Der andere Pot Still Whiskey

Lässt sich das Rad der Zeit zurückdrehen? Der hitzige Streit um die Natur des Pot Still Whiskeys

Was ist Pot Still Whiskey? Keine einfache Frage

Vermutlich werden die meisten, die den Weg zu unserer Website finden, diese Frage beantworten können. Der (Single) Pot Still Irish Whiskey kommt aus Irland und besteht zu mindestens 30% aus ungemälzter Gerste, mindestens 30% gemälzter Gerste und höchstens 5% anderen Getreides, gebrannt auf kupfernen Brennblasen. 2014 wurde dies im Rahmen der Definition für die geschützte Herkunftsangabe der EU gesetzlich festgeschrieben. Dass diese Art Whiskey auch eine Reaktion auf die Besteuerung von Gerstenmalz durch die britische Krone im 18. Jahrhundert war, der die Iren ausweichen wollten, findet gleichsam in nahezu allen Überblicksdarstellungen Erwähnung.

Weniger bekannt hingegen ist so ziemlich alles, was zwischen 1785 und 2014 passierte. Hier sollen keineswegs hunderte Jahre Geschichte aufgerollt werden, zumal ein paar entscheidende Entwicklungen wie die Royal Commission on Whiskey von 1908 an anderer Stelle gut beschrieben sind.

Uns interessiert, dass in Irland lange Zeit Whiskey mit ungemälzter Gerste üblich war, der nicht ansatzweise dem Pot Still Whiskey gleicht, wie er heutzutage definiert ist. Der Historiker Peter Mulryan argumentiert seit Jahren leidenschaftlich für eine Ausweitung bzw. Lockerung jener Definition, die seiner Ansicht nach ausschließlich ein „Kind des Monopols“ durch Midleton sei. Midleton habe 2014 schlicht die eigene Mash Bill (Getreidemischung) als maßgeblich durchgesetzt und dabei eine reichhaltige Tradition des Variierens von Mash Bills mit Füßen getreten. Damit werde die aufblühende irische Whiskeylandschaft unnötig in ihrer Kreativität eingeschränkt und zugleich Midletons eigene Produktreihe zum Archetypen überhöht, z.B. Redbreast.

Mulyran ist allerdings nicht nur Historiker, sondern auch Geschäftsführer der Blackwater Distillery. Sein Enthusiasmus, von dem wir uns auch vor Ort selbst überzeugen konnten, wurzelt nicht zuletzt in der Begeisterung für das Experimentieren mit Getreidemischungen. Das macht Blackwater übrigens ganz vorzüglich, was wir vorher schon in Deutschland dank einem Tasting mit Mareike Spitzer erleben konnten. Dennoch bleibt zu bedenken, dass Mulryan hier kein rein historiographisches Interesse treibt, sondern natürlich das Bedürfnis, seinen eigenen Whisky als Pot Still deklarieren zu dürfen. Dessen ungeachtet ist seine Recherche beeindruckend und anregend.

Sie wird als Ausgangspunkt unserer Betrachtungen dienen.

Whisky mit historischen Mash Bills und Peter Mulryans Manifest

Von 1838 bis 1915. Hafer, Weizen und Roggen im irischen Whiskey

In A Manifesto for Pot Still Irish Whisky untersucht Mulryan vier historische Mash Bills, die er in der Blackwater Distillery so gut wie möglich rekonstruiert. Diesen Zeitraum hat der Historiker ganz sicher nicht zufällig gewählt: er markiert die Zeit zwischen der Krönung Königin Viktorias und dem Osteraufstand, zwei wichtige Wegmarken für Irland und zugleich die Hochzeit des irischen Whiskeys.

Unabhängig davon, dass diese vier Whiskys sehr gut schmecken, zeigen sie auch, wie weit entfernt sie vom Midleton-Standard sind. Sie haben auch nur wenig Gemeinsamkeiten zueinander, außer dass sie alle mindestens 30% ungemälzte Gerste und deutlich mehr als 5% Getreide benutzen, das keine Gerste ist. Und genau letzteres liegt im Fokus von Blackwater bzw. Mulryans Untersuchung. So weist die Mash Bill von 1838 einen Anteil von 40% Weizen auf, die von 1893 und 1908 kommen mit 15% Hafer, und in 1915 finden wir 15% Hafer, 12% Weizen und sogar 3% Roggen. Dies sind Getreidesorten, die wir kaum mehr mit Irish Whiskey assoziieren würden.

