Slyrs Mountain Edition

gereift auf 1501m

Slyrs. Ein Urgestein deutschen Whiskys und ein Missverständnis

Wir sind große Fans von Slyrs und die hier besprochene Mountain Edition ist unheimlich lecker. Daher sei das folgende in aller Freundschaft verstanden: die von Slyrs bemühte iro-schottische Tradition widerspricht jeglichem historischen Quellenbefund und ist zudem unnötig. So werden uns „fünf aus Irland und Schottland stammende Mönche“ vorgestellt, die das Kloster Schliersee gründeten und ihn gälisch Slyrs nannten. Tatsächlich waren die stiftenden Brüder Adalunc, Hiltipalt, Kerpalt, Antoni und Otakar lokale Adlige, wofür neben offensichtlichen onomastischen Erwägungen auch die erhebliche Vernetzung mit anderen Adelsfamilien der Region spricht. „Slyrse“ ist schlicht und ergreifend die älteste Schreibweise des Sees in Verbindung mit dem Kloster, bezeugt in den Freisinger Handschriften 94 (datiert auf 779).

Hier ist nichts Gälisches und das braucht es auch nicht. Deutscher Whisky sollte die eigene, bunt-inklusive Regionalgeschichte würdigen.

Die eigentliche Geschichte von Slyrs beginnt im Jahre 1994. Auf einer Reise nach Schottland wähnte der Brauerei- und Brennereimeister Florian Stetter eine spirituelle Nähe von Schotten und Bayern. In der 1920 gegründeten Lantenhammer-Brennerei sollte nun Single Malt entstehen. Diese Schottland-Verbindung ist nicht nur glaubhafter, sie würdigt auch die bayerische Heimat. Diese spielt für Slyrs eine große Rolle: bayerisches Getreide, Alpenwasser, Fertigung vor Ort und Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund. Dazu würde eine bayerische Tradition gut passen – gerne aus dem Frühmittelalter, denn der bajuwarische Dukat war einer wichtigsten Mittler zwischen Ost und West.

Slyrs überzeugt inzwischen durch ein breites Angebot und ist einer der wichtigsten Namen, wenn es um deutschen Whisky geht. Unsere Favoriten sind dabei der kräftige 51er und der im Rum-Fass nachgereifte Slyrs. Doch auf dem Köpenicker Whiskyfest 2020 konnten wir ein weiteres Highlight kosten und waren sofort begeistert: die Mountain Edition.

Ein Bayer in Preussen. Keine Berge, aber ein Schloss

Der Gipfel. Die Mountain Edition

Die Mountain Edition ist auf 50 ausgesuchte Fässer beschränkt, die auf dem Gipfel des Berges Stümpfling lagern. In frischer amerikanischer Weißeiche reift der Whisky für fünf Jahre auf 1501m Höhe.

Nun sind fünf Jahre auch für deutschen Whisky keine übermäßig lange Zeit, zumal Slyrs mehrere 12-Jährige im Programm hat. Die frische Eiche und die extremen Temperaturschwankungen prägen den Whisky aber schon nach wenigen Jahren so sehr, dass eine Abfüllung lohnt. Durch das Gefälle von großer Wärme und Kälte, das bis zu 60° erreichen kann, zieht sich das Holz zusammen und weitet sich stark, sodass der Whisky intensiven Kontakt mit dem Holz hat.

Zudem gibt erstbenutzte Eiche, bezeichnet als Virgin Oak in der englisch dominierten Fachsprache, wenig überraschend massive Eichennoten ab. Die meisten Abfüllungen reifen daher nur wenige Jahre in Virgin Oak, da das Fass rasch dominiert und bei zu langer Lagerung sogar unangenehme Bitterstoffe mit sich bringt. Gerade für Single Malt wird daher meist schon benutztes Holz verwendet, dass die Aromen der Vorbelegung mitbringt, also Bourbon, Sherry und so weiter.

