Scheibel Emill Whisky

Stockwerk und Kraftwerk, zwei Geheimtipps

Scheibels konsequenter Weg zum Whisky

Schon wieder ein neuer deutscher Whisky? Versuchen jetzt alle Obstbrenner auf den Whiskyzug aufzuspringen? So und so ähnlich dürften einige Reaktionen auf Scheibels relativ jungen Versuch aussehen, in der Welt des Whiskys Fuß zu fassen. Allerdings ist der Schwarzwaldbrennerei Scheibel eines zu Gute zu halten: sie arbeiten oft und gern mit Fassreifungen. Und was ist Whisky schon anderes, als fassgelagerter Getreidebrand? (Siehe hier für eine längere Diskussion dieses Aspekts der deutschen Whisky-Geschichte).

Wie wir dank Mathias Bsteh und Ralf Stiller im Februar dieses Jahres feststellen konnten, hat Scheibel so einige Erfahrung damit, gute Brände in Fässern zu lagern. Das geht dann auch zu so ungewöhnlichen Dingen wie der Moor-Birne, die beinahe torfige Raucharomen mit süßlicher Frucht verbindet. Spätestens mit dem Woodka von 2008, einem fassgereiften Wodka ist klar, dass Scheibel und Whisky eine logische Konsequenz solcher Erfahrungen sind.

Seit 2014 wird in der restaurierten Mühle des Brennereigründers Emil Scheibel mit einer neuen Brennanlage Whisky produziert, der passend nach dem Gründer und der Mühle benannt ist: Emill (aus Emil und mill, Englisch für Mühle).

Stockwerk und Kraftwerk

Zur Zeit gibt es zwei Abfüllungen dieses Single Malts, Stockwerk in Trinkstärke mit 46% ABV und Kraftwerk in Fassstärke mit 58,7% ABV. In der Mühle wird der Whisky heute noch gereift und Scheibel argumentiert, dass die klimatischen Schwankungen vor Ort gewaltig sind. Von „tropenähnlicher Hitze“ im Sommer bis zu „Eiseskälte“ im Winter, plus die Feuchtigkeit des nahen Flusses. Die Böden der Stockwerke sind teilweise mit Metallgittern versehen, sodass unten kalte Luft hineinströmt, sich erwärmt und nach oben steigt. Dieser Luftzug zieht die Feuchtigkeit nach oben und sorgt zusammen mit der großen Wärme für eine schnellere Reifung.

Die Reifung selbst erfolgt in vier unterschiedlichen Fassarten, gemäß der vier Stockwerke in der Mühle. Bekannt sind ex-Bourbon, ex-Cognac und deutsche Eiche in verschiedenen Größen. Eine Fassart bleibt ein Geheimnis, wobei es schon nicht leicht war, die anderen Fassarten herauszufinden. Ehrlich gesagt verwundert diese Geheimniskrämerei etwas. Immerhin macht Scheibel eine Reihe spannender fassgereifter Brände und die Nutzung dieser Fässer käme dem Whisky sicher zu Gute. Mindestens wäre es ein netter Marketing-Bonus.

Dem Marketing hilft hingegen die bombastische Aufmachung der Abfüllungen. Edle Verpackungen mit Magnetverschluss enthüllen schwere Karaffen mit dickem Boden und markantem Seitenrelief. Die Flasche ist ein echter Hingucker. Sogar die Miniaturen sind entsprechend ausgestattet. Nun entscheidet letztlich der Inhalt, aber deutscher Whisky hat es am Markt einfach schwerer als selbst durchschnittlicher Scotch Whisky. Da gilt es, jeden Vorteil zu nutzen und auf sich aufmerksam zu machen. Dessen ungeachtet sollte der Whisky allerdings seiner Aufmachung zur Ehre gereichen, mindestens.

Emill Stockwerk (46% ABV, NAS deutscher Whisky)

Nase

Karamell und kräftige Röstaromen dominieren den ersten Eindruck. Dann drängen frische, helle Früchte hervor, v.a. Zitrone. Minze kommt ebenfalls hinzu, insgesamt jedoch bleibt die Nase in erster Linie süßlich schwer, ja sogar reif und voll.

