Old Hunter’s Rye

500 Jahre Tradition

Die älteste Brennerei der Welt?

Die Palírna U Zeleného Stromu – oder auch Green Tree Distillery – hat guten Anspruch darauf, eine der ältesten Brennerei der Welt zu sein. Jedenfalls geht die Tradition weit zurück: 1518 gewährte Wilhelm II. von Pernstein einem gewissen Jež aus Seloutky das Recht, Bier zu brauen. 1610 erweiterte Karl von Liechtenstein dieses Recht auf das Brennen von Spirituosen. Wohl hat die heutige Distillerie keine ganz ungebrochene Verbindungslinie zum 16. Jahrhundert, dennoch kann sie auf eine lange Geschichte zurückblicken.

Zu dieser Geschichte gehört auch Whisky. Freilich erfüllen die Brände aus der Zeit Karls von Liechtenstein kaum die modernen Kriterien für Whisky. Doch dieser ist ohnehin das Ergebnis einer Reihe von Entwicklungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Auch der ‚Scotch‘ der frühen Neuzeit hat wenig mehr mit seinen heutigen Nachfahren zu tun, als dass es sich um einen Getreidebrand handelt. Und das ist bei den Böhmen bzw. Tschechen nicht anders. Roggen zu brennen und vielleicht sogar in Fässern zu lagern, dürfte tatsächlich schon in den Gründungsjahren möglich gewesen sein. Insofern ist glaubhaft, dass zumindest eine Vorform des Rye Whiskys unterm grünen Baum hergestellt wurde.

Neben Rye Whisky gibt es zu erwartende Obstbrände, Wodka und Kräuterschnaps, aber auch einen Rum zu Ehren der tschechoslowakischen Legionen. Das Whiskyportfolio ist in den letzten Jahren erweitert worden, sodass mit weiteren Abfüllungen zu rechnen ist.

Goldene Abendsonne und goldener Whisky. Leider mit Farbstoff…

Der Zwiespalt

Selten macht eine Flasche einen so zwiespältigen ersten Eindruck. Das fängt bei der Optik an: eine schöne Flasche mit im Glas eingeprägtem Wappen der Brennerei auf der Vorderseite und dem der Pernsteiner auf der Rückseite, plus Unterschrift des Brenners – und doch hat sie nur einen bescheidenen Blechschraubverschluss. Dieser Zwiespalt setzt sich bei den Eckdaten des Whiskys fort, denn eine insgesamt siebenjährige Reifung ist beachtlich, die 40% ABV dagegen das absolute Minimum.

Schön wäre es zudem, nähere Informationen über die Reifung zu erhalten. Zwar wird auf den Lagerort, ein jahrhundertealtes Kellergewölbe abgehoben, doch über die Fässer lässt sich nur wenig erfahren. Vier Jahre lag der Whisky in Eiche, bevor er weitere drei Jahre im Holz verbrachte. Bisweilen ist in Shops zu lesen, es handle sich um Bourbon- und PX-Fässer.

Angesichts des günstigen Preises von unter 30€ sei aber keine zu harsche Kritik vorgebracht, obwohl etwas mehr Transparenz sicher nichts Negatives zu Tage fördern würde. Im Gegenteil versprechen die bekannten Eckdaten doch ein solides Preisleistungsverhältnis.

Nase

Die Aromen sind nicht sehr kraftvoll, dafür allerdings zurückhaltend dezent. Reife Früchte und Vanille brauchen eine Weile, bis sie die Nase erreichen. Roter Apfel, Birne und süße Kirsche wirken fast wie Marmelade. Erst spät stellen sich getoastete Schwarzbrotnoten ein. Dazu kommt eine leichte Eichenwürze, die sich gegen die Fruchtigkeit jedoch nicht zu behaupten weiß. Dies scheint kein typischer Rye zu sein.

Geschmack

Auf der Zunge ist der Whisky unheimlich weich und schmeichelt dem Gaumen. Das geröstete Schwarzbrot ist nun viel deutlicher, näher am typischen Rye, zumal mit etwas Kümmel und Anis nun auch mehr Würze drin liegt. Salted Caramel und Vanille sorgen immer noch für Süße; die Früchte liegen weiter im Hintergrund.

Abgang

Ein mittellanger Nachklang von Würze verabschiedet den Whisky.

So viel Geschichte an einem Ort

Fazit: ungewöhnlich und gut, braucht aber mehr ABV

Der Old Hunter zeigt die milde Seite der Rye Whiskys. Der Roggen bleibt unverkennbar, doch ist nur wenig von der pfeffrigen Schärfe und der kräuterigen Frische anderer Ryes zu spüren. Stattdessen weist er viel mehr Süße von Frucht und Karamell bzw. Vanille auf. Mild ist der Whisky auch ob der geringen Alkoholstärke und der offenbar exzellent wirkenden subtraktiven Reifung, die sieben Jahre im Holz bewirken. 500 Jahre Erfahrung in der Destillation erzeugen wohl weichen Whisky…

Hier liegt ein ungewöhnlicher, ein milder, ja süffiger Rye Whisky vor, der manche Erwartung konterkariert. Allerdings schreit der Old Hunter geradezu nach mehr ABV. So weich wie er im Mund ist, und so zurückhaltend wie er in der Nase ist, täten 3% oder 6% mehr ABV einfach gut. Ein Korken würde den Whisky optisch aufwerten und ihm den verdienten Ersteindruck verschaffen.

Trotz dieses Desiderats kann angesichts des Preises nur eine Empfehlung ausgesprochen werden. Für Rye-Fans ist er Pflichtprogramm. Außerdem amüsiert es vielleicht den ein oder anderen, in die ewige iro-schottische Debatte einzugreifen, wer nun den ersten Whisky gebrannt hat. Denn die älteste Whisky-Brennerei liegt sicher nicht im Vereinigten Königreich, sondern im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – zu dem Böhmen seinerzeit gehörte.

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