Vor hundert Jahren war dies noch anders. In dieser Hinsicht sind die Akten der Royal Commission von 1908 überaus vielsagend. In Kapitel 1843 bis 1848 zählt John Talbot Power repräsentative Mash Bills auf, um den durchschnittlichen Anteil Gerstenmalz zu ermitteln. Er wurde mit 48% beziffert, noch interessanter ist jedoch, dass Hafer prominent in den meisten Zusammensetzungen vertreten war. Power selbst nutzte 20% Hafer für seinen Whiskey, wie er zu Protokoll gab (Kap. 1888), womit er sich im Mittel befand.

Auch Andrew Jameson wurde zum irischen Whiskey befragt:

Henry James: „Können Sie uns Angaben zu den jeweiligen Getreideanteilen in den Mischungen machen, die [in Irland] genutzt werden?“

Andrew Jameson: „Ich denke, dass sie erheblich voneinander abweichen können. Der Hauptbestandteil dürfte Gerste sein, gemälzt wie ungemälzt, doch dazu kommen Weizen und Hafer, sehr wenig Roggen; so wenig, dass er nicht auffällt.“

James: „Was sind die Getreidesorten, die sie selbst benutzen, außer [Gersten-]Malz?“

Jameson: „An erster Stelle steht Gerste…“

James: „Ungemälzte Gerste?“

Jameson: „Ja, ungemälzt; dann Weizen und Hafer und Roggen. Sonst nichts.“

James: „Können Sie uns sagen, welche Anteile die letztgenannten in den Getreidemischungen haben?“

Jameson: „Verschiedene Brenner nutzen sie in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen, aber ich werde sie kaum hier öffentlich machen, verstehen Sie?“

James: „Natürlich, das wollte ich auch nicht; das wäre Ihnen gegenüber unfair. Können Sie rein theoretisch sprechen und der Kommission helfen, indem sie sagen, was die Obergrenzen für die Getreidesorten außer [Gersten-]Malz und [ungemälzter] Gerste sind?“

Jameson: „So ungefähr vier Fünftel wären Gerste, gemälzt und ungemälzt. Ich sage Ihnen nur, was die Fakten sind, soweit es uns betrifft, und ich glaube, ganz ähnlich operieren die meisten irischen Brenner.“

James: „Sie geben also ein Fünftel als Limit für die anderen Getreidesorten an?“

Jameson: „Das hängt ganz vom Geschmack des Mannes ab, der den Whiskey macht. Es wäre immer noch irischer Whiskey, benutzte er mehr als ein Fünftel. […]. Der Anteil von Roggen ist extrem gering, der von Weizen ist ungefähr viermal so hoch und der des Hafers wiederum doppelt so hoch wie der des Weizens.“

Royal Commission on Whiskey, Kap. 1373-1767

Abgesehen von der Tatsache, dass Jameson hier der Kommission eine geradezu klassische Mathematik-Aufgabe gestellt hat und solche Spannungen spürbar sind, die mitunter zu Sprüngen in der Argumentation führen, bestätigt auch Jameson: es sind deutlich mehr als 5% Hafter, Weizen, Roggen etc.

Für die Kritiker der 2014er Legislation sind diese Aussagen freilich ein gefundenes Fressen. Immerhin handelt es sich um die Chefs der späteren Gründungsbrennereien von Irish Distillers. Und nicht einmal deren Whiskey wäre nach heutigen Maßstäben Pot Still Whiskey. Dies trifft sich zudem mit den weiteren Untersuchungen Mulryans, der bei etwa hundert verschiedenen Mash Bills mehrheitlich zwischen 20% und 25% „other grains“ gefunden hat. Und es ist nicht nur er allein. Auch der Historiker Fionnán O’Connor hat im Rahmen seiner Dissertation Still With Us: Formative Imperatives in the Historical Trajectory of Irish Whiskey Mash Bills 1661-1980 eine Reihe von Mash Bills recherchiert. Er kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, geht sogar auf 30% „other grains“. Folgerichtig setzt er sich für eine Revision der Definition von Pot Still Whiskey ein.

