Appalachian Bourbon

Single Barrel Bourbon aus West Virginia

DMAX, Poesie und Bourbon … wie geht das zusammen?

Moonshine – dieses amerikanische Wort für illegal gebranntes Rohdestillat klingt romantisch, ja beinahe poetisch. Es evoziert Bilder von sanftem Mondlicht, das sich nachts in der klaren Flüssigkeit bricht, und Bilder von trotzigen Bergbewohnern, die sich eines übermächtigen Staates erwehren. Die Realität ist freilich deutlich weniger romantisch.

Spannend ist das Thema aber allemal und so nimmt es nicht Wunder, dass der Discovery Channel seit 2011 eine Dokudramaserie über die Schwarzbrenner in den Appalachen produziert. Auch nach 10 Staffeln ist kein Ende in Sicht. Die Serie ist beliebt und wird hierzulande von DMAX ausgestrahlt. Ein Fan ist Felix von Moonshine and More. Fasziniert von der Idee des Moonshines, schickte er sich an, dieses Geschmackserlebnis nach Deutschland zu bringen.

Vergangen sind längst die Zeiten, da Moonshine allein dem Wirkungstrinken galt, zumindest in der Appalachian Distillery in West Virginia, die sich Felix ausgesucht hat. Die hat eine lange Geschichte – der Brennmeister ist ein Hatfield – brennt aber inzwischen ganz legal und auf höchstem Niveau. Der Moonshine, das Grundprodukt für eine breite Palette an Flavoured Spirits, ist kein industrieller Alkohol, sondern das Destillat von Mais. Es dient auch das Ausgangsprodukt für den Whiskey, den die Brennerei in zwei Varianten herstellt. Der Bourbon kommt als Single Barrel, dessen gebrauchte Fässer wiederum zur Reifung des Appalachian Whiskey dienen.

Für den Whiskey-Fan sind damit der Moonshine, also der feine New Make, der Bourbon und der Appalachian Whiskey hochinteressant. Auch wenn der Familienbetrieb Whiskey nicht im Fokus hat, werden wir uns im Folgenden mit dem Bourbon und dem Moonshine beschäftigen. Der Appalachian Whiskey kriegt später aber auch noch seine Chance.

Im Hintergrund lauert noch ein anderer Whiskey…

Single Barrel Bourbon. Der Goldstandard

Einzelfassabfüllungen sind seit ein paar Jahren der große Trend in Europa, waren in den USA aber lange vorher ein Ideal. Bourbon ist durch strenge gesetzliche Vorgaben in seiner Geschmacksvielfalt doch recht beschränkt, sodass die US Brennereien früh auf diejenige Variation setzten, die eine Einzelfassabfüllung bot. Die kleine Appalachian Distillery hat sich direkt für die Einzelfassabfüllung entschieden. Bourbon muss entgegen manchmal anzutreffender Irrtümer nicht unbedingt aus Kentucky kommen; in West Virginia kann also auch Bourbon hergestellt werden.

Unser Bourbon stammt aus dem Batch 1320 und reifte für 34 Monate, zeigt eine schöne goldbraune Farbe, die dem Fass zu verdanken ist. Die Mash Bill ist mit mehrheitlich Mais und nur wenig Roggen altbewährt. Abgefüllt ist er mit 50%, auch dies ein Merkmal guten Bourbons, denn die werden gern mit dieser Stärke oder höher abgefüllt. Insgesamt wirkt der Whiskey insgesamt sehr klassisch und damit auch gut vergleichbar.

Interessant wird es sein, die Entwicklung vom Moonshine zu diesem Bourbon verfolgen zu können, daher verkosten wir beide zugleich.

Nase

Moonshine: eine leichte Maissüße, die zum Popcorn tendiert, bestimmt den Ersteindruck. Der verfestigt sich und wird allenfalls durch frische Gräser sowie Anis komplimentiert.

