Nordhäuser Rye Whisky No.2
Diese Nordhäuser Fortsetzung ist das Highlight am Jahresende
Nicht der erste Whisky aus Nordhausen
Das Jahr 2023 sah eine ganz besondere Premiere, als die Traditionsbrennerei Nordhausen ihren ersten Whisky vorstellte. Streng genommen war es nicht der erste Nordhäuser Whisky, denn schon in der DDR hatte die Brennerei bzw. ihr Vorläufer Whisky produziert, gleichwohl dieser nie den Kultstatus eines Falkners erreichte. Und falls der Geschmack des Falkners repräsentativ sein sollte, ist es vielleicht auch besser, dieses Kapitel zu vergessen.
Interessanter ist ohnehin die Tatsache, dass fassgelagerte Getreidebrände in Nordhausen hunderte Jahre Tradition haben und dass ebendiese Tradition des Brennens von Roggen und Gerstenmalz einen Nukleus des amerikanischen Whiskeys darstellt. Gewissermaßen kehrt Nordhausen zu seinen Wurzeln zurück.
Diese Rückkehr 2023 war von langer Hand geplant und gut vorbereitet. Nicht nur das für deutschen Whisky hohe Alter von zehn Jahren spricht augenscheinlich dafür, sondern vielmehr der systematische wie frühzeitige Ankauf von verschiedenen Fässern. Die Traditionsbrennerei ließ sich Zeit und probierte vieles aus. Der Erstling wurde standesgerecht in deutscher Eiche ohne Vorbelegung gereift. Für die folgenden Abfüllungen sollen dann andere Fasstypen zum Zuge kommen, um die Vielseitigkeit des Whiskys zu betonen.
Dass Nordhausen, wenn gewollt, ohne Weiteres ein Whisky-Gigant werden könnte, haben wir bereits beim No.1 angemerkt. Im Moment begnügt man sich in Thüringen allerdings mit kleineren Chargen, jedenfalls für Nordhäuser Verhältnisse. Tatsächlich sind 1250 Flaschen für eine deutsche Abfüllung gar nicht so wenig. Sie sind ob des Interesses an Nordhausen aber schnell ausverkauft. Dadurch werden sie für Sammler attraktiv. Hier soll aber ausschließlich das besprochen werden, was im Glas landet: der Whisky.
Nun mit Finish
Das sehr methodische Vorgehen Nordhausens zeigt sich in der Fassauswahl. Die deutsche Eiche ohne Vorbelegung hat sich bewährt, sie bildet auch weiterhin die Grundlage für die Reifung. Neun Jahre liegt der Whisky darin, bevor er für das letzte Jahr ein Finish im Portweinfass erhält. Statt einer möglichen, aber sehr intensiven Vollreifung, die unter Umständen das Destillat erdrückt, wählt die Traditionsbrennerei damit einen Weg, der Nuancen besser herausstellt. Da zehn Jahre für einen Roggenwhisky eine lange Lagerung sind, dürfte diese Entscheidung der Balance von Destillat und Fasseinfluss sehr gut tun. Bereits das eine Jahr im Portweinfass hat dem Whisky eine deutlich dunklere Farbe gegeben, ein schönes Rotgold.
Wie gehabt dominiert der Roggen die Maische mit 90%, während Gerstenmalz komplementär mit 10% vertreten ist. Das ist eine Abkehr vom historisch überlieferten Kornrezept der Traditionsbrennerei, dass eine Mischung zwei-zu-eins vorsieht. Allerdings sind für Nordhausen auch höhere Roggenanteile überliefert, 1780 etwa betrug der Roggenanteil bei zehn von zwölf Anteilen ca. 83,3%. Da bisweilen fast fünfzig Brennereien in Nordhausen zeitgleich aktiv waren, ist eine gewisse Abweichung ohnehin zu erwarten. Der höhere Roggenanteil erinnert außerdem an den Monongahela-Stil des Rye Whiskeys, der von jenen deutschen Auswanderern in Pennsylvania bevorzugt wurde, die ihre Brenntradition aus der Heimat mit nach Amerika nahmen. Rein geschmacklich sorgt so viel Roggen dafür, dass der Whisky würziger und frischer wirkt.