Bei dieser Quellenlage stellt sich die Frage, woher die aktuelle Definition eigentlich kommt.

Kompatibel mit der aktuellen Defintion – und sehr lecker

Das Monopol und die Macht der Schotten? Die Jahre 1966 bis 2014

Eine naheliegende Antwort wäre, das Quasi-Monopol der Irish Distillers, und damit Midletons, seit den späten 60ern dafür verantwortlich zu machen. 1966 schlossen sich John Jameson & Son, John Powers & Son und die Cork Distilleries Company zu den Irish Distillers zusammen; 1972 folgte Bushmills. Damit waren alle überlebenden irischen Whiskeybrennereien unter einem Dach. Bushmills produzierte nach wie vor im County Antrim, alle anderen jedoch verlegten nach Midleton. Dies war nunmehr die einzige verbliebene Heimat des Pot Still Whiskey. Wenn nun Midleton einen Pot Still Whiskey mit ebenjenen 5% oder weniger destilliert, wäre damit ein unumgänglicher Maßstab gesetzt.

Nur war dem nicht so.

Noch bis 2011, also auch nach dem Bau der Cooley-Brennerei, finden sich einige Whiskeys der Irish Distillers, deren Mash Bills nicht den 2014er Regeln folgen.

Mit dem Monopol allein lässt sich die historische Entwicklung nicht erklären. Eine weitere These sucht die Erklärung im Druck, den die Konkurrenz durch die Schotten ausübte. Scotch war das Maß der Dinge – und ist es für manche, besonders in Deutschland, immer noch – und folglich passte sich Midleton dem Zeitgeist an, indem der Anteil an Gerste als geschmacksdominantes Getreide erhöht wurde. Die These hat etwas für sich, da gerade Hafer und Roggen eine erhebliche Devianz vom stereotypen Scotch Whiskey bedeuten, die keineswegs nur Whiskyenthusiasten auffiele. Aus dieser Sicht scheinen die Abfüllungen mit ebenjenem Hafer vereinzelte Überbleibsel einer Vergangenheit zu sein, von der sich Midleton seit 1966 Stück für Stück löste. Dazu gehörte z.B. der Willie Napier 44, der 1945 noch in der alten Tullamore DEW Brennerei destilliert worden war, 1989 in Midleton abgefüllt wurde und erst Anfang der 2000er überhaupt in den Verkauf gelangte. Solche Relikte zeigten aber nicht den Weg in die Zukunft, sondern massenkompatible Blends wie Jameson.

Midleton und der Hafer

Ein letztes Puzzlestück ist die Rolle des Hafers. Hafer wurde lange Zeit kaum mit Whiskey assoziiert, dennoch nutzten ihn irische Brenner im 19. Jahrhundert völlig selbstverständlich. Dies hat einen guten Grund. Nach der Großen Hungersnot hatten viele Menschen erhebliche Bedenken, den hoch energiehaltigen Weizen für Whiskey zu verwenden. Hafer hingegen galt als weniger wertvoll und wurde oft an Pferde verfüttert. Aus ihm Whiskey zu brennen, störte also nur wenige. Mit der Stabilisierung der irischen Wirtschaft kam bald auch wieder Weizen in den Whiskey, doch der Hafer blieb nach der Gerste das wichtigste Getreide für die irischen Brenner – darunter Jameson.

Noch 1953 fanden sich in Jamesons Mash Bill 15% Hafer, doch gegen Ende der 60er wurde er zunehmend verdrängt. In der neuen Midleton-Brennerei, im Einsatz seit 1975, wurde überhaupt keiner mehr destilliert. Barry Crockett, Master Distiller Emeritus, nennt einen rein technischen Grund für diese Entwicklung. Hafer habe ausschließlich den Nutzen gehabt, dass seine Spelzen filtrierende Wirkung im Maischebottich zeigten und den Fermentationsprozess beförderten. Für den Geschmack sei der Hafer irrelevant, dies sei allein die Gerste, und so konnte er mit fortschreitender Technologie wegfallen.

