Nordhäuser Rye Whisky No.3
Die Nordhäuser Traditionsbrennerei beweist, dass Roggen und Sauternes harmonieren
Immer verlässlich. Nordhausens Premiumsegment
Ob es nun Premium oder Superpremium heißt, die Traditionsbrennerei Nordhausen hat ihr Angebot an fassgereiften Spirituosen in den letzten Jahren stetig ausgebaut. Das betrifft die 1507-Linie, von der wir auch schon einen Vertreter rezensiert haben, und die Meisterstück-Linie. In diese fallen auch die Abfüllungen von Nordhäuser Roggenwhisky aus den Jahren 2023 und 2024.
Kritiker deutschen Whiskys führen häufig (und häufig zurecht) an, dass viele Brenner nur einem Trend kurzfristig hinterherlaufen und keinen authentischen Bezug zum Whisky haben. Nordhausen ist dies nicht vorzuwerfen. Einerseits weißt ihr traditioneller, aus 2/3 Roggen bestehender Korn eine beträchtliche historische Nähe zum Rye Whisky auf. Ja, er kann als eine substantielle Wurzel des amerikanischen Ryes verstanden werden. Zum anderen ist der Nordhäuser Whisky grundsätzlich zehn Jahre alt und allein darum keine Modeerscheinung.
Die Traditionsbrennerei ist nunmehr an einem Punkt angelangt, an dem sie die Vielseitigkeit ihres Roggenwhiskys durch verschiedene Finishes unterstreichen können. No.2 von 2024 sah den Port, nun ist es Sauternes. Damit beweisen die Nordhäuser Souveränität im Ausbau ihrer Whisky-Linie und versprechen Konstanz.
Die Chargen von rund 1200 Flaschen pro Abfüllung erscheinen bei Nordhausens Gesamtausstoß verschwindend gering, sind tatsächlich auch schnell ausverkauft, allerdings reden im Zusammen mit deutschem Whisky immer noch von beachtlichen Zahlen. So mancher wünschte sich, 1000 Flaschen an einem Tag abzusetzen. Für Nordhausen dürfte das kommerzielle Moment aber nur ein untergeordnetes sein. Auf diese Frage kommen wir am Ende der Besprechung noch zu sprechen. Nun soll es erst einmal um den Whisky gehen.

Roggen und Sauternes
Sauternes stammt aus dem Bordeaux. Obwohl sicher bekannter für seine Rotweine, beheimatet diese Gegend auch einen Weißwein bekannt für Fruchtigkeit, Süße und spritzige Säure. Der Sauternes gehört längst zum Standardrepertoire von Finishes in der Whiskywelt, bei Rye haben das jedoch erstaunlich wenige probiert.
Erstaunlich ist das insofern, als dass gerade die fruchtige Süße des Sauternes dem Rye eine ihm sonst qua Destillat seltene inhärente Komponente verleiht. Die Kombination aus würzigem Roggen und fruchtigem Wein scheint maßgeschneidert. Nun ist es so, dass in der amerikanischen Heimat des Rye andere Fasstypen als neue Eiche selten gebraucht werden, weil es dann nicht mehr Rye Whiskey heißen darf. Andererseits umgehen Hersteller dieses terminologische Problem durch Formulierungen wie ‚Rye Whiskey finished in […]‘. Ein paar seltene solcher Vertreter mit Sauternes gibt es tatsächlich, sie finden indes noch seltener ihren Weg zu uns.
Doch selbst die Euro-Ryes bedienen sich nur vereinzelt dieses Fasstyps. Hier bestehen keine gesetzlichen Hürden und Sauternes könnte zum Einsatz kommen. Einige deutsche Brennereien, die auch Rye im Programm führen, verfügen über einige Erfahrung mit Sauternesreifungen, darunter Slyrs, Nine Springs oder Betz. Auf den Rye übertragen hat dies bislang kaum einer.
Nordhausen begibt sich also nicht auf terra incognita, könnte nichtsdestoweniger einen breitenwirksamen Beweis erbringen, dass Sauternes und Rye zusammenpassen.