Die Alkoholstärke bleibt mit 46% ABV gleich dem Erstling. Während sich viele Fans sicher die Fassstärke wünschen, darf Nordhausen seinen breit aufgestellten Kundenkreis nicht aus dem Auge verlieren. Korn wird zudem eher selten mit mehr als 40% ABV abgefüllt. Dafür sind 46% ABV doch klar über dem Minimum für Whisky und können durchaus wirksam Aromen anschieben. Außerdem gibt es in den USA durchaus Stimmen, die niedrigere Alkoholstärken für Roggen bevorzugen, weil so manche subtileren Noten zum Vorschein kommen. Dies wiederum passt durchaus zum Nordhäuser Ansatz.
Nase
ein erster, leichter Anflug von Schwefel verflüchtigt sich schnell und dann eröffnet der Nordhäuser ein prachtvolles Bouket. Süße rote Beeren, Kirsche und Granatapfel stehen auf der einen Seite, auf der anderen frische Kräuter wie Basilikum, Rosmarin und Thymian, dazu Anis und Menthol. Je länger er atmet, desto ausgeprägter entwickelt sich eine würzige Note, die in schwarzem Pfeffer mündet.
Geschmack
Menthol, Kräuter und Himbeere vermischen sich zu einem interessanten Gemenge, bevor der Whisky seine Tiefe zeigt mit dunkler Schokolade, mehr roten Früchten, Datteln und Würze. Letztere ist nicht allzu scharf für Rye-Verhältnisse, es ist eher Kardamom und milde Nelke.
Abgang
der Nachhall zeigt wieder schärfere Würze, erneut bis hin zu Pfeffer, was wohl teilweise der Eiche geschuldet ist.
Fazit: starke Fortsetzung
Schaffte es bereits die Nummer Eins, den hohen Erwartungen an einen Nordhäuser Roggenwhisky gerecht zu werden, so stiegen die Erwartungen nur. Die Traditionsbrennerei aber hat eine würdige Fortsetzung geschaffen. Bemerkenswert ist die Konsequenz, mit der dieser Rye weiterentwickelt wurde. Das Aromen- und Geschmacksprofil lässt die Nähe zum Erstling deutlich erkennen, erfuhr zugleich aber eine sinnvolle Nachreifung, die an genau den richtigen Stellen neue Akzente setzt. Besonders lobend sei die Zurückhaltung erwähnt, mit der das Portweinfass wirkt.
Insgesamt bleibt es ein eleganter Rye Whisky, der sich nicht nur neben dem Nummer Eins hervorragend macht, sondern auch in die generell milde Reihe der Nordhäuser Brände passt. Dennoch deutet sich bei der Nummer Zwei an, dass das Potential für einen rau-würzigen Rye vorhanden ist. Und es wäre sehr spannend herauszufinden, ob die Traditionsbrennerei mit einem anderen Fasstyp diese Seite noch besser herausstellen kann.
Dass die Serie weitergeht, steht außer Zweifel. Sie ist ein Prestigeprojekt und wird vom Publikum sehr gut angekommen. Noch aufregender dürfte aber die Nachricht sein, dass in Nordhausen noch anderer Whisky schlummert… Sollte die Traditionsbrennerei irgendwann nicht mehr nur auf limitierte Abfüllungen setzen, könnte dies die Verhältnisse in der deutschen Whiskywelt neu ordnen. Eigentlich ist es auch schade, dass vermutlich nicht alle Flaschen geöffnet werden, sondern Sammlerobjekte bleiben. Dafür ist der Whisky zu lecker. Er ist kurzgesagt einer der besten Roggenwhiskys überhaupt, obzwar noch nicht perfekt.
Doch im Moment stippt Nordhausen erst einmal seine Zehen in den großen Whiskysee und sammelt Erafhrungen. Da es für Whisky Geduld und Erfahrung braucht, ist daran auch nichts verkehrt. Und die glücklichen Besitzer des Meisterstücks können sich an einem weiteren Nordhäuser Nachweis erfreuen, dass Deutschland Rye-Land ist.
[Achtung: die Flasche wurde uns als Rezensionsexemplar von der Traditionsbrennerei zur Verfügung gestellt.]
No Comments