In der Old Midleton Distillery wurde Hafer auf einer solchen Blase gebrannt

Es fällt schwer, dieser Argumentation ganz zu folgen. Wer schon einmal Oat Whiskey genossen hat, weiß um seine einzigartigen Charakteristika. Dass 15% davon geschmacklich nicht ins Gewicht fallen sollen, erscheint wenig glaubwürdig. Wahrscheinlicher ist doch, dass die Irish Distillers im Überlebenskampf des irischen Whiskeys in den 70ern schlicht das Getreide mit dem höheren Ertrag und damit der größeren Wirtschaftlichkeit  bevorzugten – Gerste. Die Angleichung an die schottische Konkurrenz tat ihr Übriges.

Dennoch ist durchaus denkbar, dass Midleton aus tiefster Überzeugung der Gerste den Vorzug gab. Schon der Anteil ungemälzter Gerste kann für einen distinkten Geschmack sorgen, so denn das Fass nicht allzu sehr dominiert. Midletons experimentelle Mikro-Brennerei stellt zudem regelmäßig Whiskeys mit historischen Mash Bills her, die von der Jameson-Archivarin Carol Quinn recherchiert wurden. Bewusst wurden diese Rückgriffe in die Vergangenheit des Unternehmens nicht in die Flaggschiff-Brands eingereiht, wie etwa Redbreast, sondern in die Method and Madness-Serie.

Im Übrigen sei noch erwähnt, dass entgegen der Kritiker die aktuelle Bestimmung mit den 5% „other grains“ eben nicht der Midleton-Stil ist. Dort wird nur noch Gerste für Pot Still Whiskey herangezogen. Vielleicht war es aber ein strategisches Manöver der Irish Distillers, den Anschein zu wahren, dass nicht Whiskey nach Art Midletons das Ziel der Legislation sei.

Das Rad der Zeit

Es ist eine der brutalsten Realitäten, die wir in unserem Leben ertragen müssen: die Zeit schreitet erbarmungslos voran. Niemand, nicht einmal Midleton, kann ernstlich die bunt gemischte Natur des historischen Pot Still Whiskeys vor 1966 bestreiten. Doch das war vor 50 Jahren. 1966 war die Welt unversöhnlich in zwei Lager gespalten, immer am Rande der nuklearen Vernichtung, die Beatles waren größer als Jesus und England konnte in einem Schandfinale der Fußball-Weltmeister werden. Die Sowjetunion zerbrach aber relativ friedlich, die Beatles lösten sich auf und Englands Fußball… Kurz, das Rad der Zeit dreht sich.

Der Pot Still Whiskey zwischen 1990 und 2014 war zweifelsohne ein Midleton-Gewächs; auch unser erstes Zusammentreffen mit dieser Art Whiskey war der Redbreast, dann der Green Spot. Selbst wenn wir damals um die reichhaltige Geschichte des Pot Still Whiskeys gewusst hätten, was hätte es genützt? Erhältlich waren die Spots, Redbreast, Powers. Und sie waren es, die in der ganzen Welt wieder die Liebe zum Pot Still Whiskey entfachten – in einer Zeit, als dieser kaum mehr als eine verblasste Erinnerung war. Für die meisten Menschen sind Pot Still Whiskey und Midleton untrennbar. Zu Recht. Das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen.

Der Archetyp? Jedenfalls ein Fakelträger in dunklen Zeiten… hier noch im alten Design

Indes freut es mich gerade als Historiker, dass die Geschichtswissenschaft im Streit um die Seele des Pot Still Whiskeys eine so zentrale Rolle einzunehmen vermag. Und tatsächlich ist auffällig, wie schwach Midletons Gegenrede ist, obwohl Carol Quinn zweifelsohne auf einem Berg zielführender Quellen sitzen muss. Dies allein bezeugt, dass Mulryan, O’Connor und andere Kritiker aus rein geschichtswissenschaftlicher Perspektive schwer angreifbar sind – jedenfalls was die Zeit vor 1966 betrifft. Doch auch all das, was danach geschah, ist wirkungsmächtige Geschichte, die unser aktuelles Verständnis von Pot Still Whiskey stärker prägte als etwa die Protokolle der Royal Commission von 1908. Historiker können erklären, wie wir an diesem Punkt angelangt sind, doch nun liegt das Heft in der Hand der Brenner und Politiker … und Konsumenten. Insofern lohnt der Blick in die Zukunft. Wie wird die Whiskey-Welt vom erweiterten, historisch fundierten Verständnis von Pot Still Whiskey profitieren können? Das Rad der Zeit dreht sich immer weiter.