Die üblichen Eckdaten sind unverändert: 90% Roggen und 10% Gerstenmalz; 46% ABV, um Whiskyfans abzuholen, aber Einsteiger nicht direkt zu überfordern; und eine zehn jährige Reifung in auf medium getoasteten Fässern frischer deutscher Eiche plus dem Sauternes-Finish. Die Grundreifung in der deutschen Eiche hat sich in der Form absolut bewährt, ergänzt das Destillat statt es zu erdrücken. Die spannende Frage ist nun der Effekt des Sauternes-Finishs.
Nase
Den Anfang machen reife gelbe Früchte wie Aprikose, Mirabelle, Apfel und Banane, alle sehr süß und doch mit einem Spritzer Frische. Über diesem Fruchtkorb liegt eine schwere Schicht Gewürze, besonders Nelke und Pfeffer, auch wenn sie nicht beißend scharf ist, sondern eher mild. Ergänzt wird dieses Wechselspiel durch Pfefferminz und einen Hauch Menthol. Ganz im Hintergrund, am Rande der Wahrnehmungsschwelle, hält sich Eichenwürze.
Geschmack
Im Grunde setzen sich die Aromen in der Nase auf dem Gaumen fort. Es folgt aber eine kleine Akzentverschiebung. Während die gelben Früchte nach wie vor reif und süß wirken, werden die Gewürze etwas schärfer. Neben Pfeffer und Nelke treten deutlich Chilis dazu. Der nun würzigere Eindruck wird durch das Holz verstärkt, das nun in den Vordergrund drängt. Pfefferminz und Menthol sind nicht verschwunden, sondern ergänzen nach wie vor den Gesamteindruck.
Abgang
mittellang, balanciert Süße und Würze, nun auch Bitterstoffe

Fazit: Proof of Concept gelungen
Sauternes und Rye passen zusammen, ganz hervorragend sogar. Die süßen Früchte und die herbe Würze spielen so gut miteinander, als seien es Komplementäraromen – in Anlehnung an die Komplementarität in der Farblehre. Vielleicht ein My zu intensiv im Aroma, bewahrt der Nordhäuser Rye die Balance dieser beiden Elemente, lässt das Destillat nie untergehen und bisweilen richtig scheinen. Das Fass-Finish fügt sich in ein Konzert ein, in dem alle Komponenten ihren festen Platz haben.
Auch die Nummer Drei in der Reihe der Nordhäuser Ryes bleibt ein relativ sanfter Roggenwhisky. Das kristallisiert sich langsam aber deutlich als Identitätskern heraus und passt gut zu den anderen Nordhäuser Bränden. Bemerkenswert für eine recht neue Serie auf dem Whiskymarkt ist, dass auf brachiale Reifungen wie extrem dunkle Sherrybomben konsequent verzichtet wird. Nordhausen vertraut seinem Destillat uneingeschränkt und hat nasse Fässer gar nicht nötig. Auf dass dies so bleibt!
Nach drei vorzüglichen Abfüllungen des Nordhäuser Roggenwhiskys stellt sich die Frage, welche langfristige Strategie damit verfolgt wird. Mit gewisser Absehbarkeit werden weitere Roggenwhiskys folgen, auch ein Single Malt ist in der Mache. Meine Vermutung: Nordhausen will zunächst beweisen, dass sie hochwertigen Whisky herstellen können. Logischerweise tun sie das als erstes mit dem für Nordhausen berühmten Roggen. Mit genug Erfahrung und Kundenfeedback könnte dem ein substantiellerer Eintritt in den Whiskymarkt folgen. Weil aber Rye aus Deutschland eine Nische ist und bleibt, funktioniert so ein Eintritt flankiert durch einen Single Malt freilich besser.
Die aktuelle Krise der Whiskywelt allerdings macht ein großangelegtes Eingreifen Nordhausens in den deutschen Markt wohl weniger wahrscheinlich, obzwar das Potential vorhanden wäre, industriell wie handwerklich. Freuen wir uns darüber, dass die regelmäßig verfügbaren Nordhäuser Whiskys durchweg ihr Potential ausschöpfen.
[Achtung: die Flasche wurde uns als Rezensionsexemplar von der Traditionsbrennerei zur Verfügung gestellt.]
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