Glenalba (23 Jahre)

Lidl? Ernsthaft? Ja, ernsthaft.

Premium-Whisky von Lidl. Ein Oxymoron?

Dass Lidl Whisky in den unteren Preisregionen anbieten kann, ist wahrlich nicht überraschend. Seit einiger Zeit allerdings beglückt uns der Discounter mit Abfüllungen, die ein sehr hohes Alter tragen. Das betrifft die Single Malts der Marke Ben Bracken und die Blends der Marke Glenalba. Nun weiß keiner genau, woher der Whisky eigentlich stammt und die von Lidl herangezogenen Brennereien mögen auch wechseln. Spekulationen dazu finden sich im Netz genug: Tamnavulin, Coal Ila usw.

Spannend ist die Bandbreite an Reaktionen unter den Whisky-Fans. Viele begrüßen die günstigen Preise für solide Abfüllungen, viele andere dagegen verurteilen Lidl. Sie verweisen auf die unklare Herkunft oder die mangelnden Angaben zu den verwendeten Fässern. Eine gewisse Ironie steckt schon dahinter, denkt man an die zahlreichen Sondereditionen bekannter Brennereien, die sich neben fehlender Altersangabe auch nicht durch übermäßige Transparenz auszeichnen …

Wenn wir ehrlich sind, ist das Problem ist doch ein anderes. Es heißt Lidl. Whisky ist ein Luxusgut; eines, das zwar für jeden leicht zugänglich und erschwinglich ist, aber dennoch ein Luxusgut. Da können die Aufmachung der Flasche und ihr Inhalt noch so gut sein, der Einkauf bei Lidl ist nicht mit dem Erfahren von Luxus konnotiert. Dass Lidl zudem ein wenig sympathischer Großkonzern ist, passt ebenfalls nicht in das gepflegte, romantische Bild vom Whisky – der wird in einer kleinen Destille im schottischen Hochland oder in den grünen Wiesen Irlands gemütlich von alten Männern in Wollpullovern hergestellt. Natürlich ist dieses Bild alles andere als realitätsnah, doch ein gewisses Maß an Eskapismus gehört zum Whisky-Genuss.

Das hohe Alter

23 Jahre sind ein stolzes Alter. Nun ist aber die Reifungszeit allein kein zuverlässiges Qualitätsmerkmal, da viel von den Fässern abhängt. Lidl macht zu diesen keine Angaben, daher muss davon ausgegangen werden, dass auch einige schon mehrfach verwendete und nicht mehr besonders aktive Fässer gebraucht wurden.

Außerdem ist der Glenalba ein Blend und beim dort verwendeten Grain-Whisky kommen gern besonders lang genutzte Fässer zum Einsatz, die kaum noch Aromen abgeben. Das hohe Alter, so beeindruckend es sein mag, sollte man daher nicht überbewerten.

Dafür hat der Whisky eine Nachreifung in ex-Sherry-Fässern erfahren. Nun sind wir bei DoktorWhisky.de nicht die allergrößten Sherry-Fans, aber diese Entscheidung macht gerade bei einer so alten Abfüllung Sinn. Sie verleiht dem Whisky nicht nur zusätzliche geschmackliche Tiefe, sie könnte die eventuell etwas bitteren Aromen der alten Fässer und ihrer Tannine ausgleichen.

Nase

Die Nase ist dezent. Überraschend frische Noten von Madarine, Orange und Blutorange wechseln sich mit schweren Aromen ab, die für sherryfassgereifte Whiskies typisch sind: Pflaume, Waldbeeren, etwas Kaffee, vielleicht Schokolade. Dazu kommt eine sirup- bzw. honigartige Süße. Die Gerüche sind sehr ausgewogen und können durchaus mit beachtlicher Komplexität aufwarten, lassen aber auch einiges vermissen. Eiche oder generell Würze ist allenfalls hintergründig präsent; nur eine deutlich ledrige Note setzt einen Kontrapunkt zu den Früchten. Die Nase des Glenalba wirkt leichter, aber auch frischer als man bei 23 Jahren Alter vielleicht erwartet hat.

Geschmack

Der Whisky setzt die Eindrücke des Bouquets auf der Zunge nahtlos und konsequent fort. Allerdings gewinnt er an Volumen und sein Alter macht sich positiv bemerkbar. Er wirkt schokoladiger, cremiger und auch würziger. Nuss, frische Holzspäne und sogar etwas Pfeffer harmonieren wunderbar mit den intensiven Fruchtaromen, die nahezu den gesamten Obstkorb abdecken, allerdings klar in Richtung von Pflaume und gezuckerten Blaubeeren drängen. Es ist ein sehr gefälliger Whisky …

Abgang

… vielleicht etwas zu gefällig. Gerade der kurze Abgang verdeutlicht, dass der Glenalba von einer höheren Alkoholstärke profitiert hätte. Gleichwohl die Aromen auf der Zunge hinreichend intensiv sind, hätten drei oder sechs zusätzliche Volumenprozente Alkohol dem Whisky etwas mehr Druck und einen längeren Abgang verliehen. Außerdem kommen ganz am Ende doch noch die Tannine der Eiche zum Vorschein und das leider nicht besonders angenehm. Die nach wie vor große Süße übertüncht diese Bitterkeit mehr, als dass sie sich gegenseitig ergänzten.

Fazit

Blind verkostet hätte ich zwar nicht auf 23 Jahre getippt, ich hätte aber auch keinen Blend vermutet, sondern einen gut gereiften Single Malt. Er ist fruchtig, komplex und auf der Zunge intensiv, gleichwohl der kurze Abgang ein wenig zu wünschen übrig lässt. Insgesamt macht man für diesen Preis nichts falsch. Ja, Lidl kann auch Whisky.



Kurzfassung


Scotch Blended Whisky


40%, 23 Jahre (Sherryfass-Nachreifung)


Nase: dezent fruchtig, komplex, aber nur wenig Würze


Geschmack: schwer-fruchtig, deutlich würziger, cremig, voluminös


Abgang: relativ kurz, ölig, aber leichte Bitterkeit am Schluss


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