Chancen und Gefahren der erweiterten Definition

Die 5%-Regel hat ihren Ursprung also nicht in der irischen Geschichte. Sie soll, so ihre Befürworter in Cork, anderen Brennereien Raum für Experimente lassen, zugleich aber nicht die Kategorie Pot Still Whiskey verwässern: „Diese [5%] Zugabe würde die wesentliche Charakteristik nicht gefährden und dadurch wird der Terminus Irish Pot Still Whiskey zu einer gesichert einzigartigen Herkunftsangabe“, erkärt Barry Crockett. Je restriktiver die Vorgaben, desto klarer erkennbarer das Endprodukt… soweit lässt sich diesem Gedankengang gut folgen. Auch Mulryans Einwand, dass bei Bourbon die Mash Bill unheimlich variierbar und er trotzdem unverkennbar sei, geht ein wenig fehl, da Bourbon an anderer Stelle hart limitiert ist, den Fässern.

Die Restriktion auf 5% hat also ihren Sinn. Nichtsdestotrotz ist klar, dass sie Midleton im Wettbewerb einen erheblichen Vorteil gegenüber der einheimischen Konkurrenz verschafft, die sich an Midletons Maßstab messen lassen muss. Nicht nur dies hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Die irische Whiskeylandschaft blüht, entdeckt sich neu und sie entdeckt sich wieder. Viele junge, aufstrebende Brennereien wollen Pot Still Whiskey herstellen, wie es ihre Vorfahren taten. Sie wollen experimentieren und vor allem: sie wollen der Welt zeigen, dass Irish Whiskey eben nicht dreifach destillierter Scotch Lite ist.

Die größere Abweichung von schottischem Single Malt durch die (substantielle) Verwendung von Hafer, Weizen und Roggen hebt aus dieser Perspektive gerade die Eigenarten des Pot Still Whiskey hervor. Dass diese Spielart des irischen Whiskeys dann in verschiedenartigen Ausprägungen auftritt, muss keineswegs nachteilig sein. 

Es bliebe auch zu bedenken, dass Pot Still Whiskey keine auf Irland beschränkte Kategorie ist. Nichts hindert amerikanische oder kontinentaleuropäische Brenner, Pot Still Whiskey zu produzieren, der sich nicht an die Beschränkungen der irischen Regularien hält. „Der Tag an dem der erste Single Pot Still American Whiskey, der nicht mit den Vorgaben unserer geschützten Herkunftsbezeichnung kompatibel ist, an unserer Küste landet, wird uns sicher Anlass zum Nachdenken geben“, schreibt Matt Healy von Clonakilty. Im Moment erscheint die Gefahr im Moment gering, da es sich nur um Mikro-Brennereien handelt, die solche Projekte in Angriff nehmen. Wenn allerdings Pot Still Whiskey an Popularität gewinnt und ein Gigant wie Beam Suntory sich der Sache annimmt, könnte schnell eine neue Konkurrenzsituation entstehen.

Überhaupt stellt sich die Frage, was eigentlich den Giganten von Midleton davon abhalten sollte, genau dasselbe zu tun. Falls die historischen Varianten des Pot Still Whiskeys wirklich kommerziellen Erfolg zeitigen, könnte Midleton doch jederzeit zu den Wurzeln von Powers und Jameson zurückkehren. Die Experimente bei Method and Madness könnten eventuell als Vorstoß in eben diese Richtung zu lesen sein. Die Irish Distillers sind die Überlebenskünstler des irischen Whiskeys, weil sie sich immer dem Zeitgeist anzupassen vermochten. Sie werden es erneut schaffen.

Insgesamt spricht also nur wenig dagegen, die Definition von Pot Still Whiskey zu revidieren, und viel dafür. Und dies könnte schon sehr bald geschehen.

Mit seinem hohen Anteil Roggen nach aktueller Lage kein Pot Still Whiskey… vor hundert Jahren dagegen schon

Die Revision. Das Ende der Reise?