Geschmack

Der Whisky ist unheimlich mild im Mundraum, füllt ihn aber dennoch – ein gutes Zeichen. Die Süße bleibt, wird durch deutlichen Blütenhonig ergänzt, der hervorragend zu den ebenfalls noch präsenten hellen Früchten passt. Der Whisky wirkt etwas jugendlicher als in der Nase noch, keinesfalls aber unangenehm.

Abgang

Allenfalls angedeutet im Mund sind würzige Noten, die im Abgang klarer in Erscheinung treten. Pfeffer und Muskatnuss machen sich auch deswegen gut im Abgang, da sie die starken Röstaromen gut komplementieren. Zwar ist der Abgang etwas kurz, ansonsten gibt es aber wenig zu beanstanden.

Kraftwerk (58,7% ABV, NAS deutscher Whisky)

Nase

Der ist fassstark, keine Frage. Gut, dass Scheibel selbst vom „Alkoholschock“ spricht, denn das ist auch mein erster Eindruck. Ist dieser jedoch verarbeitet, erfährt man eine Steigerung des trinkstarken Stockwerks: schweres Karamell, ganz massive Röstaromen wie frische Kaffeebohnen und getoastetes Schwarzbrot. Bitterschokolade macht sich bemerkbar, während die Früchte weiter in den Hintergrund rücken. Nur ein Hauch Zitrone sorgt für Frische. Das ist eine schöne, schwere Nase.

Geschmack

Hier ist der Alkohol bestens eingebunden. Natürlich drücken die fast 59% ABV an den Gaumen, liefern aber auch ordentlich Geschmack und sind ohne Zugabe von Wasser trinkbar. Konsequent setzt das Kraftwerk die Geruchseindrücke auf der Zunge fort. Vor allem Karamell und Bitterschokolade bestimmen das Bild. Pfeffer war beim Stockwerk nur zu erahnen bzw. im Abgang zu finden. Hier jedoch bietet er einen deutlichen und gelungenen Kontrast zur Süße, ja fast einen Chili-Catch (wie H. Lüning sagen würde). Etwas Ingwer folgt dem Pfeffer.

Abgang

Gegen Ende wird das Kraftwerk immer würziger mit Pfeffer, Ingwer, Anis und Muskatnuss, aber auch das Karamell verschwindet nicht. Erneut ist der Abgang vielleicht nicht so lang wie erwartet, Qualität hat er aber.

Fazit: zwei sehr gute deutsche Whiskys

Wer hier einen Obstler oder Gerstler befürchtet, könnte kaum weiter von den Tatsachen entfernt sein. Scheibel hat sich einige Mühe gemacht und ein ausgeklügeltes Konzept umgesetzt, das über reines Marketing-Gewäsch hinausgeht. Die Geheimniskrämerei um die Fässer gefällt mir nicht, das Ergebnis allerdings ist über Zweifel erhaben. Es sind zwei wunderbar reife, runde und bisweilen elegante Whiskys.

Besonders die Dominanz des Süßlichen beeindruckt, da sie durch schwere Rostaromen und mehr oder weniger stark ausgeprägte Würze im Zaum gehalten wird. Dass Früchte hier die zweite Geige spielen, ist eine willkommene Abwechslung.

Natürlich sind weder Stockwerk noch Kraftwerk perfekt, zu kurz der Abgang, zu abrupt bisweilen der Übergang vom Süßen zum Würzigen. Angesichts des positiven Gesamteindruckes sind das aber Quisquilien.

Die Frage ist eher, ob der Stil des Whiskys angenommen wird von den Fans in Deutschland. Denn nur wenige Scotch Single Malts gehen in diese Richtung. Scheibel wandelt abseits der ausgetretenen Pfade. Das finden wir bei DoktorWhisky.de natürlich genial, nur vertreten wir damit vielleicht keine Mehrheitsmeinung… Eine klare Empfehlung wollen wir aber so oder so aussprechen.

Ausdrücklich danken möchten wir Ralf Stiller von der Agentur Stiller, der uns die beiden Miniaturen zur Verfügung gestellt hat.

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