Grumsiner Mammoth Single Rye
Mehr Rye aus Brandenburg
Brandenburg, Grumsiner und historisches Getreide
Die einstige Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches, Brandenburg, ist längst Whisky-Land geworden. Knapp ein Dutzend brandenburger Brennereien produziert Whisky auf hohem Niveau, ein paar haben es zu nationaler und sogar internationaler Anerkennung geschafft. Und auch hier ist Rye auf dem Vormarsch. Nun gesellt sich die Grumsiner Brennerei aus der Uckermark hinzu.
Grumsiner zeichnet sich durch die Verwendung historischer Getreidesorten aus, die von umliegenden Landwirtschaftsbetrieben rekultiviert werden. Zu diesem starken regionalen Bezug passt auch die Verwendung von Quellwasser aus dem benachbarten Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin.
Grumsiner ist keineswegs ein Unbekannter für uns, fast genau vor einem Jahr haben wir den Single Grain auf Weizenbasis rezensiert – ein schöner, weicher Whisky, der uns zusagte. Mit dem Single Grain Rye Whisky in Trinkstärke erweitert sich das Portfolio um eine Whiskysorte, die absolut im Trend liegt und definitiv keine Modeerscheinung mehr ist.
Der verwendete Roggen ist der Anfang des letzten Jahrhunderts gezüchtete Marienroggen. Dessen Destillat reifte in Rumfässern aus Martinique und erfuhr ein Finish in andalusischen Sherryfässern, was auch die dunkle Farbe erklären sollte. Abgefüllt mit 45,8% ABV klingen die Eckdaten also vielversprechend. Aber der Name Single Rye ist furchtbar und Symptom eines tiefergehenden Problems.
Single Grain … not again!
Ich hatte bereits beim Grumsiner Weizenwhisky kritisch angemerkt, dass man sich mit der schottisch geprägten Bezeichnung als Single Grain keinen Gefallen getan hat. Zu sehr ist der Terminus hierlande (unfairerweise) mit dem Füllmaterial schlechter Blends assoziiert, zu unspezifisch ist er. Letzteres Problem führte dann dazu, dass der vorliegende Roggenwhisky nun als Single Rye ausgewiesen werden muss, um ihn vom Weizenwhisky abzugrenzen. Konsequent wäre es gewesen, ihn eben auch Single Grain zu nennen.
Überhaupt macht es keinen Sinn, einen so regional geprägten Whisky in ein schottisches Deutungsschema pressen zu wollen. Geradezu kurios ist das im Fall des Rye Whiskys, für den Schottland wahrlich nicht bekannt ist (trotz eines aktuellen Revitalisierungsversuches). Hier bräuchte es etwas mehr Selbstbewusstsein und ein klares Bekenntnis zu den Brandenburger Wurzeln – auch im Namen.
Das Namensproblem muss in dieser Deutlichkeit und Direktheit angesprochen werden, da die Grumsiner Brennerei beileibe nicht allein steht mit dieser Unsitte. Wenn es denn ein großes Vorbild für Roggenwhisky braucht, dann führt der Weg unweigerlich nach Nordamerika. Zum Beispiel mag ein gewisser Herr Böhm, aka Beam, Auskunft darüber geben, wo die Wurzeln des Ryes und ihrer Brenner liegen… Nun aber zum Whisky selbst.
Nase
Gin.
Wäre die dunkle Farbe nicht, würde man in einem Blindtasting zuerst vielmehr an Gin denn an Whisky denken. So stark sind Kräuter und ätherische Öle zu Beginn, dass nur eine Wachholdernote fehlt.
Nur langsam beginnt das Fass zu zaubern: dunkle Früchte, Himbeeren und Brombeeren, etwas Rotwein. Ganz am Ende wird es sogar noch etwas zuckrig. Je länger der Rye im Glas steht, desto besser kommen die Aromen des Holzes zur Geltung und drängen das am Anfang doch arg dominante Destillat zurück.
Geschmack
Im Mund wechseln sich kräuterige Geschmäcker mit süßlichen ab, dazu kommt eine herbe Würzigkeit, die den Rye im besten Licht erscheinen lässt. So ganz wollen diese Elemente aber nicht harmonieren. Wo gerade noch Anis, Ingwer und Lakritz kamen, setzen Steinobst und Sirup nach.
Abgang
Der Whisky verabschiedet sich mit viel Würze. Da ist die Würze des Roggens deutlich, aber auch die Würze alter Eiche, die fast in Bitterkeit von Tanninen umschlägt. Der Eindruck könnte aber auch die durch nach wie vor präsenten, oft leicht bitteren Kräuter entstehen.
Fazit: schwierig
Es mag dem kräftigen Marienroggen geschuldet sein, doch das Destillat bestimmt den Gesamteindruck stärker als es dem Whisky gut tut. Ich habe den Verdacht, dass die Rumfässer bereits gebraucht waren, nicht mehr viele Aromen abgaben und daher ein Sherry-Finish draufgelegt wurde, um diese Schwäche zu übertünchen. Das passiert leider recht oft. Vielleicht reichte die Zeit im Holz auch einfach nicht aus, jedenfalls hätte ich mir mehr Fasseinfluss gewünscht.
Was bleibt ist ein Rye Whisky, der zwar Potential hat, am Ende jedoch nur hartgesottenen Fans des Roggens empfohlen werden kann – und wohlbegüterten. Der Preis bewegt mit 59€ für den halben Liter in einem anspruchsvollen Premiumsegment. Die direkte brandenburger Rye Whisky-Konkurrenz ist oftmals günstiger bei schlüssigeren Konzepten.
Wir wissen um das Können der Uckermärker Brenner, nicht zuletzt dank des Weizenwhiskys, der uns überzeugen konnte. Obwohl uns dagegen der erste Versuch mit dem Rye nicht vollends überzeugt hat, hoffen wir auf einen weiteren Versuch mit dem Roggen. Je mehr deutscher Rye Whisky, desto besser. Dabei darf gern experimentiert werden. Schließlich sei nicht unerwähnt, dass dies alles nur eine persönliche Wahrnehmung ist, die andere Menschen keineswegs teilen müssen. Der jünsgte Grumsiner Beitrag zum Roggentrend könnte durchaus seine Freunde finden. Wir würden uns darüber sehr freuen.
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