbelegung und wurden auf Medium getoastet. Es sind also weder die klassisch gebrauchten Hölzer wie bei den Schotten noch die in den USA üblichen stark ausgebrannten Fässer. Dadurch erfolgt die Reifung etwas langsamer, die Aromatik wird aber komplexer und stärker vom würzig-herben Holz bestimmt. Insofern ergeben die zehn Jahre im Fass Sinn.
Das Destillat selbst weicht vom Nordhäuser Standard ab. Wo die Mischung der Maische des Korns traditionell bei 2/3 Roggen und 1/3 Gerstenmalz liegt, dominieren nun 90% Roggen den Whisky. Damit gleicht man sich dem Monongahela-Stil an, für den der Rye der deutschen Emigranten in Pennsylvania berühmt war. Wichtiger noch, die Traditionsbrennerei erlaubt dem markanten Getreide größere Entfaltung. Angesichts der relativ langen Reifezeit, die dessen Ecken und Kanten bisweilen abschleift, ist auch das eine gute Entscheidung. Außerdem könnten die Würze des Destillats und die Würze, die die deutsche Eiche bringt, durchaus gut zusammenspielen.
Nordhäuser Not hingegen mag es bei der Wahl der Alkoholstärke gegeben haben. Die Traditionsbrennerei genießt einen hohen Bekanntheitsgrad und wird von einer breit aufgestellten Kundschaft geschätzt. Außerdem wird Korn meist mit weniger ABV genossen. An Fassstärke war daher wohl nicht zu denken, obwohl genau die für uns Whiskyfans perfekte wäre. Der gewählte Kompromiss mit 46% ABV weiß aber auch zu gefallen. Er liegt deutlich über dem Minimum und verschreckt niemanden zu sehr.
Insgesamt macht der Rye Whisky einen sorgsam durchdachten Eindruck. …zumindest in der Theorie.
Nase
Der Whisky ist anfangs noch etwas verschlossen, fast muffig, und braucht Zeit zum Atmen. Mit Sauerstoff gewinnt das Bouket eine fast florale Qualität. Dafür sorgt einerseits die den Roggen oft begleitendende Frische von Menthol, andererseits eine deutliche Note von Robinienblüte. Passend dazu kommt Akazienhonig, aber auch die Süße eines leichten Karamells. Die Würze, die bei Rye erwartet wird, kommt eher subtil zur Geltung mit Nelke, Kardamom und… Kaffee (eigentlich kein Gewürz…). Sie ist keineswegs scharf.
Geschmack
Der Antritt ist sanft und zeugt von gelungener subtraktiver Reifung, dennoch zeigt sich der Nordhäuser vollmundig. Er belegt die Zunge viskos und langanhaltend. Zwar büßt der Whisky etwas von seiner Frische ein, sodass Menthol oder Blütenaromen allenfalls hintergründig wirken. Allerdings steigert sich die Würze mit Nelke und Pfeffer, die nun angenehm prickelt – was gerade angesichts der sanften Viskosität auffällt. Die Süße hingegen wirkt im Mundraum ähnlich wie in der Nase, vielleicht mit einem leichten Hang zur Milchschokolade und weniger Honig.
Abgang
Zum Schluss hallt der Whisky mit einer wiedererstarkten, jetzt kräuterigen Frische nach. Auch die Würze steigert sich ein weiteres Mal. Der Nachhall ist vermutlich eingedenk der 46% eher mittellang. Jedenfalls hätte ich gern noch mehr davon länger gespürt.
Fazit: Starker Einstand
Die Erwartungen waren hoch, ist Nordhausen doch ein Veteran unter den Roggenbrennern. Diese Erwartungen konnten erfüllt werden. Konzeptionell überzeugt der Rye Whisky mit durchdachter Klarheit und logischer Konsequenz. In der Ausführung ist nahezu alles gelungen; Abzüge in der B-Note gibt es höchstens für die anfängliche Verschlossenheit des Whiskys.
Bemerkenswert ist die Eleganz, die dieser Rye mit sich bringt. Persönlich hätte ich ihn mir etwas würziger und wilder gewünscht. Freilich erleichtert diese Eleganz aber den Zugang für Singe Malt-Trinker und jene, die die Sanftheit des Nordhäuser Brandes zu schätzen wissen. Aus dieser Perspektive heraus hat Nordhausen alles richtig gemacht.
Das Interesse an Nordhäuser Rye ist groß, sodass die Flaschen binnen weniger Tage ausverkauft waren. Zum Glück soll es nicht der letzte Rye sein, sondern für die kommenden Jahre sind bereits mehrere Editionen mit Finishes geplant. Das zu erwartende Sherryfass harmoniert tendenziell gut mit Roggen und nicht nur darauf dürfen wir gespannt sein. Wie Akazie etwa mit dem Rye funktioniert, ist uns wenigstens ein Rätsel – jedoch eines, dessen Auflösung wir kaum erwarten können. Wie so vieles bei Nordhausen, ist auch dies von langer Hand geplant.
Entsteht hier ein neuer Whisky-Gigant? Das Können ist ohne Zweifel vorhanden, die finanzielle Kraft sicher auch. Die Frage ist eher, ob Nordhausen dieses Segment dauerhaft und in der Breite bedienen möchte. Rye Whisky ist – auch wenn es uns als Fans schmerzt, das zu sagen – immer noch eine Nische. …innerhalb der Nische Whisky. Wenn, dann müsste Nordhausen auf Single Malt setzen. Das ist durchaus möglich, nur nicht naheliegend. Viel eher hoffe ich, dass Nordhausen das Feld des Rye Whiskys kontinuierlich ausbaut, neue Rye-Fans schafft und so die Nachfrage erhöht. Nordhausen hat ebendiese Strahlkraft, in die Breite zu wirken.
Eines jedenfalls steht fest. Dass Rye Whisky seine spirituelle Heimat in Deutschland hat, demonstriert Nordhausen eindrücklich.
Die Flasche wurde uns ohne Verpflichtung von Nordhausen zugesandt. Angesichts der hohen Nachfrage und Limitation empfinden wir das als große Ehre und danken herzlich. Natürlich ist diese Rezension damit Werbung – wohldiente.
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[…] alle Brennereien anzuführen, die keine grünen Etiketten nutzen. Das betrifft Schwergewichte wie Nordhausen, bekanntere wie Slyrs, Nine Springs, Simons oder Finch, und derzeit noch weniger bekannte wie […]