Alle Zeichen deuten auf eine unmittelbar bevorstehende Revision bzw. Ergänzung der Legislation zugunsten der Kritiker. Wie diese im Detail aussieht, bleibt abzuwarten. Sie wird mit Sicherheit größeren Spielraum für kleinere Brennereien eröffnen. Damit wäre der Pot Still Whiskey jedoch nicht am Ende der Reise angelangt. Es ist vielmehr der Anfang.

Den meisten irischen Brennern geht es nicht darum, historische Mash Bills kopistisch wiederauferstehen zu lassen. Es geht ihnen um Freiraum. Die über 40 Destillerien in Irland sind fast alle sehr jung und streben danach, sich selbst zu finden, gleichwohl sie auf eine lange Tradition zurückblicken. In dieser Gemengelage wäre eine Revision genau der richtige Schritt. Spannend wird es dann aber, die langfristige Entwicklung im Auge zu behalten. Noch ist viel in Bewegung und nicht klar, wer sich wie und mit welchen Produkten etablieren können wird. Wenn non-Midleton Pot Still Whiskey national wie international größere Marktanteile erobern zu vermag, wird sich zeigen, welche Ausprägungen am populärsten sind. Diese Erfahrungen werden für die Zukunft des Pot Still Whiskeys wichtiger sein als der gesetzliche Rahmen.

Dieser muss jedoch flexibel genug sein, damit solche Erfahrungen überhaupt gemacht werden können. Zum Glück scheint die Reise in diese Richtung zu gehen. Und wir freuen uns darauf.

Ausgewählte Literatur

Crockett, Barry: The Evolution of Irish Pot Still Whiskey, in: Irish Distillers Blog 2019, von: https://www.irishdistillers.ie/the-evolution-of-irish-pot-still-whiskey/ [nicht länger zugänglich; Text liegt dem Autor vor]

C., Dave: The Whiskey Technical File- Constraining or Innovating?, in: The Water of Life 2022, von: https://thewateroflife.org/2022/02/03/the-whiskey-technical-file-constraining-or-innovating%EF%BF%BC/

Healy, Matt: It’s Time to Change the Single Pot Still Technical File Definition and Here’s How, in: Potstilled 2020, von: https://potstilled.com/revise-the-technical-file/

Henry, James u.a.: Interim Report of the Royal Commission on Whiskey and Other Potable Spirits, London 1908

Kincaid, Sean: Midleton Distillery, Once An Irish Whiskey Saviour, Are They Now Out Of Touch and Being Left Behind?, in: Dark Cloud Whisky 2023, von: https://www.darkcloudwhisky.com/post/midleton-distillery-once-an-irish-whiskey-saviour-are-they-now-out-of-touch-and-being-left-behind

Mulryan, Peter: A Manifesto for Pot Still Irish Whiskey, Ballyduff Upper 2022

Ders.: The Whiskeys of Ireland, Dublin 2021

O’Connell, Adam: Irish Pot Still Whiskey Legislation to Change, in: Master of Malt 2019, von: https://www.masterofmalt.com/blog/post/irish-pot-still-whiskey-legislation-to-change.aspx

o.A.: Pot still Irish whiskey – through the definitions, Irish Whiskey Magazine 2019, von: https://www.irishwhiskeymagazine.com/insights/pot-still-irish-whiskey-through-the-definitions/

2 Comments

  • Ballykeefe Single Pot Still Whiskey - DoktorWhisky.de 30. Juli 2023 at 12:29 Reply

    […] unhandlich, doch verbirgt sich dahinter ein äußerst gradliniger Whiskey. Er hält sich an die (momentane) Gesetzgebung, die mindestens 30% gemälzte und 30% ungemälzte Gerste verlangt. Hier liegt das […]

  • Rye Whiskey und seine deutschen Wurzeln - DoktorWhisky.de 18. November 2023 at 1:00 Reply

    […] Erfahrung in der Destillation von Roggen; die Iren schon eher, da Roggen in einigen Mash Bills älterer Pot Still Whiskeys mit bis zu 15% vertreten ist. Zwar kann die Erfahrung gewonnen werden, doch gab es bereits Gruppen […]

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