Scapa 16 (2024 Signature Series)

Das lang erwartete Comeback

Scapa und die Geschichte

Die Scapa Distillery liegt an der Nordspitze des Scapa Flow, jener malerischen wie geschichtsträchtigen Bucht der Orkney-Inseln. So wurde die 1885 gegründete Brennerei Zeuge zahlreicher Ereignisse, interessanterweise auch aus der deutschen Geschichte. 1916 hatte Admiral Jellicoe hier sein Quartier bezogen, bevor er zur Skagarrakschlacht hinausfuhr, um die kaiserliche Hochseeflotte zu stellen. Nach dem Krieg wurde die Hochseeflotte im Scapa Flow interniert. Admiral Reuter gab dort 1919 den Befehl zu ihrer Selbstversenkung und stellte in den Augen vieler Zeitgenossen so die verlorene Ehre der Marine wieder her. In beiden Weltkriegen drangen deutsche U-Boote in die Bucht ein. Zuletzt bombardierte die Luftwaffe den Archipel, traf die Brennerei glücklicherweise nicht.

Ihre exponierte Lage rettete die Scapa jedoch auch, als 1919 ein Feuer ausbrach und Seeleute der Royal Navy entsprechend schnell reagieren konnten, um zu löschen. Im 2. Weltkrieg wiederholte sich dies noch einmal. Und so bewegt die Geschichte rund um Scapa war, so wenig gradlinig verlief die Geschichte der Brennerei. Sie wurde mehrfach verkauft, stillgelegt und lief von 1997 bis 2004 nur in Teilzeit, betrieben vom Personal der benachbarten Brennerei, Highland Park. Seit 2005 operiert die Brennerei wieder in Vollzeit, blieb aber lange ein eher stiefmütterlich behandeltes Kind beim neuen Eigentümer Pernod Ricard.

Trotz dieser Umbrüche und Schwierigkeiten bewahrte sich Scapa einen eigenen Charakter. Ganz zu Beginn der Brennerei wurde das Malz noch über Torf getrocknet, aber schon die Zuführung des Wassers vom Lingro Burn erfolgte über Eisenrohre, was den natürlichen Torfgehalt des Wassers reduzierte und eventuell zu einem milderen Whisky führte. Auf Torf wird nunmehr seit langem verzichtet, sodass der Whisky geschmacklich nicht so recht zu den anderen Insulanern passen will. Mit geschlossenen Augen wähnt man sich eher in der Speyside.

Der Neustart 2005 wurde von einem 14-jährigen Single Malt eingeleitet, der 2009 einem 16-jährigen Nachfolger wich. Vor allem letzterer war ein ganz vorzüglich ausbalancierter und komplexer Whisky. Selbst der 2015 eingeführte Skiren blieb grazil, war aber ein Kind seiner Zeit. Highland Park hatte enormen Erfolg mit der nordischen Designsprache – die Orkneys gehörten einst zum Königreich Norwegen – und so bekam auch ein Scapa den altnordischen Namen Skiren. Außerdem wurde die Altersangabe entfernt. Es war nach wie vor ein guter Whisky, doch fehlte ihm augenscheinlich die Tiefe seiner viel älteren Vorgänger. Auch der bei 40% ABV verbliebene Alkoholgehalt wirkte aus der Zeit gefallen. Mochte Scapa einst ein Geheimtipp gewesen sein… damit geriet man immer weiter ins Hintertreffen.

2024 dann die frohe Kunde: Scapa erfährt ein Relaunch, mit brandneuen Designs, sowohl bei der Flasche als auch den Labels. Ein 10-jähriger Einsteiger, ein 16-jähriger Premium-Whisky und eine 21-jährige Fassstärke bilden die neue Signature Series. Das Herzstück ist sicher der 16-jährige, der bei alten Scapa-Fans nostalgische Gefühle wecken dürfte – jedenfalls tut er das bei mir.

Scapa 16 (2024) vor dem Stadtschloss unter grauem Himmel
Gold auch bei grauem Himmel

Endlich wieder mit Altersangabe, endlich in erhöhter Trinkstärke

Es scheint, als habe Scapa die Zeichen der Zeit erkannt. Mit einer mehr als respektablen Altersangabe von 16 Jahren und einer erhöhten Trinkstärke von 48% ABV werden erfahrenere Whiskyfans angesprochen. Das war bei Scapa ohnehin schon immer der Fall, da kaum ein Gelegenheitskäufer je die Wiskys der kleinen Orkneybrennerei auf dem Schirm hatte, geschweige denn kaufte. Die größere Tiefe und Komplexität, die ein wohlgereifter 16-jähriger Single Malt verspricht, wird durch 48% ABV gut unterstützt. Dieser Alkoholgehalt ist gleichzeitig auch für relativ neue Whiskyfans noch zugänglich, sodass Scapa hier ein Drahtseilakt gelingen könnte – falls doch mal jemand spontan kauft. Überhaupt setzt sich die Stärke von 48% ABV immer häufiger dort durch, wo früher 43% oder 46% ABV standen.

Gleichsam erfreulich ist die klare Fassauswahl, nämlich First Fill Bourbon. Warum das nicht deutlicher angepriesen wird und stattdessen nur von American White Oak die Rede ist, erschließt sich nicht.  Immerhin ist es kein Geheimnis, im Gegenteil. Vor Ort ist man zu Recht stolz darauf, dass Pernod Ricard dem Scapa inzwischen den Stellenwert einräumt, die erste Fasswahl zu haben. Ob dies wirklich stimmt sei dahingestellt; dass aber First Fills zum Einsatz kamen, schmeckt man schnell heraus.