Bourbon: zwar ist die typische Maissüße unverkennbar, ebenso wenig die fast erwartbare Wucht an dunklem Karamell und Vanille, doch darunter liegt mehr. Gerade der Vergleich mit dem Moonshine offenbart die zarte Anisnote, die andernfalls von der Süße überlagert worden wäre. Der Hauch Minze dagegen fiele auch ohne dies deutlich auf, da er sich wunderbar mit dem schweren Karamell verträgt.

Die Aromen sind vielschichtiger und komplexer als es zunächst den Anschein hat, jede Minute im Glas legt neue Facetten frei. Ganz am Ende zeigen sich Röstaromen.

Geschmack

Moonshine: der erstaunlich scharfe Antritt und die schnelle Belegung des Mundraums bezeugen die Intensität des Moonshines. Nahtlos setzen sich hier die Eindrücke fort, die die Aromen in der Nase geweckt haben. Allerdings kommt die kräuterige Qualität deutlicher zum Tragen.

Bourbon: wo der Moonshine noch scharf antrat, zeigt sich der Bourbon beinahe zurückhaltend. Doch entwickeln die 50% ABV schnell ihre Kraft und das dunkle Karamell besetzt die Zunge. Buttrig weich, aber weniger süß als erwartet, fungiert es fast wie ein Bett für zahlreiche weitere Geschmäcker. Gebackene Orange und Nutella-Toast auf der einen Seite und frische Kräuter wie Minze und Lorbeer auf der anderen harmonieren in diesem Rahmen erstaunlich gut. Sie fordern den Genießern jedoch einiges ab, da sie in rascher Folge auf den Gaumen einstürmen.

Abgang

Moonshine: sehr mild und sanft, dabei kurz und auf den Punkt. Er erinnert ein wenig an Kräuterbutter.

Bourbon: zunächst wirkt er ‚nur‘ mittellang, hallt dann aber noch sehr lange nach. Bestimmend ist hierbei wieder das Karamell, das diesmal aber eine Prise Pfeffer abbekommen hat.

Zwei Bergbewohner in der großen Stadt

Fazit: ein Hochgenuss für Bourbon-Fans

Der Bourbon aus den Appalachen muss sich nicht verstecken, er ist ausgezeichnet. Er erfüllt sämtliche Erwartungen eines Bourbon-Fans, bewahrt dabei jedoch ein klar eigenständiges Geschmacksprofil und balanciert gekonnt verschiedene Aromen. Der Whiskey ist sehr fordernd, wenn es darum geht, seine Vielschichtigkeit zu ergründen, weil vordergründig ein allzu klassisches Bourbonerlebnis wartet. Nur mit feiner Aufmerksamkeit enthüllt er all seine Nuancen, die ihn von den üblichen Vertretern seiner Art absetzen – dies dann umso wirkungsvoller.

Der Moonshine wiederum weist ebenfalls ein glasklares Geschmacksprofil auf, das tatsächlich zum Purtrinken taugt, wenn einem der Sinn nach unkomplizierten und unprätentiösen Genuss steht. Die Zielgruppe wäre hier vielleicht eher bei den Fans klarer Spirituosen und bei Mixern zu suchen, dennoch können Whiskey-Fans hier ihren Horizont etwas erweitern.

Der Appalachian Bourbon ist übrigens nicht nur hierzulande eher unbekannt, sondern auch auf der anderen Seite des Atlantiks ein Dark Horse. Umso dankbarer darf man Felix sein, dass er diesen Rohdiamanten fast zufällig entdeckt und nach Deutschland gebracht hat. Dies bezeugt wieder einmal, dass wir von der reichhaltigen Brennkultur in Amerika neben den Industriegiganten eigentlich nur vereinzelte Bruchstücke kennen. Die sind – so viel darf ich nach dem Tasting zahlreicher Mikrobrennerei-Whiskeys sagen – keineswegs immer so lecker wie der hier. Aber wer weiß, was in den Tiefen der amerikanischen Wälder noch verborgen liegt?

Wir danken der Felix von Moonshine and More für die Zustellung dieser Flaschen als Rezensionsexemplare!

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