Leider ist uns nicht bekannt, welche thermische Behandlung die Fässer von Slyrs erfahren haben. In den USA ist ein schnelles Ausbrennen (Charring) üblich, aber auch ein langsames Erhitzen (Toasting) ist denkbar. Der Farbton des Whiskys suggeriert letzteres. Der Vorteil des Toastings liegt in der größeren Aromenvielfalt und Würzigkeit, doch resultiert es in größerer Schärfe als beim Charring, das eine filternde Holzkohleschicht bildet.

Der Alkoholgehalt der Mountain Edition beträgt 45%. Das ist solide, da er genug Kraft mit sich bringt, ohne jedoch gleich die Aufmerksamkeit und Geduld einzufordern wie es Fassstärken zu tun pflegen. Die Eckdaten sind damit allesamt vielversprechend.

Nase

Das Fass hat ganze Arbeit geleistet. Karamell, Vanille und kräftige Eichenwürze wecken sofort transatlantische Assoziationen. Mit der Zeit differenziert sich die Würze weiter aus,  v.a. Zimt sticht durch, aber auch Koriander. Hinzu kommen Röstaromen. Die komplimentierende Limette und Orangenschalen erinnern wiederum an klassischen Highland Single Malt, spielen jedoch klar die zweite Geige.

Geschmack

Die Würzigkeit steigert sich weiter, denn auf der Zunge wirkt der Whisky direkt pfeffrig und die Vanille trifft etwas in den Hintergrund. Dazu passen die Rauchmandel, Walnuss und dunkle Schokolade. Dennoch lassen sich die Zitrusfrüchte nicht unterkriegen. Zwar nach wie vor zweitrangig, sind Limette und Orange deutlich ein Kontrapunkt zur würzigen Trockenheit.

Abgang

Auf den Punkt, trocken, würzig mit einem Hauch Karamell. Besser könnte sich der Whisky kaum verabschieden.

Fazit: alles richtig gemacht

Wer befürchtet, dass fünf Jahre zu wenig seien, kann beruhigt sein. Der Fasseinfluss ist überdeutlich. Tatsächlich hätte der Whisky wohl nicht viel länger in der Eiche liegen dürfen. Sylrs hat gekonnt die Balance zwischen den süßen und würzigen Aromen des Holzes gewahrt, obschon mit einem Hang zur Würze. Fans der Virgin Oak-Reifung haben ihre Freude, denn niemals allerdings kippt die Mountain Edition und überholzt. Trotzdem ist und bleibt es jungfräuliche Eiche und so spricht der Whisky in erster Linie Fans dieser Reifungen an.

Ein klassischer Highland Single Malt mit seinen delikaten Fruchtaromen ist es gerade nicht, auch wenn die Schotten immer mehr mit Virgin Oak experimentieren (dabei allerdings oft noch die Finesse der Amerikaner und so mancher Deutscher vermissen lassen – Whisky ist eben eine Frage der Erfahrung!). Aus dem Bayerischen Hochland kommt eine andere Art Whisky, die sich qualitativ nicht vor dem großen Vorbild verstecken muss und sich geschmacklich emanzipiert hat. Genau so muss deutscher Whisky sein.

Angesichts dieser gelungenen Emanzipation könnte auch gleich die ahistorische Gründungslegende entsorgt werden, ersetzt durch die vorhandene, echt frühbajuwarische Story, die ohnehin viel besser zum Charakter von Slyrs passt.

2 Comments

  • Matthias 14. Dezember 2021 at 22:32 Reply

    Slyrs ist einfach herrlich! Danke für den ausführlichen Beitrag.

  • Slyrs Rye 13. November 2022 at 11:25 Reply

    […] Schliersee gälisch Slyrs nannten, keiner historisch-kritischen Prüfung standhält, haben wir an anderer Stelle bereits besprochen. Inzwischen ist Slyrs als Marke ohnehin so etabliert, dass der Mythos Teil der […]

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