Die Bourbon-Reifung gilt weithin als die ehrlichste Reifung. Das hat einerseits den Grund, dass das Destillat besser zur Geltung kommt als etwa bei den doch oft dröhnenden Starkweinfässern. Andererseits hat jede fast jede Brennerei einen bourbonfassgereiften Whisky im Programm. Damit ist eine gewisse Vergleichbarkeit gewährleistet. Manche Stimmen behaupten gar, es sei bei Bourbonfässern ziemlich egal, welcher Bourbon vorher darin lagerte, es schmecke alles gleich. Das ist allerdings schon ob der sehr divergierenden Mash Bills unrichtig. Die aus ihr resultierenden Unterschiede sind fein, aber vorhanden.

Im Übrigen ist die Frage, welche Bourbonbrennerei die Fässer lieferte relativ leicht zu klären. Im Portfolio von Pernod Ricard ist Four Roses der einzige größere Spieler im amerikanischen Feld. Jefferson’s und Rabbit Hole könnten theoretisch auch Lieferanten sein, rein die Produktionsmenge spricht aber für Four Roses. …nicht die schlechteste Adresse.

Mit einem glasklaren Profil gereift und abgefüllt, ist der Scapa 16 geradezu eine Wohltat. Die Optik tut ihr Übriges. Die Flaschenform greift maritime Motive auf, auf dem Etikett ist die Küstenlinie rund um den Scapa Flow in Form von Wasserlichtspiegelungen elegant widergegeben und die Farbverläufe versetzen einen direkt an die See. Sogar die Innenseite der Verpackung erinnert an das Innere einer Muschel. Solcher Aufwand und solche Liebe zum Detail für eine so unbekannte Destillerie setzen definitiv ein Ausrufezeichen, bevor auch nur der erste Tropfen ins Glas geht.

Nase

Es beginnt mit Crème Brûlée und tropischen Früchten, von reifer Mango über Papaya bis hin zu gegrillter Ananas. Wie konzertiert setzt salziges Karamell einen Kontrapunkt, leitet über zur Eichenwürze mit Kardamom und schwarzem Pfeffer. Die drei Elemente von Fruchtsüße, Bourbonfasssüße und Würze finden sich in nahezu perfekter Balance wieder.

Geschmack

Mundraumfüllend und doch unaufdringlich wird der Speichelfluss angeregt. Dann musizieren Cremesüße und tropische Früchte miteinander in geruhsamer Harmonie, die diesmal durch eine noch breitere Gewürzpalette abgerundet wird. So locken roter Pfeffer, Koriander und Lorbeer; das Holz hat gewirkt. Auch wenn damit das würzige Element an Stärke gewonnen hat, schärft dies eher das tiefendimensionale Profil als dass es die nach wie vor beeindruckende Balance störte. Vielmehr ist es eine Einladung, die Nuancen des Whiskys zu erkunden.

Abgang

Zuerst hallt der Scapa wie erwartet mittellang nach, mit Süße und Würze. Unversehens zündet ein Nachbrenner, der die würzige Schärfe betont und leicht bittere Tannine bringt. Obwohl sich dies angesichts der Erfahrung auf der Zunge angedeutete, überrascht das anregende Prickeln doch etwas.

Scapa 16 (2024) vor dem Stadtschloss unter blau-grauem Herbsthimmel

Fazit: auf ganzer Linie gelungen

Es ist manchmal hart, Kritik zu üben. Der damals brandneue Scapa 14 war mein erster Schritt in die Welt des Single Malts jenseits der Supermarktabfüllungen, entsprechend voreingenommen bin ich. Die einmalige Lage der Brennerei mit Blick auf so viele Ereignisse der jüngeren Geschichte verzückt gleichsam den Historiker. Zum Glück ist der Neustart 2024 dermaßen gelungen, dass Lob und Anerkennung sehr leicht fallen.

Sämtliche positiven Eigenschaften des alten Scapa nimmt der Neue mit. Er ist voller tropischer Früchte, mild balanciert und bietet beachtliche Tiefe für geduldige Genießer. Diesmal jedoch steckt auch die Kraft dahinter, die es braucht, die volle Bandbreite der Aromen zu würdigen. Wer Scapa schon immer mochte, wird begeistert sein. Wer Scapa nicht mochte, sollte eine zweite Chance gewähren. Und wer Scapa gar nicht kennt, muss probieren, wenigstens auf einer Messe.

Bleibt der Elefant im Raum: der Preis. Mit knapp 120 Euro steht der Scapa 16 unter Berücksichtigung aller Eckdaten doch eher am oberen Ende der Skala. Nun war Scapa nie günstig und ob der geringen Produktionsmenge auch nicht immer erhältlich. Es wäre für jedes Unternehmen von Luxusgütern heutzutage völlig irrsinnig, eine Neupositionierung im Markt nach unten zu wagen. Scapa bleibt im gewohnten Hochpreissegment. Und mit Blick auf die direkte Konkurrenz steht Scapa keineswegs weit ab.

Wenn die anderen Abfüllungen der 2024er Signature-Serie ebenfalls so überzeugend sind, könnte und sollte Scapa bald größere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Die Tage als Geheimtipp wären dann gezählt. Da die Orkneys inzwischen fünf Brennereien beheimaten, die Whisky produzieren oder produzieren werden, daher möglicherweise als Whiskyregion anerkannt werden könnten, käme dies wohl genau zur rechten Zeit. Doch die zahlreichen Konjunktive in diesen Sätzen mahnen auch zur Vorsicht. Wer weiß, was die Zukunft bringt. …zunächst einmal hervorragenden Whisky aus Scapa.

[Achtung: die Flasche wurde uns als Rezensionsexemplar vom Whisky-Botschafter und Pernot Ricard zur Verfügung gestellt.]

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